LVZ-Kolumne „Leipziger Stimmen“

Leila Helau! Greetzsch Oho! Carolin Masur und der Fasching

Opernsängerin und Moderatorin Carolin Masur an ihrem Lieblingsort in Leipzig, der Moritzbastei.

Opernsängerin und Moderatorin Carolin Masur an ihrem Lieblingsort in Leipzig, der Moritzbastei.

Leipzig. Dichte, graue Wolkendecke, Schneeregen. Der Januar fühlte sich in diesem Jahr länger an. Und wenn mich das Patenkind aus dem Landkreis Leipzig nicht an seinen Tanzgarden-Auftritt beim Kinderfasching erinnert hätte, wäre sie glatt an mir vorbeigegangen – wie sagt man so schön: DIE Jahreszeit. Die fünfte, der Fasching, der Karneval, die Fastnacht. Oder wie der Rheinländer jetzt einwerfen würde: d’r Fastelovend, der Fasteleer.

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Ja, im Rheinland gibt es nur die eine Frage in der Phase des Übergangs vom tiefen Grau zum zarten Hell: „Bisse ’ne Jeck oder bisse kinne Jeck?“

Eine Sonntagsausflug nach Groitzsch

Ich bin eher Letzteres. Ich bin in Berlin geboren, das entschuldigt so manches. Mein letzter Faschingsauftritt war der als Sterntaler im Kindergarten. Wenn ich in Köln wohnen würde, würde ich an den närrischen Tagen die Flucht ergreifen – da ich nicht wirklich gern von jedermann oder jederfrau gebützt – zu Normaldeutsch: geknutscht – werden möchte. Und nach der zweijährigen Corona-Zwangspause werden die Umarmungen in diesem Jahr sicher noch heftiger ausfallen. Zudem würden Leute wie ich im jecken Kölle zwangsläufig mitgeschleift. Gnadenlos am Schlips oder an anderem Gebammel gepackt – und mittenrein ins Getümmel gezerrt.

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In unserer Gegend findet sich derlei Getümmel eher zufällig. Wie bei der Sonntagsausfahrt vor einigen Jahren. Winterliche Ruhe, Raureif auf den Feldern. Südlich von Leipzig prangten großflächige Plakate an der Hauptstraße. „Weiberfasching in Pegau“, „Großer Karnevalsumzug in Groitzsch“. Wann heute? Mal schauen!

Zur Person

Carolin Masur, geboren 1966 in Berlin, ist die Tochter des Dirigenten Kurt Masur. Nach dem Umzug der Familie nach Leipzig sang sie unter anderem im Gewandhaus-Kinderchor. Später studierte sie an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin und ist aktuell als Opernsängerin und Moderatorin tätig. Carolin Masur lebt in Leipzig.

In der ansonsten ruhigen Kleinstadt mit dem markanten Wasserturm war kein Durchkommen. Ein ganzer Ort voll guter Laune und sprudelnder Begeisterung. Bunt und ansteckend. Wir mit Pfannkuchen und Glühwein vor zur Hauptbühne am Markt. Überall Karnevalsvereine, Tanzgarden, Musikkapellen, Themenwagen. Greetzsch Oho!

Das Patenkind muss damals beim erfolgreichen Kamelle-Sammeln Blut geleckt haben. Mittlerweile ist es in der Jugend-Tanzgarde des Karnevals Clubs Kitzen – der, wie viele andere Vereine auch, schon an diesem Wochenende zu ersten großen Faschingsveranstaltungen einlädt.

Ein Weltrekord im Freiluft-Gardetanz

Und auch in Leipzig lässt die Narren-Bewegung in diesen Tagen die Puppen tanzen: Connewitz, Grünau, Portitz, dazu Markranstädt und Markkleeberg. Und so weiter. Die Stadt, das Umland, ja ganz Sachsen: Alles Weltrekordhalter! Mit über 1000 Tänzerinnen und Tänzern aus 85 Vereinen wurde 2022 auf dem Theaterplatz in Dresden ein Weltrekord im Freiluft-Gardetanz aufgestellt. Der Verband Sächsischer Carneval e.V. bekam es amtlich quittiert vom Rekord-Institut für Deutschland.

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Den Winter austreiben? Als Närrin oder Narr in Verkleidung das, was man immer schon mal sagen wollte, endlich aussprechen? Gemeinschaft leben und feiern? Oder was macht die Faszination Karneval aus? Das lässt sich mindestens bis Aschermittwoch in den kommenden Wochen endlich wieder herausfinden. Und zwar wieder analog – bei heiteren Partys, festlichen Umzügen, spontanen Begegnungen.

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Zuletzt kam selbst der Fasching nur digital daher. Das Förderkomitee Leipziger Karneval lässt auf YouTube mit einem Video vom „diggidalen Rousnsonndaach“ 2022 in Leipzig aufhorchen. Löwin Leila wird im Bollerwagen im Zeitraffer durch die Innenstadt gezogen. In einem Fahrstuhl versammelt sich ein kleines Jecken-Grüppchen und lässt eine Handvoll Konfetti schneien. Das war die Miniversion des Leipziger Umzugs als Trost für den Pandemie-Frust.

Jetzt aber 2023! Alles ist geplant, gebaut, geprobt für den Großen Rosensonntagsumzug am 19. Februar in der Innenstadt. Doch die Kosten explodieren! Das Förderkomitee ruft deshalb in einer Crowdfunding-Aktion zu Spenden auf. Auch kleinere Beträge sind erwünscht und nötig. Für 300 Euro lässt sich gleich eine ganze Tanzgruppe buchen. Und darüber hinaus müssen ja noch die närrischen Spuren auf der Route durch die City beseitigt werden. Aber bitte besenrein!

Ein Grimmiger mit Besen

Bei meinem Besuch in Groitzsch vor einigen Jahren erinnere ich mich an einen Eigenheimbesitzer, der mit grimmigem Gesicht und Gartenbesen bewaffnet in seinem Vorgarten abwartete, bis er nach der Durchfahrt des letzten Themenwagens endlich losfegen konnte. „Jedes Jahr dasselbe“, fluchte er, während er den Gehweg vor seinem Haus und die angrenzende Straße vom lästigen Konfetti zu befreien versuchte.

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Ich musste lachen – fetzige Musik und viel Spaß waren wohl nicht so seins. Hauptsache, der Bürgersteig ist wieder sauber und ordentlich. Zuletzt hatte der Mann ja zwei Jahre Ruhe vorm Haus. Das nächste Mal frage ich ihn: „Bisse ’ne Jeck oder bisse ’ne stieve Drickes?“

Das übersetzen wir jetzt mal lieber nicht.

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