Immer mehr Geflüchtete erreichen Leipzig – Freistaat sucht Immobilien für Unterkünfte
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/PJRYS73WI74ZFEBCND3JK6BW3Q.jpg)
Ankommende Geflüchtete am Mittwoch im Leipziger Hauptbahnhof.
© Quelle: Dirk Knofe
Leipzig. Während in der Ukraine weiter Städte in Schutt und Asche bombardiert werden, erreichen immer mehr Geflüchtete auch Leipzig. Die Chatgruppen der Initiative „Leipzig helps Ukraine“ stehen nicht mehr still, im Minutentakt melden sich darin nun Ankommende: „Hallo, wir sind eine vierköpfige Familie, hat jemand eine Unterkunft in Leipzig?“ oder „Mama mit zwei Zwillingen (12 Jahre), wir freuen uns über jede Hilfe“ oder „Drei Frauen mit zwei Kindern (13 und 3 Jahre) suchen einen Platz für zwei oder drei Wochen“. Die Liste ließe sich fast endlos verlängern.
Am Hauptbahnhof arbeiten inzwischen Teams, um die Menschen in Empfang zu nehmen. 20 Leute sind dabei, sagt Borys Parasochka,Initiator von "Leipzig helps Ukraine". In der Gruppe seien inzwischen mehrere Hundert Helfende aktiv – trotzdem kommen viele kaum zum Schlafen. Er selbst stammt aus Sumy, aus einer der ukrainischen Städte, die nun besonders im Feuer der russischen Artillerie stehen. Die Lage in Leipzig sei sehr dynamisch, sagt er. "Man könnte auch sagen, es eskaliert gerade. Berlin ist fast voll, dort werden die ankommenden Geflüchteten weitergeschickt – ohne dass es bereits eine koordinierte Verteilung gibt. Viele Ankommende schauen einfach nach der nächsten Großstadt und die ist Leipzig", so der 30-Jährige.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/RNVNMF5QDX5H4ZHLE3C2FMJ6YM.jpg)
Die Geflüchteten aus der Ukraine werden auf dem Hauptbahnhof von Helfenden empfangen und in einem Zelt erstversorgt.
© Quelle: Dirk Knofe
Leipziger Erstaufnahme ausgelastet – Landesdirektion ändert Plan
Wer vor der Ankunft am Leipziger Hauptbahnhof selbst noch keine Unterkunft organisieren konnte, wird mit Bussen in die Erstaufnahme nach Mockau gefahren. Das Problem: Die beiden Komplexe dort sind inzwischen nahezu voll. "Mit Stand heute haben wir in Mockau III noch 13 Plätze frei. Mockau II ist komplett gefüllt", sagt Holm Felber von der zuständigen Landesdirektion Sachsen (LDS). Beide Einrichtungen fassen zusammen 1300 Plätze. Künftig sollen weitere entstehen – aber das wird dauern. "Die Errichtung von Mockau I ist ein Plan, aber nichts, was so schnell Realität werden kann", erklärt Felber. Die Zelte müssten aufgebaut, mit Heizungen und allen anderem ausgestattet werden. Kurzfristig wird die Kapazität der Erstaufnahmen in Leipzig nicht mehr steigen.
„Die Landesdirektion hat ihren Plan deshalb dahingehend geändert, dass nicht mehr nur in Leipzig ukrainische Geflüchtete untergebracht werden, sondern auch in den anderen Einrichtungen des Freistaates“, so der LDS-Sprecher. Gemeint sind die in Dresden und Chemnitz. Noch vor wenigen Tagen hoffte die Behörde, alle Ankommenden in Leipzig konzentrieren zu können. Damals waren 550 Plätze vorgesehen. Auch in anderen Verwaltungen überwog noch vor kurzem die Unsicherheit, wie viele denn überhaupt kommen würden. Nun sind bereits Tausende da und brauchen dringend Hilfe, Tendenz steigend. Am Mittwoch gab es in allen sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen zusammen nur noch 800 freie Plätze.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/3GFGUONEVD4GJCEK2ZUBEJUAAI.jpg)
Ukrainische Geflüchtete in der Leipziger Erstaufnahmeeinrichtung. Pressetermin
© Quelle: André Kempner
Suche nach weiteren geeigneten Immobilien läuft
Wie geht es weiter, wenn auch diese voll sind? Im Sommer 2015, als in Syrien Städte bombardiert wurden, kamen genau wie jetzt Geflüchtete in Leipzig an – darunter viele Frauen und Kinder. Damals wurden fast über Nacht auch andere Immobilien des Freistaates umfunktioniert. Ähnliches ist jetzt wieder geplant: „Parallel wird seit längerem zusammen mit dem Finanzministerium und dem Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement nach weiteren Unterkünften gesucht. Abgesehen von Hotels, die auch dazu gehören, ist in vielen Fällen aber auch noch eine Vorbereitung notwendig“, so Felber. Um welche Objekte es konkret gehe, ließ er offen.
