Leipziger Kita streicht Schweinefleisch vom Speiseplan – und wird bedroht
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Hat nach Berichten über veränderte Speisepläne Drohungen erhalten: die Rolando-Toro-Kita in der Lößniger Straße 10.
© Quelle: André Kempner
Leipzig. Nach der Änderung der Speisepläne in zwei Leipziger Kitas hat sich die Polizei eingeschaltet. Der Konfuzius- und der Rolando-Toro-Kindergarten in der Lößniger Straße hatten Schweinefleisch von ihren Speiseplänen gestrichen – und sind danach bedroht worden. Schnitzel und Bratwurst gehören dort jetzt der Vergangenheit an.
„Aus Respekt gegenüber einer sich verändernden Welt werden ab dem 15. Juli nur noch Essen und Vesper bestellt und ausgegeben, die schweinefleischfrei sind“, heißt es in einem Schreiben an die Eltern, aus dem die Bild-Zeitung zitiert.
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Dort wird auch darauf hingewiesen, dass es zu Feiern und Geburtstagen keine Süßigkeiten und andere Nahrungsmittel mehr gibt, die Schweinefleischbestandteile enthalten – etwa Gelatine in Gummibärchen.
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Schweinefleisch wurde vom Speiseplan gestrichen: Die Konfuzius-Kita in der Lößniger Straße 8.
© Quelle: André Kempner
Rücksicht auf muslimische Kinder
„Auch wenn es nur eine Familie wäre, die das Seelenheil ihres Kindes aus religiösen Gründen durch unreines Schweinefleisch beeinträchtigt sieht, setze ich diese Neuerung jetzt durch“, erklärte Wolfgang Schäfer vom Träger der beiden Einrichtungen, der Gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung berufstätiger und alleinerziehender Eltern mbH, gegenüber Bild. Hintergrund der Entscheidung sei die Rücksichtnahme auf zwei muslimische Mädchen, die die Kindertagesstätten besuchen.
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Blick auf den aktuellen Speiseplan des Rolando-Toro-Kindergartens in der Lößniger Straße. Hier gibt es kein Schweinefleisch mehr; das Ganze weicht sonst aber nicht erheblich von üblichen Essensangeboten in anderen Kitas ab.
© Quelle: LVZ
Das Thema führte umgehend zu teils heftigen Debatten in den sozialen Netzwerken. Aber es ging noch weiter: „Wir bekommen Drohungen“, erklärte ein Mitarbeiter des Rolando-Toro-Kindergartens am Dienstagvormittag gegenüber der LVZ. Weiter wolle er sich nicht äußern. In der Einrichtung stünden die Telefone nicht mehr still. Geschäftsführer Wolfgang Schäfer war zunächst nicht vor Ort in den beiden Einrichtungen und auch nicht telefonisch zu erreichen, die Internet-Seite des Konfuzius-Kindergartens ist derzeit offline.
Um mögliche Gefahren abzuwehren, stehe ein Polizeiauto vor den beiden benachbarten Einrichtungen, sagte ein Behördensprecher am Dienstag. Die beamten stehen nach eigenen Angaben in Kontakt mit der Leitung der Kindertagesstätte und des benachbarten Kindergartens.
Städtische Einrichtungen ändern Speisepläne nicht
Für die Essensversorgung in den Kindereinrichtungen der Stadt Leipzig gebe es keine ähnlichen Überlegungen, wie Martina Menge-Buhk vom Referat Kommunikation mitteilt. „Die Stadt Leipzig hält sich an die Empfehlung der deutschen Gesellschaft für Ernährung. Die Eltern können aus verschiedenen Gerichten wählen.“
In den evangelischen Kindertagesstätten in Leipzig wird Schweinefleisch nicht grundsätzlich vom Speiseplan gestrichen. Das sei nicht nötig, da die Essensanbieter immer mehrere Gerichte zur Auswahl hätten, sagt die Kita-Fachbereichsleiterin der Diakonie Leipzig, Christiane Michalski. Wer aus religiösen Gründen auf Schweinefleisch verzichte, bekomme ebenso wie Allergiker oder Vegetarier einen Extra-Speiseplan für das Mittagessen in der Kita.
„Die Anbieter achten auch darauf, dass das Essen ähnlich aussieht, damit sich niemand ausgeschlossen fühlt“, sagte Michalski. Meistens gebe es eigene Speisepläne wegen Lebensmittelunverträglichkeiten. Die Diakonie betreut in ihren elf Leipziger Kindertagesstätten rund 900 Mädchen und Jungen.
„Eltern müssen einbezogen werden“
Petra Elias vom Leipziger Stadtelternrat ist zwar Sprecherin der Elternschaft an Schulen. Eine Position zum Thema hat sie trotzdem. „Man kann das machen – aber ob es so gut ist?“ Eine richtig gute Suppe lasse sich eben nicht mit einem Fonds komplett ohne Schweinefleisch machen; Spinat bekomme ohne Schweinespeck auch keinen ordentlichen Geschmack, schildert sie ihre Sicht.
Wichtig sei, dass die Eltern in solche Entscheidungen einbezogen werden, erklärt Elias. Bei freien Trägern, für die es auch keine Pflicht zur Installation von Elternbeiräten gebe, sei das nicht immer der Fall. Zumindest eine Elternvertretung gibt es allerdings im Rolando-Toro-Kindergarten, wie Aushängen in der Einrichtung zu entnehmen ist.
Juliane Nagel: Islamfeindlicher Zug in aufgeblähter Debatte
„Der Schritt des Konfuzius- und des Rolando-Toro-Kindergartens ist ein guter“, meint Juliane Nagel, kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Linken im Stadtrat. „Die Kita-Leitungen sind diesen nicht aus Spaß, Sensationslust oder Schikane gegenüber nicht-muslimischen Kindern gegangen, sondern beweisen im Gegenteil interkulturelle Sensibilität.“
Die Kinder verschiedener Herkunft oder verschiedenen Glaubens sollten nicht separiert, sondern gemeinsam essen. „Die Aufregung würde wohl nicht so groß sein, wenn aus christlicher Tradition heraus am Karfreitag kein Fleisch gereicht würde“, so Nagel. „Insofern ist in dieser aufgeblähten Debatte ein klar islamfeindlicher Zug zu erkennen.“
Das Weglassen von Schweinefleisch tue niemandem weh, sondern könne nebenbei auch ein Beitrag zur gesunden Ernährung sein. „Wichtig ist, da geht auch die Linksfraktion mit, dass die Eltern in diese Entscheidung einbezogen werden.“
Die CDU Sachsen sprach von einem „Verbot von Schweinefleisch“ und bezeichnete dieses als inakzeptabel. Generalsekretär Alexander Dierks: „Selbstverständlich soll & kann niemand gegen seinen Willen gezwungen werden, etwas Bestimmtes zu essen. Aber ein Verbot ist der falsche Weg.“
Von bm/epd
LVZ