Heiterblick #16: Warum der Trotz der Ostdeutschen jetzt hoffen lässt
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© Quelle: RND
Guten Abend, Leipzig!
Jeder geht anders mit Krisen um. Gegen Corona schützen sich manche mit einer Maske. Andere nicht. Die einen lassen sich impfen – und nicht wenige entschieden sich bewusst dagegen.
In Ostdeutschland neigen Menschen mehr als anderswo dazu, Krisen kleinzureden. In Sachen Klima und Pandemie, wo alle mit anpacken müssen, damit es klappt, ist das zwar keine gute Idee.
Die Energiekrise könnte wieder eine sein, die den Osten mit verschränkten Armen auf die Straßen treibt. Ähnlich wie Hartz IV, die sogenannte Flüchtlingskrise 2015 oder eben Corona. Wer vor 30 Jahren schon einmal durch eine Transformation gehen musste, nimmt die nächste Krise nicht mehr ohne Weiteres hin – so würden dann die Analysen lauten.
Es könnte aber auch sein, dass die Energiekrise ausnahmsweise eine wird, die der Osten besonders gut wegsteckt. Vielleicht sogar besser als der Rest der Republik. Dafür sehe ich einen offensichtlichen und einen etwas versteckten Grund.
Der offensichtliche ist, dass es in der DDR auch nicht immer Fernwärme und Warmwasser aus der Wand gab. Wenn also Robert Habecks Warnung eintritt und einige Haushalte künftig nur noch zu bestimmten Zeiten duschen oder heizen können, werden einige nur mit den Schultern zucken: „War doch früher auch nicht anders.“ Vereinzelt ist es schon so weit.
Zwar werden sich manche nicht an die DDR erinnern können (oder wollen). Aber viele dürften, das ist der zweite Grund, eine andere typisch ostdeutsche Reaktion auf die Krise zeigen: Trotz.
Schon zu Corona hat sich gezeigt, dass der Osten, wenn man so will, schicksalsergebener ist. In einem klugen Text stand, im Osten gebe es „ein kühleres, vielleicht schicksalergebeneres Verhältnis zu Krankheit, zu Lebensrisiken, zum Tod“. In der Pandemie eine Eigenschaft mit mitunter tödlichen Folgen. Aber in einer Wärmekrise?
Sich seinem Schicksal zu ergeben: Das ist nicht etwa typisch ostdeutsch, sondern typisch osteuropäisch. Man kann es als Fortführung des russischen „Sudʹba“ sehen, dem Schicksalsbegriff der Russen. Der ist dort so wichtig, dass man ihn auch einfach als Synonym für das Leben an sich verwendet.
Die Vorstellung, dass das Leben eben so kommt wie es kommt (und man nicht so viel dagegen tun kann) findet sich aber auch im Osten. Eben in Sachen Gesundheit: Indem man seltener zum Arzt geht. Politisch: Indem man nicht wählen geht.
Und wenn die Politik entscheidet, dass Wohnung oder Arbeitsplatz diesen Winter ein bisschen kühler bleiben müssen? Dass man nur noch vor 21 Uhr warm duschen kann? Vielleicht werden gerade viele Ostdeutsche dann einen ähnlichen Pragmatismus an den Tag legen.
Was auch immer passiert: Es wird einen ostdeutschen Blick auf diese nächste Krise geben. Vielleicht ist es diesmal einer, der staunt und lernt.
Wo trifft sich Leipzig gerade?
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Lastenrad mit Einhorn.
© Quelle: Kempner
An einer der elf neuen Mietstationen, an denen man jetzt eines von 30 Lastenrädern ausleihen kann. Genau das ist seit Dienstag in Leipzig möglich, um etwa, um mal einen typischen Leipzig-Satz zu schreiben: Einen Kasten Sterni an den Cossi zu fahren. Ich bin mir noch nicht ganz sicher wie das Lastenrad unter ästhetischen Gesichtspunkten abschneidet. Sieht es nicht oft ein wenig aus, als hätte die fahrende Person einfach ein bisschen zu viel eingepackt? Hätte es der Rucksack oder sogar noch die eingehängte Radtasche nicht auch getan? Daher mein Tipp: Unbedingt Bierkästen aufladen. Dann erschließt sich das Lastenrad gleich.
Die Räder gibt es für 4 Euro pro Stunde oder 18 Euro am Tag. Wer ein E-Lastenrad nimmt, zahlt 60 Cent pro Stunde Aufpreis. Ausleih- und Abgabestationen befinden sich vor allem im Süden, zwei auch im Westen (hier eine genaue Karte). Mein Kollege Tim Niklas Herholz hat schon eine erste Testfahrt unternommen.