Borys Parasochka ist sich sicher: „Kurzfristig braucht es Hallen oder Gebäude mit sehr viel Platz.“ Mittelfristig seien dann viele Wohnungen notwendig, auch von Bauträgern, damit die Geflüchteten ein Zuhause finden können. „Leipzig helps Ukraine“ arbeite eng mit der Stadtverwaltung und dem Land zusammen, sagt er. „Trotzdem gibt es natürlich immer wieder Probleme in der Abstimmung. Wer ist wo zuständig? Mein Gefühl ist: Die Situation ist noch nicht bei jedem so angekommen, wie sie sich am Hauptbahnhof zeigt“, so Parasochka.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/QSKYEJO4XPFXNABY36LQO5MTYU.jpg)
Lange Schlangen vor dem Willkommenszentrum der Stadt Leipzig.
© Quelle: Klaus Staeubert
Kommunikationsprobleme in den Erstaufnahmen
Vom mühsamen Mahlen der Bürokratie in der Krise berichtet auch der frühere Bundestagsabgeordnete Thomas Feist (CDU). „Ein großes Problem ist aktuell, dass die Menschen aus der Ukraine kein Guthaben auf ihren Handys haben, es aber kein WLAN in der Erstaufnahme gibt.“ Die Ankommenden könnten deshalb weder mit ihren Verwandten kommunizieren, noch Helfende kontaktieren, die Platz anbieten. „Es gab das Angebot einer Mobilfunkfirma, die Prepaid-Karten an die Menschen ausgeben wollte. Die Einrichtungsleitung sagte allerdings, man müsse dies erst mit ganz oben abstimmen. Seitdem habe ich nichts mehr gehört“, so Feist.
Laut seiner Erfahrung erreiche die „riesengroße Hilfsbereitschaft“ in Leipzig die Ankommenden in dem Moment nicht mehr, wenn sie in der Erstaufnahme sind. „Das sorgt für Frustration auf beiden Seiten“, mahnt Feist. Zudem beklagt der Politiker, dass in Sachsen bisher für Hilfsbereite kein offizieller Mechanismus erkennbar sei, „wie man das Hilfsangebot an diejenigen bringt, die es brauchen.“
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/NK3OSR4NZIAR3DZ4M7LJQDQCT4.jpg)
Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Thomas Feist (CDU) kritisiert die bürokratischen Hürden.
© Quelle: Christian Modla
Laut Landesdirektion werde am Problem mit dem fehlenden Internet in den Leipziger Erstaufnahmen gearbeitet. „In Mockau III ist im Freien jetzt WLAN verfügbar. Mockau II ist gerade erst am Wochenende in Betrieb gegangen, dort war es erstmal wichtiger, den Ankommenden ein Dach und ein Bett bieten zu können“, so Sprecher Holm Felber. Die Betreiber arbeiteten allerdings nun auch dort an einer Lösung für die Mobilfunkprobleme.
Mehr zur Hilfe in Leipzig im Newsblog.
Informationen für Ankommende: www.leipzig.de/ukraine-hilfe
Crowdfunding der Stadt Leipzig für alle Hilfsprojekte: www.leipziger-crowd.de/ukraine-hilfe
Von Matthias Puppe
LVZ