Newsletter „Heiterblick“

Heiterblick #15: Die Sache mit den illegalen Open-Airs

Guten Abend, Leipzig!

Neulich habe ich mich auf ein illegales Open-Air verirrt. Aber was heißt schon illegal. Der Ort war ein karges Waldstück gleich an der Autobahn. Laut und schmutzig ist es dort ohnehin schon. Der meiste Müll stammte aus heruntergelassenen Beifahrerfenstern. Das verwerflichste an der Party war vielleicht noch der Dieselgenerator, mit dem die DJs ihre Anlage und eine kleine Lichtshow in den Bäumen mit Strom versorgten.

Und, ja klar: Was heißt schon verirrt. Um die Party zu finden, musste man entweder von Freunden mitgenommen werden – oder vorher in den richtigen Telegram-Gruppen gestöbert haben.

In der Leipziger Open-Air-Lingo spricht man da von „ask your network“, bzw. „dm for location“. So jedenfalls lauten die Befehle, die auf den virtuellen Flyern anstelle einer Ortsangabe stehen.

Ich verstehe, warum die Open-Air-Crews (es sind meistens eine Handvoll Anfang-20-Jährige, die Generator und Anlage in den Wald schleppen) solche komplizierten Schleifen um ihre Ankündigungen binden. Schließlich gibt es im Wald keinen Einlassstopp. Es dürfen also nicht zu viele von den Happenings erfahren. Einige müssen an der korrekten Navigation scheitern.

Genauso wichtig ist, dass es im Wald keine Tür gibt. „Tür“, das muss man vielleicht dazusagen, nennt man in der Clubszene die richtige Kombination aus Eingang und einem Türsteher, der nicht jede und jeden reinlässt. Wer schon beim Anstehen torkelt und lärmt, bekommt bald zu hören: „Sorry, nicht dein Abend.“ Das geht im Wald natürlich nicht.

Wobei, doch. Vor einigen Wochen ging es. In der Nähe des Porsche-Werks wurden bei einem illegalen Open-Air tatsächlich negative Corona-Tests kontrolliert.

Halten wir einmal kurz auf der Tanzfläche inne und betrachten diese drei Dinge. Harte Türen an Clubs. Das Verwirrspiel um Open-Airs. Das allgemein sehr genaue Hingucken bei den Corona-Maßnahmen. Man könnte meinen, dass die Clubkultur in den letzten Jahren immer restriktiver geworden ist.

Die Gründe dafür sind offensichtlich. Leipzig, beispielsweise, wächst. Und eine Party ist eine eigentlich sehr filigrane Angelegenheit. Zu viele Menschen können schnell bedrohlich wirken. Erst recht, wenn manche von ihnen Corona haben. Also zieht man allerlei Schranken.

Auf dem illegalen Rave hatte ich das Gefühl, dass da etwas nicht stimmt. War die Idee von Techno nicht einmal, dass er für alle da ist? Also auch – oder sogar: erst recht? – für die Ausgeschlossen, die Außenseiter, die Uncoolen, die Nichtbescheidwisser?

Aber, auch klar: Wie soll es heutzutage anders gehen?

Man kann noch den ganzen Sommer auf Open-Airs gehen, legale und illegale. In der LVZ werde ich noch weiter darüber berichten. Allerdings weiß ich auch jetzt schon: Man kann sich auch einfach mit Freunden in den Park setzen – hyperexklusiv und wahrscheinlich ziemlich umweltfreundlich.

Ein illegales Open-Air südlich von Leipzig.

Ein illegales Open-Air südlich von Leipzig.

Wo trifft Leipzig sich gerade?

Der Störmthaler See ist meiner Meinung nach der See der Stunde. Warum? Naja: Die anderen sind ziemlich überfüllt. Zum Störmthaler muss man dafür ein Auto nehmen. Mir ist aufgefallen, dass Cityflitzer neuerdings den Fiat 500 in seine Flotte aufgenommen hat. Der (kostenpflichtige) Parkplatz am Störmthaler heißt übrigens Lagovida. Also: Fiat fahren, zu viel Geld loswerden, irgendwas mit „Lago“ im Namen: Wie viel Italien-Feeling darf es noch sein?

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Wortmeldungen: Leipzig, Sachsen, der Osten

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Denken Sie bei Uwe Tellkamp an einen Dresdner, der sich aufs Erzählen versteht? Oder doch nur an Pegida? Wahrscheinlich ist das eine Frage von Alter oder von politischer Positionierung. 3sat gibt Tellkamp anlässlich seines neuen Romans ausführlich Gelegenheit, sich zu erklären. Der Film handele von der „Geschichte eines gefeierten Schriftstellers, der wegen seiner öffentlichen Positionierungen in Ungnade gefallen ist“. Ist das so? Schon allein darüber ließe sich streiten. Ich will „Der Fall Tellkamp - Streit um die Meinungsfreiheit“ aber hiermit einfach nur empfehlen.

Wie lange ist es her, dass Deutsche in einem Kriegsgebiet auf Russen geschossen haben? Jetzt scheint es jedenfalls wieder so weit zu sein. Immer wieder hört man von Freiwilligen, die als Angehörige von „Internationalen Legionen“ in den Krieg in die Ukraine ziehen. Meinem Kollegen Jan Sternberg ist es gelungen, die Geschichte des ersten Deutschen nachzuerzählen, der nun an der ukrainischen Front gefallen ist: Björn C., ein Mann aus Brandenburg. Seinen Text(+) auf RND.de möchte ich sehr empfehlen.

Meine liebe Freundin, Ausgeh-Komplizin und außerdem LVZ-Kolumnistin Greta Taubert hat im Spiegel einen Text(+) über Garagen geschrieben, den ich allen sehr ans Herz legen möchte. Witzig ist, dass schon vor einigen Wochen meine Kollegin Denise über verschwindende Garagen schrieb(+) (mitsamt einer kleinen, feinen Sigmund-Jähn-Anekdote!). Ich würde in diesem Fall aber nicht auf ein Plagiat tippen, sondern eher proklamieren: Das Thema Garagen (und was so alles, hehe, dahintersteckt) bewegt uns gerade alle sehr.

Vielen Dank fürs Lesen und bis in zwei Wochen,

Dein Josa

Was ist Heiterblick?

Eigentlich ein Leipziger Stadtteil, da oben im Nordosten. Dieser Newsletter handelt nicht von dem Stadtteil, er ist ein Leipzig-Newsletter. Aber ich möchte den Namen des Stadtteils neu beleben, daher borge ich ihn mir. Natürlich nicht, ohne vorher einmal nach Heiterblick gefahren zu sein – und seinen idyllischen Müllberg erklommen zu haben.

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