Newsletter „Heiterblick“

Heiterblick #17: Ein Waldbrand, der die Stadt aufrütteln sollte

Guten Abend, Leipzig!

Zum ersten Mal erscheint dieser Newsletter einen Tag zu spät. Warum? Ich war im Wald. Aus dem ich aber auch ein erschreckendes Video mitgebracht – und eine Podcast-Episode aufgezeichnet habe.

In dem Video sieht man also Löschwasser, das im Boden anfängt zu kochen. Aber wie erschreckend ist das wirklich? Die größte Schwierigkeit der Klimakrise ist ja, dass man ihre Dringlichkeit oft nicht spürt. Auch im neuen Bericht des IPCC steht, abgewandelt, wieder dieser Satz: „Es ist ganz dringend, aber noch nicht zu spät – wenn wir nur in den nächsten drei Jahren…“ – und so weiter.

Viele dürften davon abgestumpft sein. Wenn es seit Jahren heißt, dass es kurz vor zwölf ist, hört die Mehrheit irgendwann nicht mehr hin.

Diesen Sommer ist das alles etwas anders. Über Hitze in der Stadt wird ganz klar als eine Folge des Klimawandels diskutiert. Genauso über die Waldbrände in Nordsachsen und der Sächsischen Schweiz.

Der brennende Wald sollte uns Leute aus der Stadt besonders Sorgen machen. Nicht, weil uns selbst damit die Naherholungsgebiete ausgehen. (Wobei das auch stimmt. Die Stadt Dresden hat heute einfach mal den Wald – also den gesamten Wald! – bis zum 30. September gesperrt.)

Die Waldbrände sind deshalb so interessant, weil sie zeigen, wie Menschen mit Klimafolgen umgehen. In Bad Schandau, wo ich war, sagen viele nämlich: Wir werden diese Brände in Zukunft gar nicht verhindern können. Dass jemand den Wald anzündet (die Behörden gehen inzwischen von Brandstiftung aus) könne schließlich jederzeit passieren. Und durch die Dürre, als Folge des Klimawandels, breiten sich die Feuer rasend schnell aus.

Der Fokus liegt im Waldbrandgebiet also gar nicht mehr auf Klimawandel-Bekämpfung. Sondern eher darauf, die Feuerwehr besser auszurüsten. Dafür zu sorgen, dass immer genug Löschwasser da ist. Den Wald so zu gestalten, durch Schneisen und Bepflanzung, dass sich Feuer gut bekämpfen lässt.

Kurz gesagt: Es wird intensiv gegen Klimawandelfolgen gekämpft. Das ist verständlich. Nur fragt man sich: Wer kämpft jetzt eigentlich noch gegen den Klimawandel an sich? Inzwischen hört man oft, dass den Klimawandel eben die großen Industrienationen bekämpfen müssen. Politische Leader, Gremien und Konzerne. Auf ihren Treffen und Konferenzen.

Früher war das einmal anders. Da hat man einen Jutebeutel herumgetragen, weil der signalisierte: Ich bin zur Öko-Wende bereit. Anhand der Jutebeuteldichte wurde dann Politik gemacht. Heute sagen viele: Wenn die Superreichen weiterhin mit Privatjets um die Welt fliegen, darf ich wohl noch mein Einwegplastik verwenden.

Und Verzicht? Den regelt schließlich das Gesetz. Beispielsweise beim Plastikstrohhalm.

Freiwilliger Verzicht ist damit out, Klimafolgen lindern ist in. Dazu passt, dass im ländlichen Osten quasi kaum Grün gewählt wird, dafür aber ordentlich AfD. Eine Partei also, in der viele den Klimawandel leugnen.

Hoffentlich ist das kein Anlass zur Häme – sondern eine Aufforderung zum Umdenken. Auch bei uns in der Stadt. Wer dem IPCC-Bericht glaubt (und das sollte man), der versteht: Zum Umkehren ist es noch nicht zu spät.

Wo trifft sich Leipzig gerade?

Der Westbahnhof in Plagwitz. Hier mit Draußen-Bestuhlung.

Der Westbahnhof in Plagwitz. Hier mit Draußen-Bestuhlung.