Fünf Empfehlungen aus LVZ+
- „Ich verstehe den Frust der Fahrgäste“: Wenn Züge zu spät oder zu voll sind, richten sich alle Blicke auf sie: die Zugbegleiterinnen der Bahn. Hier erzählen zwei wie sie den ersten Monat mit Neun-Euro-Ticket erlebten – und welche Fahrgäste die schlimmsten sind.
- Auch bei Zwangsversteigerungen gehen Immobilien inzwischen oft zu hohen Preisen weg. Nicht so in der Malzhausgasse in Grimma. Über ein Haus, das fast keiner will – und das die, die es lieben, doch nicht haben können.
- Umgebaute Kleingärten und die 250-Meter-Regel: Um seine Bürgerinnen und Bürger vor Rekordtemperaturen zu schützen, will Leipzig jetzt eine andere Stadt werden. Aber wie? Und reicht das? Leipzigs verzweifelter Kampf gegen die Hitze …
- … und hier geht es zur dazugehörigen Podcast-Episode „LVZ Unsere Story“: Welche Spuren hinterlässt der Klimawandel bereits in Leipzig? Was tut die Stadt dagegen? Und wie können wir uns an den Wandel anpassen?
- Vor seinem Konzert posierte Campino vor einer Leipziger Straße, die nach einem Urahnen von ihm benannt ist. Aber warum verdeckte er einen Teil des Straßenschilds mit seiner Faust?
Wortmeldungen: Leipzig, Sachsen, der Osten
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Ist das so, liebe Leipziger Bäckereifans?
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Kleine (und grüne) Leipziger Architekturkritik.
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Wenn dafür Chemnitz automatisch das „kleine Berlin“ wird – kein Dingchen.
Zuletzt hat mich interessiert
Ich recherchiere gerade zu der Frage „Wie werden aus dreckigen Braunkohlegruben eigentlich idyllische Seen?“ und habe mir im Zuge dessen noch einmal eine Dokumentation angeguckt, die ich wirklich irre, unglaublich, faszinierend finde. Der DDR-Regisseur Kurt Tetzlaff ist Ende der Siebziger Jahre mit seiner Kamera in das Dorf Magedeborn im Leipziger Süden gegangen, das wegen der Kohle umgesiedelt und weggebaggert werden sollte. Tetzlaff hat draufgehalten – und eingefangen wie die Menschen aus Magdeborn realisieren, was ihnen passiert. Wie sie verzweifeln und Mut schöpfen. Und wie sie schließlich alles aufgeben müssen. Manchmal wirkt es so, als sei das alles ein ganz fein komponierter Spielfilm, aber nein, es ist alles echt. Glücklicherweise hat die DEFA-Stiftung den entstandenen Film mit dem Titel „Erinnerungen an eine Landschaft - für Manuela“ aufgehoben, restauriert und in top Qualität frei auf YouTube gestellt. Ganz, ganz große Empfehlung! Am 4. Juli 2022 ist Kurt Tetzlaff verstorben.
Auch das wirkt wie inszeniert: SPIEGEL TV hat junge Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ begleitet – auch in Leipzig. Inszeniert, weil alle so wahnsinnig gut ihre vorgesehenen Rollen erfüllen: die Polizei, die Aktivisten, die Autofahrer. Alle scheinen immer genau das zu sagen, was man ihnen auch in einer, sagen wir mal, trashigen Privatfernsehserie ins Drehbuch geschrieben hätte. Vielleicht gerade deshalb so sehenswert.
Unglaublich, aber leider wahr: Spotify hat eines meiner liebsten Spiele – das großartige, liebevoll gebastelte „Heardle“ (ein „Wordle“, nur eben mit Musik) – gekauft und sofort in Deutschland offline gestellt. Während ich noch überlege, ob ich deshalb mein Spotify-Abo kündigen sollte, hat mir eine Freundin schon einen würdigen Ersatz gezeigt: framed.wtf. Hier muss man keinen Song, aber dafür einen Film-Still erkennen. Damit beruhige ich mich jetzt erstmal.
Vielen Dank fürs Lesen und bis in zwei Wochen,
Dein Josa
Was ist Heiterblick?
Eigentlich ein Leipziger Stadtteil, da oben im Nordosten. Dieser Newsletter handelt nicht von dem Stadtteil, er ist ein Leipzig-Newsletter. Aber ich möchte den Namen des Stadtteils neu beleben, daher borge ich ihn mir. Natürlich nicht, ohne vorher einmal nach Heiterblick gefahren zu sein – und seinen idyllischen Müllberg erklommen z