SpinLab-Chef Eric Weber und die Sinn-Frage im Berufsleben
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Eric Weber, CEO des SpinLab, auf dem Dach der Spinnerei in Leipzig-Plagwitz.
© Quelle: Nora Börding
Leipzig. Das neue Jahr ist noch relativ frisch und viele der guten Vorsätze für 2023 sind vermutlich schon längst ad acta gelegt. Vielleicht ja dann im nächsten Jahr. Oder im übernächsten. Doch warum geht das eigentlich vielen Menschen so? Das Problem ist, dass viele in ihren Vorhaben insgeheim gar keinen richtigen Sinn sehen. Und wenn das so ist, ist die Motivation zur Veränderung doch sehr gering – und es geht weiter wie gewohnt.
Es sind Sinn und Zweck, die uns antreiben und zu Veränderungen motivieren. Das gilt im Privatleben wie auch im Geschäftsleben. In der modernen Management-Lehre und auch im Leipziger Führungsmodell, das an der HHL Leipzig Graduate School of Management entwickelt wurde, steht der Zweck eines Unternehmens im Zentrum. Warum gibt es dieses Unternehmen überhaupt? Und warum sollte jemand dort einkaufen, es finanzieren oder für genau dieses Unternehmen arbeiten?
Jüngere Generationen wollen sich positiv voranbringen
Für Gründer und Mitarbeiter steht der Sinn an erster Stelle. Warum sollte ich einen großen Teil meiner Zeit und meiner Fähigkeiten für eine bestimmte Firma einsetzen? Gerade in Zeiten niedriger Arbeitslosigkeit und des Fachkräftemangels können es sich insbesondere gut ausgebildete Menschen quasi aussuchen, wo und für wen sie arbeiten. Sie suchen daher immer mehr den Sinn in ihrer Arbeit.
Gerade für die jüngeren Generationen ist das Erwirtschaften von Einkommen beziehungsweise Gehalt nicht mehr der übergeordnete Sinn von Arbeit. Sie wollen vielmehr sich und ihre Umwelt positiv voranbringen. Moderne Arbeit, im Fachjargon oft als New Work bezeichnet, ist eben nicht nur agil, oft ortsunabhängig und flexibel, sondern auch sinnstiftend. Und genau diese Sinnsuche ist es, die viele Menschen antreibt. Weshalb sich nicht wenige für die Selbstständigkeit entscheiden.
Zur Person
Eric Weber, 1987 geboren in Riesa, verhilft Leipzig seit einigen Jahren zu einem Namen in der jungen Gründerszene: In seinem SpinLab, einer Art Labor auf dem Spinnereigelände, hilft er seit 2014 kleinen Unternehmen dabei, ihre Ideen weiterzuentwickeln.
Dabei stoßen Gründer doch oft auf Widerstände – nicht zuletzt in ihrem privaten Umfeld. Denn auch heute noch ist die Stimmung breiter Bevölkerungsschichten in Deutschland gegenüber Gründern skeptisch. Erzählen Sie doch mal Ihren Eltern oder Partnern von Ihrer neuesten Geschäftsidee! Nur selten werden Sie hören, dass das aber eine tolle Idee ist; dass es mutig ist, das sichere Gehalt des bisherigen Anstellungsverhältnisses aufzugeben und im Gegenzug erst einmal das mühsam Ersparte risikoreich zu investieren. Kaum jemand wird Sie dafür loben, dass Sie nun ständig auf sich allein gestellt sind; dass Sie im wahrsten Sinne des Wortes selbstständig sind.
Und auch das gehört zur deutschen Wirklichkeit: Wenn Ihre Idee funktioniert, dürfen Sie sich Jahre später wahlweise anhören, entweder tierisches Glück gehabt oder Ihre Mitarbeiter gnadenlos ausgebeutet zu haben.
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Die Skepsis gegenüber Unternehmern ist in der Bundesrepublik Studien zufolge ausgeprägter als in anderen Ländern. Also warum dann ein Unternehmen gründen? Der große Vorteil ist, dass Sie damit den Zweck eines Unternehmens festlegen und die Firma dementsprechend so aufbauen, dass das Wagnis für Sie Sinn macht. Eben diese Sinnstiftung, diese Selbstverwirklichung ist für die meisten Unternehmer Antrieb; nur sehr selten ist es die Aussicht auf ein besonders hohes Einkommen.
Apropos Sinn machen: Bei einer Tätigkeit Sinn zu erzeugen, kommt eigentlich vom Englischen „to make sense“ und hat sich in Deutschland eher umgangssprachlich eingebürgert. In der deutschen Sprache würde man sich eher einem „Sinn ergeben“ – was Passivität impliziert, so als würde eine andere oder ein anderer den Sinn vorgeben.
Englischsprachige Länder erscheinen oft unternehmerischer
Schon in der Sprache scheint also verankert, warum uns englischsprachige Länder wie die USA oder auch Großbritannien und Israel oft unternehmerischer erscheinen. Und genau das ist der Unterschied, denn Unternehmer schaffen etwas Neues, worin sie sich selbst entfalten und verwirklichen können – und definieren darin einen Sinn für sich selbst. Unternehmer ignorieren dabei, dass ihre Umgebung es häufig unsinnig findet, Risiken einzugehen oder temporär auf etwas zu verzichten. Denn was für eine Person Sinn macht, erscheint anderen möglicherweise als völliger Unsinn.
Das gilt es wohl zu akzeptieren. Und doch bleibt zu hoffen, dass sich auch in Zukunft genug Menschen finden, die aus der Sicht anderer Unsinn machen und sich für den Weg der Selbstständigkeit entscheiden. Natürlich werden nicht alle (erfolg-)reich und es warten viele Steine auf diesem Weg. Und dennoch kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass für mich kaum eine Entscheidung im Leben mehr Sinn gemacht hat, als mein eigenes Unternehmen zu gründen.
LVZ