Völkerschlacht-Massengrab in Leipzig entdeckt - Archäologen: "Furchtbare Verletzungen"
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Fundstelle Völkerschlacht-Massengrab in Gohlis, Dezember 2011.
© Quelle: Landesamt für Archäologie Sachsen
Leipzig. Sie wollen mit Blick auf das Jubiläum 2013 "der Verklärung Paroli bieten", so Geschichtsexperte Gerhard Bauer.
Auf dem ehemaligen Kasernengelände in Gohlis wollten Arbeiter Ende vergangenen Jahres eine Wasserleitung verlegen, erzählt Grabungstechniker Sven Kretzschmar vom Landesamt für Archäologie. Als die Männer mit einem Bagger auf die menschlichen Überreste stießen, riefen sie die Polizei.
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Die Staatsanwaltschaft schaltete das Landesamt für Archäologie ein, damit die Knochen fachgerecht ausgegraben werden konnten. "Es hat geregnet. Wir haben dann eine Plane gespannt und uns durch den Schmodder gearbeitet", beschreibt Kretzschmar. Die Gebeine von zehn Menschen wurden so vorsichtig freigelegt. Die Archäologen konnten das Massengrab auf die Völkerschlacht-Zeit datieren.
Massengrab-Funde in Leipzig keine Seltenheit
In und um Leipzig sind solche Funde keine Seltenheit, schließlich kamen bei den Gefechten gegen napoleonische Truppen rund 100.000 Menschen um. "200 Individuen haben wir bisher gefunden. Dass wir immer wieder auf solche Gräber stoßen, ist sehr wahrscheinlich", sagt Thomas Westphalen, der im Landesamt die Abteilung Archäologische Denkmalspflege leitet.
Schon 2008 kam bei den Erdarbeiten zum Bau der Zoo-Tropenhalle Gondwanaland ein Massengrab aus der Völkerschlacht-Zeit zum Vorschein. Es war durch den Baggeraushub stark zerstört. Die Archäologen stellten dennoch fest, dass dort mindestens 19 Menschen und ein Pferd begraben lagen. Der bisher größte Fund auf Leipziger Terrain stammt aus den Jahren 1993/1994: Auf dem Gelände des ehemaligen Hotel Stadt Leipzig zwischen Brühl und Richard-Wagner-Straße entdeckten die Archäologen die Überreste von 68 Männern, drei Frauen und 18 Kindern.
"Mit durchlöchertem Schädel zunächst weitergelebt"
1813 gab es offenbar auf dem Gelände offenbar ein Lazarett. Viele Verwundete konnten nicht gerettet werden und wurden gleich dort bestattet. Der Mann, dem eine Bleikugel den Schädel durchlöchert hat, gehört auch dazu. "Er muss so um die 50 bis 60 Jahre alt gewesen sein", erklärt Historikerin Patricia deVries. Es sei erstaunlich, dass der Mann mit dieser schweren Verletzung zunächst überlebt hatte.
DeVries zeigt auch den Schädel eines jungen Mannes, der an der Stirnseite eine heftige Kerbe aufweist. "Die Verletzung stammt von einem Säbel und ist nicht verheilt", erklärt sie. Mit filmreifen Klingen-Kreuzen hatte das blutige Schlachtengetümmel wenig zu tun, betont Gerhard Bauer vom Militärhistorischen Museum Dresden. "Viele Männer waren schlecht vorbereitet. Es reichte, wenn sie einen schweren Säbel halten und den auf den Kopf den Gegners fallen lassen konnten", so Bauer.
Sonderausstellung 2013 in Dresden geplant
Die Bleikugeln der Musketen hätten furchtbare Verletzungen angerichtet, weil sie die Knochen des Opfers regelrecht zerschmettert hätten. "Manche Getroffene sind schon durch den Schock des Kugelaufpralls gestorben", schilderte Bauer. Das Bild vom Soldaten in prächtiger Uniform weist er ins Reich der Schlachtfeldfolklore. Bauer erzählt stattdessen vom geschundenen und abgerissenen Kämpfer, "und egal ob Preuße oder Franzose, für viele endete der Krieg mit einem Säbelschlag auf den Kopf." Der Preis für den Sieg über Napoleon sei unglaublich hoch gewesen.
Was bleibt von diesem Gemetzel, sind Knochen und Munitionskugeln, Knöpfe und Gürtelschnallen. Viele Exponate will das Militärhistorische Museums 2013 in einer Sonderschau zum Jubiläum "200 Jahre Völkerschlacht" zeigen. Ob auch die menschlichen Gebeine aus Leipzig, Kitzen oder Güldengossa dabei sein werden, darüber ist man mit den Archäologen des Landesamtes noch im Gespräch. Gegenüber LVZ-Online sagte Thomas Westphalen: "So etwas muss sehr pietätvoll geschehen."
Evelyn ter Vehn
LVZ