Heiterblick #29: Eine Frage der Kommunikation
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© Quelle: RND
Guten Abend, Leipzig!
Kürzlich wollte ich vom Sächsischen Innenministerium etwas zum Thema Abschiebungen wissen. Es ging um eine konkrete Abschiebung. Aber ich stellte auch einige offener formulierte Fragen. Wie kann man es verhindern, abgeschoben zu werden? Wie lange dauert das? Wie machen Sie das?
Am Abend erreichte mich eine Mail: „Zusammenfassende Antwort: Ja.“ Danach folgte noch einmal meine Frage, leicht umformuliert. Und mit einem Punkt anstelle des Fragezeichens am Satzende.
Ich will mich überhaupt nicht darüber beschweren, dass Ämter nicht auskunftsfreudig gegenüber der Presse wären. Das würde so auch nicht stimmen. Es gibt Behörden, die geraten bei gewissen Themen richtig in Plauderlaune. Leider ist es sehr schwer vorherzusagen, bei welchen. Zum Thema Falschparker verlor ein Sprecher der Stadt Leipzig mir gegenüber kürzlich viele Worte. Mit seiner Arbeitskraft hätte die Stadt in der selben Zeit vermutlich jenes Dutzend Knöllchen verteilen können, das ihr Ordnungsamt zur Zeit nicht schafft.
Nein, es ist wichtig, dass Ämter uns Auskunft geben. Und genauso wichtig ist es, dass sie dabei eine gewisse Freiheit genießen. Manche Leute muss man gar vor sich selbst schützen. Ein Reudnitzer Kleingartenverein ist zwar keine Behörde (obwohl sie vieles gemeinsam haben), aber einmal textete mich dessen Vorsitzender eine halbe Stunde lang mit lauter pikanten Storys zu, bevor er ganz am Schluss fragte: Wie, wollen Sie jetzt darüber einen Artikel schreiben, oder was? Das ging dann natürlich nicht mehr, der Fairness halber.
Missverständnisse gehören dazu. So ist es ja auch, wenn wir mit unseren Freunden kommunizieren. Eine Freundin schrieb mir kürzlich, sie gehe am Donnerstag zu einem Paella-Essen im Leipziger Osten und dürfe noch jemanden mitbringen. Ich verstand das nicht als Einladung, dabei war es so gemeint. Die Freundin war ein bisschen angesäuert als ich ich später so tat, als hätte ich Donnerstag noch überhaupt nichts vor. Ein Glück darf ich jetzt trotzdem noch mit.
Manche Sprecher von Behörden machen es ähnlich. Sie lassen eine Information, die eigentlich geheim ist, ganz unauffällig fallen. Etwa in einem Telefonat. Oder zwischen den Zeilen einer Email. Die Information mag geheim sein, aber vielleicht ist es ihnen ganz recht, wenn sie öffentlich wird. Etwa, weil sie ihre Behörde ganz gut aussehen lässt. „Machen Sie damit was Sie wollen, aber von mir haben Sie das nicht“, lautet der unausgesprochene Beipackzettel solcher Infos.
Vielleicht meinte das meine Freundin ganz ähnlich. Wenn ich mich beim Paella-Essen daneben benehme, etwa weil mein trockener Januar vorbei ist, kann schließlich niemand behaupten, sie hätte mich offiziell eingeladen.
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Kann zum Gegenstand politischer Kommunikation werden: Eine Pfanne Paella.
© Quelle: Antonio Castellano/Unsplash
Wo trifft sich Leipzig gerade?
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© Quelle: LVZ
Jetzt wird es ein bisschen kompliziert, aber dranbleiben. Das hier ist der Condomat auf der Herrentoilette in Noel‘s Ballroom in der Südvorstadt. Man landet in diesem Raum (oder eben auf dem anderen Klo) früher oder später, wenn man zum dortigen Pub Quiz geht, das immer hervorragend besucht ist. Frühes Erscheinen empfohlen. Das englischsprachige Pub Quiz ist immer dienstags von 19:30 Uhr bis etwa 22:30 Uhr. Das deutschsprachige zur selben Zeit einen Tag später. Warum aber nun das Foto vom Klo? Zum einen, weil während des Quizzes strenges Handyverbot herrscht. Fotos unmöglich. Zum anderen, weil der Ballroom enorm verwinkelt ist und man gar kein ordentliches Foto hinbekommt. Fotos unmöglich. Drittens, aber, klebt an dem Automaten hier ein Sticker, der auf einen Podcast verweist, den wir in den letzten Monaten intensiv recherchiert, eingesprochen und produziert haben – und den ihr euch unbedingt anhören solltet.
Noels Ballroom Irish Pub & Ballroom, Kurt-Eisner-Straße 43
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Wortmeldungen: Leipzig, Sachsen, der Osten
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- „Diesmal saß die Frau mit zwei Promille am Steuer“ – Der letzte halbwegs fehlerfrei vorgetragene Satz eines bedauernswerten MDR-Nachrichtensprecher, der daraufhin in Lachen ausbricht, wiederentdeckt von der selbsternannten Optimismusbeauftragten Clara Nathusius.
Vielen Dank fürs Lesen und bis in zwei Wochen,
Dein Josa
Was ist Heiterblick?
Eigentlich ein Leipziger Stadtteil, da oben im Nordosten. Dieser Newsletter handelt nicht von dem Stadtteil, er ist ein Leipzig-Newsletter. Aber ich möchte den Namen des Stadtteils neu beleben, daher borge ich ihn mir. Natürlich nicht, ohne vorher einmal nach Heiterblick gefahren zu sein – und seinen idyllischen Müllberg erklommen zu haben.