Sie war die Mutter der „Kompanie“ – im Konsument-Warenhaus genauso wie in ihrer Vier-Generationen-Familie. Jetzt ist die Leipzigerin Gisela Reiprich gestorben. Ein Nachruf, der an Menschen aus unserer Mitte erinnern soll, die von uns gingen. Wie die 85-Jährige.
Leipzig. Es ist nur einer von insgesamt 31.204 Tagen, die ihr Leben zählt. Aber diesen Tag vergisst Gisela in all den 85 Lebensjahren nicht: den 5. April 1945. Sie kommt mit ihrem Vater die Straße entlang, wenige Wochen vor Ende des Zweiten Weltkrieges. Dann geht es rasend schnell. Aus einem Hinterhalt kommt eine Gruppe Nationalsozialisten, prügelt ohne Grund auf den Vater ein. Wenige Sekunden, so viel Hass und bis zum Schluss keine Antwort auf das Warum.
Eine Episode aus einer dunklen Zeit. Der Vater, Erich Gerhardt, stirbt an den Folgen dieses Martyriums. Dann der nächste Schicksalsschlag: Mutter Martha erkrankt an Tuberkulose, eine schwere Lungenkrankheit. Und Gisela? Sie wird vom behüteten Kind zur Behüterin der Familie. Sie steht früh um vier Uhr auf, um den Haushalt zu machen, geht anschließend in die Schule, versorgt die kranke Mutter und den älteren Bruder Günter. Sie läuft mit dem Handwagen von Gohlis bis nach Wiederitzsch zum Kartoffelstoppeln.