Diskussion in Leipzig

Recht und Rechtsempfinden: Professorin startet neue Reihe

Im Alten Senatssaal der Universität Leipzig: (von rechts): Uni-Kanzlerin Birgit Dräger, Elisa Hoven, Jens Gnisa und Martin Machowecz.

Im Alten Senatssaal der Universität Leipzig: (von rechts): Uni-Kanzlerin Birgit Dräger, Elisa Hoven, Jens Gnisa und Martin Machowecz.

Leipzig. Lasche Richter, lange Verfahrensdauer, fehlendes Vertrauen zur Justiz: Darum ging es bei der Premiere der „Leipziger Rechtspolitischen Gespräche“ am Mittwochabend. Ins Leben gerufen von Elisa Hoven. Und (nicht nur) die 36-Jährige war überrascht vom Zuschauer-Ansturm im Alten Senatssaal der Universität.

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Erst im Oktober hatte Hoven eine Professur an der Uni Leipzig für Strafrecht, Strafprozessrecht und Medienstrafrecht übernommen. Ihre neue Veranstaltungsreihe soll sich aktuellen rechtspolitischen Fragen widmen.

Den Auftakt zum Thema „Recht und Rechtsempfinden“ bezeichnete Uni-Kanzlerin Birgit Dräger allein schon wegen des großen Interesses als „fulminant“. Gesetze seien häufig kompliziert, manchmal würde die Öffentlichkeit diese nicht verstehen, „und manchmal sogar Gerichte nicht“, meinte Professorin Dräger. Die Uni sehe es als ihre Aufgabe an, die Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit auch nahezubringen.

„Fulminanter Auftakt“

Am „fulminanten Auftakt“ änderte auch nichts, dass einer der beiden angekündigten Gastredner, ein Rechtswissenschaftler von der Uni Bonn, kurzfristig absagen musste.

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Jens Gnisa, Vorsitzender des Deutschen Richterbundes, lieferte auch so jede Menge „Zündstoff“ für eine Diskussion. Allein schon den Titel seines Buches „Das Ende der Gerechtigkeit. Ein Richter schlägt Alarm“ (2017) empfand ein Zuhörer als „populistisch“. Dieser Vorwurf käme ihm zu schnell, wies der 55-Jährige, der zudem Direktor des Amtsgerichtes Bielefeld ist, zurück. Er wolle vielmehr „den Bürger abholen“, auch „mal Dampf ablassen“, sehe sein Buch als ein Debattenbuch an.

Denn zu denken geben müssten unter anderem folgende Umfrage-Ergebnisse: So gehen 58 Prozent der Bürger davon aus, dass nicht derjenige den Prozess gewinnt, der im Recht ist, sondern derjenige, der Glück mit dem Richter hatte. Und 66 Prozent gehen davon aus, dass derjenige gewinnt, der den besseren Anwalt hat.

Auf die Vorwürfe „lasche Richter“ und „Rufe nach schärferen Gesetzen“, angesprochen von Moderator Martin Machowecz, entgegnete Gnisa, dass sich das Verhältnis von Haft- und milderen Geldstrafen in den zurückliegenden Jahren gar nicht verändert habe. „Ich halte unsere Strafen für angemessen und erfolgreich“, wobei man über Einzelfälle immer streiten könne.

„Ein Urteil ist ein Maßanzug“

Umstritten auch: die Strafzumessung. Im LVZ-Interview hatte Professorin Hoven eine Änderung dieses Systems gefordert. Denn empirische Untersuchungen zeigten, dass es für die gleiche Tat in Augsburg oder Berlin ein ganz anderes Urteil geben könne als in Leipzig. Gnisa wiederum hält von der Einführung eines etwaigen mathematischen Koordinatensystems zur Ermittlung einer Strafe wie in den USA nichts. Jeder Mensch sei anders, müsse in all seinen Facetten betrachtet werden. „Ein Urteil ist ein Maßanzug, kein Anzug von der Stange.“

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Ganz entscheidend für die Akzeptanz der Justiz wiederum hielt ein Zuhörer, der sich als „Nichtjurist“ vorstellte, die Verfahrensdauer. Drei, vier Jahre seien verheerend. Für eine Verkürzung aber ist dringend mehr Personal nötig. Es war der Deutsche Richterbund, der 2000 neue Stellen für Richter und Staatsanwälte forderte. Deren Schaffung vereinbarten Union und SPD im „Pakt für den Rechtsstaat“. Aktuell aber umstritten: die Finanzierung.

Von Sabine Kreuz

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