Am 30. Juli 2000

Rock-Ikone begeisterte Leipzig: So war Tina Turners letzter Auftritt auf der Festwiese

Rock-Ikone Tina Turner brachte am 30. Juli 2000 die Festwiese in Leipzig zum Beben.

Rock-Ikone Tina Turner brachte am 30. Juli 2000 die Festwiese in Leipzig zum Beben.

Leipzig. Die Bühne ist ein Kaufhaus. Im Stil eines Konsumtempels preisen weithin sichtbare Lettern vom Dach das Marken-Produkt, das an diesem Abend in Leipzig verkauft wird. T I N A - zu haben nur noch für diese eine Nacht und dann nimmermehr. Denn Tina Turners Visite auf der Festwiese ist nach eigener Behauptung der finale Bühnen-Gang. Schluss mit live. Oder? Immerhin handelt es sich anno 2000 um die vierte Abschiedstournee der ewig Wilden.

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Von Ausverkauf jedenfalls keine Spur. Bei Tina ist sowieso alles anders: Nach musikalischer und privater Trennung von Ike Turner gelang ihr 1983 der Neubeginn - in einem Alter, das andere Stars zum Ausstoß von Best-of-Alben nötigt, weil die Gegenwart ihrem neu Komponierten keine Chance gibt. Die Dame war damals 43. Zwölf Jahre jünger also als heute John Fogerty, der im Vorprogramm einen großartigen Kurzabriss seiner Rocker-Karriere gab. „Who’ll Stop The Rain“, „Bad Moon Rising“ oder „Green River“ - 30-jährige Hits, die der sichtlich spielfreudige Ex-Leader der US-Band „Creedence Clearwater Revival“ locker aktuell hält. Leider bleibt ihm auch nichts anderes übrig.

In der LVZ vom 1. August 2000 auf Seite13: Der Bericht zu Tina Turners Konzert auf der Festwiese.

In der LVZ vom 1. August 2000 auf Seite13: Der Bericht zu Tina Turners Konzert auf der Festwiese.

Mit „Proud Mary“ schlägt Fogerty die Brücke zu Tina Turner, die den CCR-Klassiker ebenfalls im Repertoire hat. “Absolutely Nothing’s Changed“ röhrt sie in die Dämmerung und meint das wörtlich. Denn auch mit 60 ist Mrs. Turner ganz die Alte. Keine, die in neurotischer Berufsjugendlichkeit ständig den Jungbrunnen anzapft, sondern eine authentisch Nicht-Gealterte. Während Jahrgangs-Gleiche für den Stundenblick aus dem Fenster lethargisch das Kopfkissen unter die Arme schieben, verschleudert sie scheinbar nie versiegender Kraft, Charme, Temperament und Erotik.

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Tina Turner rockt auf der Festwiese in Leipzig: 50 000 Fans dabei

Kaum steht Turner auf der Bühne, deren Stahlkonstruktion wie die Ausgabe eines entkernten Mississippi-Dampfers in die Höhe ragt, zieht sie die 50 000 Fans in ihren Bann. Keine Ecke der 80 Meter breiten Fläche bleibt unbeschritten, Tina schmatzt Küsse in die Menge und wirft ihre eigenartige Tanz-Motorik an: „Ich-hab’-Sand-im-Schuh“-Schüttelschritte, Wedeln mit der dicken Mopp-Mähne. Zum Schluss der Songs fast bodybuildhafte Posen und rauchiges Lachen. Immer wieder dieses Erschaudern des Körpers, als würde er von Energie-Schüben überzogen. Die Frau weiß einfach nicht, wohin mit ihrem Treibstoff.

Mächtig viel los also im gewinnbringenden Kaufhaus Turner, das via Video zunächst in die Zeit der Unternehmensgründung reist. Vor sage und schreibe 40 Jahren stand die als Annie Mae Bullock geborene Tochter eines schwarzen Baumwollplantagen-Vorarbeiters auf der Bühne. Eine Zeit, in der Ruhm für die Sängerin noch mit viel Qual verbunden war, weil sich ihr Partner und späterer Ehemann Ike als Tyrann entpuppte.

Die Massen wollen zum Tina-Turner-Konzert auf Leipzig Festwiese.

Die Massen wollen zum Tina-Turner-Konzert auf Leipzig Festwiese.

Umso befreiter schmettert T. T. heute „River Deep, Mountain High“ und bekennt sich zum Wandel vom schwarzen Blues-Rock Richtung weißer Mainstream-Pop. Bei „We Don’t Need Another Hero“ steigt sie in ein überdimensionales Hufeisen und schwebt von Verkaufsetage eins aufs Erdgeschoss, dazu stoßen Feuerkeile in die Luft. Keine Ermüdungserscheinungen. Immer weiter geht’s mit dem jüngeren „Whatever You Need“, mit „The Best“, stets umrahmt von ihren Musikern sowie fünf teils singenden Tänzerinnen.

Im Hit-Gestöber tritt die First Lady des Rock ‚n’ Roll gelegentlich ab, um die Damenabteilung zu plündern. Mal kehrt sie im Lack-Dress, mal im Glitzermantel oder in Spaghetti-Trägern zurück - Hauptsache, sie tut’s. Zu „Private Dancer“ wächst sie auf einem Stuhl sitzend aus dem Grund, „Nutbush City Limits“ kostet sie auf dem Balkon eines riesigen Schwenkarms aus, der sich weit hinaus über das Meer aus Köpfen räkelt.

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Mit dem Stück, das Platte und Tournee den Namen gab, kommt der angeblich definitive Abschied: „Twenty Four Seven“. Nach zwei Stunden Öffnungszeit ist Ladenschluss im Kaufhaus Turner - Feuerwerk knattert. Alles viel zu plötzlich, unpathetisch und gar nicht wie in Hollywood. Also, Tina, bis zum nächsten Mal!?

LVZ

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