Gefängnisstrafen nach Neonazi-Überfall auf Leipzig-Connewitz
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Polizeieinsatz nach Randale in der Wolfgang-Heinze-Straße in Connewitz. (Archivbild)
© Quelle: Kempner
Leipzig. Dieses Strafmaß sorgte am Donnerstag auch in Justizkreisen für eine gewisse Verblüffung: Mehr als zweieinhalb Jahre nach den massiven Krawallen von Hooligans und Neonazis im linksalternativen Leipziger Stadtteil Connewitz sind zwei mutmaßlich Beteiligte zu empfindlichen Haftstrafen verurteilt worden.
Für ein Jahr und acht Monate sollen Martin K. und Dennis W. (beide 26) wegen schweren Landfriedensbruchs hinter Gitter, eine Aussetzung zur Bewährung gab es nicht. Noch im Gerichtssaal kündigten beide Verteidiger auf Anfrage an, in Berufung gehen zu wollen.
„Es spricht alles dafür, dass die Angeklagten nicht zufällig da reingeraten sind“, sagte Amtsrichter Marcus Pirk am Ende des zweiten Verhandlungstags. „Es handelte sich um eine eindeutig rechte Gruppierung, und es ging darum, eine Provokation zu starten.“
Dabei könne man von Glück reden, dass an jenem Abend die meisten der gewaltbereiten Linken nicht vor Ort, sondern bei Protesten zum ersten Legida-Jahrestag in der Innenstadt waren. „Ansonsten würden wir nicht nur über Sachbeschädigungen reden, sondern über massivste Körperverletzungen“, so Pirk. Gleichwohl gehe es nicht um ein Bagatelldelikt, betonte er.
113.000 Euro Schaden
Ein überwiegend vermummter Mob war am 11. Januar 2016 ab 19.20 Uhr durch die Wolfgang-Heinze-Straße gezogen und hatte mit Eisenstangen, Ästen, Latten und anderen Werkzeugen eine Schneise der Verwüstung geschlagen. 25 Läden und Bars sowie 18 Fahrzeuge wurden zerstört, der Schaden lag bei rund 113.000 Euro.
Es sei allerdings nicht feststellbar gewesen, dass die Angeklagten selbst Sachschäden verursacht haben, räumte auch Staatsanwältin Sandra Daute in ihrem Plädoyer ein. "Aber sie sind in dieser Gruppierung mitgelaufen und haben sich solidarisch gezeigt." Daher seien sie der Beteiligung am Landfriedensbruch schuldig.
Jedoch war aufgrund der Vermummung der meisten Teilnehmer und der überwiegend einheitlich dunklen Bekleidung keine Identifizierung einzelner Personen möglich, wie diverse Videoaufnahmen zeigten, die das Gericht am Donnerstag eine knappe Stunde lang in Augenschein nahm.
Klare Provokation
Daute sprach auch von einer notwendigen Generalprävention, die in das Urteil einfließen müsse angesichts einer Vielzahl politisch motivierter Ausschreitungen in den vergangenen Jahren in Leipzig. Als Beispiele führte sie Krawalle von Linksextremisten wie etwa im Dezember 2015 in der Südvorstadt an.
Für die Verteidiger war hingegen „nur erwiesen, dass die Angeklagten am 11. Januar 2016 in der Auerbachstraße festgesetzt wurden“, so Rechtsanwältin Katrin Stärk. „Alles andere sind Mutmaßungen.“ Schließlich habe auch die Polizei nicht ausschließen können, dass Unbeteiligte unter den eingekesselten Personen waren.
215 Verdächtige waren kurz nach den Ausschreitungen in Connewitz von der Polizei festgesetzt worden. Später stießen die Ermittler auf zwei weitere mutmaßlich Beteiligte der Randale, die am 11. Januar nicht vor Ort angetroffen worden waren. 60 verwertbare DNA-Spuren sicherten Ermittler am Tatort, die 15 Beschuldigten zugeordnet werden.
Doch weder Dennis W. noch Martin K. gehörten dazu. Es gebe von ihnen auch keinerlei Handydaten, keine Bewegungsmuster, monierte der zweite Verteidiger, Veiko Rabe. Er sprach von „Vermutungen, die sich die Staatsanwaltschaft aus dem Aktenkonvolut zusammenstampft.“ Beide Anwälte forderten für ihre Mandanten Freispruch.
Zufall unwahrscheinlich
Doch der Richter hielt es für unwahrscheinlich, dass die beiden Arbeiter zufällig in den Pulk der Hooligans und Rechtsextremen gerieten. So habe sich keiner der Festgesetzten in der Auerbachstraße der Polizei als Unbeteiligter zu erkennen gegeben. Zudem wäre angesichts der Umstände zu dieser Zeit keiner zufällig dort unterwegs gewesen, so Pirk, „bei dem, was da los war.“
Die Angeklagten hätten sich der Beihilfe schuldig gemacht, da sie Teilnehmer jener Masse gewesen seien, in der sich die Täter immer wieder verstecken konnten. Er folgte exakt dem Antrag der Staatsanwaltschaft und schickte Martin K. und Dennis W. für 20 Monate ins Gefängnis. Auch eine Bewährung verwehrte er den nicht vorbestraften Beschuldigten, die bis zum Schluss zu den Vorwürfen geschwiegen hatten.
Damit ist der erste hiesige Prozess in dem Mammutverfahren vorerst abgehakt. Allein am Amtsgericht Leipzig sind insgesamt 92 Verfahren anhängig. Die Staatsanwaltschaft hatte bislang Anklage gegen 202 Personen an den Amtsgerichten Leipzig, Torgau, Eilenburg und Grimma erhoben. Überwiegend werden jeweils zwei Angeklagte pro Prozess abgearbeitet.
Von Frank Döring
LVZ