Es gibt für mich in Leipzig keinen schöneren Ort, um Fußballturniere zu verfolgen als den Westbahnhof. WM-, EM- und vereinzelt Champions-League-Spiele laufen dort nicht nur auf Leinwand, sondern werden auch noch live kommentiert: Ganz famos von den unvergleichlichen Matti und Uwe. Was als kleines Experiment im Neuen Schauspiel begann, hat jetzt eine richtige Fanbase. Die kam natürlich auch, um Spiele der Frauen-EM zu verfolgen. Am Sonntag dann noch einmal zum krönenden Abschluss.

Sonntag, 31. Juli, 18 Uhr. Finale der Frauen-Europameisterschaft, England vs. Deutschland im Westbahnhof, Engertstraße 38, 04229 Leipzig.

Fünf Empfehlungen aus LVZ+

Kitty ist Sexarbeitende im Leipziger Osten – und sieht den Job nicht nur als Einnahmequelle, sondern auch als Bildungsauftrag. Warum?

Im Prozess um linksextreme Gewalt in Dresden war am Donnerstag das mutmaßliche Ex-Mitglied einer militanten Gruppe geladen. Die Sicherheitsvorkehrungen vor Gericht sind hoch, die Aufregung auch – und dann packte der „Kronzeuge“ aus.

Am Cospudener See stehen Schilder, die einen neuen FKK-Bereich ausweisen. Warum ist das nötig, nachdem in der DDR das Nacktbaden erstritten wurde? Vor Ort mit dem Stadtrat Michael Schmidt, der für die Schilder gekämpft hat.

Zuletzt verlor die Stadt durch Wegzüge so viele Einwohner wie keine andere Gemeinde Sachsens: In Weißwasser in der Oberlausitz glauben die Menschen nicht wirklich daran, dass das umzukehren ist. Deprimiert sind sie trotzdem nicht.

In Leipziger Spätis bekommt man nach Mitternacht noch Bier oder Salzstangen – und das Gefühl, zu Hause zu sein. Aber wie lange noch? Ein nächtlicher Spaziergang durch eine bedrohte Szene.

Wortmeldungen: Leipzig, Sachsen, der Osten

Zuletzt hat mich interessiert

Bestimmt kennen einige schon DALL·E – das Programm, das aus einem beliebigen Text automatisch Bilder erstellt. Wer sich darunter nichts vorstellen kann, möge einmal „Leipzig at night“ eingeben. Wie es sich für eine künstliche Intelligenz gehört, kann DALL·E natürlich auch in die Zukunft gucken. Dafür einfach einmal „future Leipzig“ eingeben. Einige Miesepeter befürchten derweil, dass DALL·E künftig den Beruf der Illustratorin ersetzen wird. Ich glaubte bisher nicht daran – bis ich gesehen habe, was der noch nicht öffentlich nutzbare Nachfolger DALL·E 2 alles kann.

Ein Leipziger Teller Pasta Carbonara hat wütende Proteste ausgelöst. Naja, zumindest auf Twitter. Wer das ähnlich sieht wie der tobende Mob, dem gefällt vermutlich dieses Video besser, in dem drei Chefköche ihre liebsten Carbonara-Versionen vorstellen.

Ich möchte nicht zu viel Eigenwerbung hier machen. Aber gestern hat meine Kollegin Denise Peikert eine Podcast-Episode zum Fall Lina E. aufgenommen, die ich empfehlen möchte – insbesondere für alle, die den Fall bislang eher am Rande verfolgt haben. Es geht in der Episode insbesondere um den Kronzeugen, der bei den angeblichen Taten der sogenannten „Gruppe E.“ dabei war. Nun hat er gegenüber der Polizei offenbar ausführlich ausgesagt und befindet sich in einem Zeugenschutzprogramm.

Vielen Dank fürs Lesen und bis in zwei Wochen,

Dein Josa

Was ist Heiterblick?

Eigentlich ein Leipziger Stadtteil, da oben im Nordosten. Dieser Newsletter handelt nicht von dem Stadtteil, er ist ein Leipzig-Newsletter. Aber ich möchte den Namen des Stadtteils neu beleben, daher borge ich ihn mir. Natürlich nicht, ohne vorher einmal nach Heiterblick gefahren zu sein – und seinen idyllischen Müllberg erklommen zu haben.

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