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Warenhaus-Zukunft

Wie Karstadt seinen Rückzug aus Leipzig vorbereitet

Leipzigs Karstadt-Chef Michael Zielke in seinem Warenhaus. 400 Mitarbeiter bangen jetzt um ihre Jobs, weil die Verhandlungen um einen neuen Mietvertrag wohl gescheitert sind.

Leipzigs Karstadt-Chef Michael Zielke in seinem Warenhaus. 400 Mitarbeiter bangen jetzt um ihre Jobs, weil die Verhandlungen um einen neuen Mietvertrag wohl gescheitert sind.

Leipzig. Michael Zielke ist meistens gut gelaunt. Doch inzwischen ist Leipzigs Karstadt-Chef sichtlich verärgert, weil die Verhandlungen über einen neuen Mietvertrag mit dem Hauseigentümer offenbar gescheitert sind. Der Filialleiter im Interview.

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Sind die Verhandlungen mit dem Immobilieneigentümer Even Capital gescheitert?

Michael Zielke: Es nimmt mich sehr mit, aber wie man es dreht und wendet: Wir haben nach wie vor die Kündigung des Mietvertrags zum 31. März 2019 auf dem Tisch. Alternativ hatte man uns einen neuen Vertrag mit einer Mietsteigerung von rund 70 Prozent angeboten. Es gab dann Verhandlungen von Karstadt mit dem Eigentümer, auch unter Moderation des Leipziger Oberbürgermeisters. Dafür sind wir sehr dankbar. Aber wir haben auf unsere Vorschläge hin keine positive Antwort erhalten.

Wo hakt es?

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Die Miete liegt mit annähernd sieben Millionen Euro nach unserer Einschätzung bereits jetzt über der Marktmiete in Leipzig. Das haben uns auch unabhängige Gutachter bestätigt. Wir haben in den Verhandlungen Angebote abgegeben, die über der bisher gezahlten Miete liegen. Damit sind wir schon über die absolute Schmerzgrenze hinausgegangen. Aber auch die letzten Forderungen des Vermieters sind für uns wirtschaftlich nicht darstellbar. Das würde ein deutliches dauerhaftes Minusgeschäft bedeuten.

Gab es Verhandlungen darüber, einzelne Etagen abzugeben und sich so zu einigen?

Wir haben im Verlauf der letzten Monate über viele Möglichkeiten gesprochen – auch über Flächenabgaben. Auch das ohne positive Antwort.

Ist Karstadt Leipzig am Ende?

Wie gesagt: Mit Stand von heute haben wir vom Vermieter keine Angebote zur Fortsetzung des Mietverhältnisses vorliegen. Die unternehmerische Planung von Karstadt ist daher auf die Schließung der Filiale Leipzig gerichtet. Wir haben bereits jetzt wegen unseres Vertrauens in die Verhandlungen länger gewartet, als eigentlich wirtschaftlich sinnvoll ist.

Wird es also die befürchteten Entlassungen von 400 Mitarbeitern geben?

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Wir haben Prozesse anstoßen müssen, die einen langen zeitlichen Vorlauf haben. Dazu gehören – so sehr wir das bedauern – die Kündigung von unseren Mietern und Dienstleistern zum 31. Januar 2019 und die Verhandlung eines Interessenausgleichs und Sozialplans mit unserem Betriebsrat. Noch haben wir aber keine Kündigungen verschickt.

Haben Sie sich nach Ersatzstandorten umgesehen?

Ja. Unsere Immobilienexperten und auch ich haben uns wochenlang alle möglichen Immobilien angesehen. Aber es ist natürlich sehr schwierig, eine Mindestfläche von 10 000 Quadratmetern an einer geeigneten Stelle in der Stadt zu finden. Wir haben wirklich in jede Richtung gedacht. Leipzig ist uns wichtig.

Karstadt hat bis 2009 eine Miete von 11,2 Millionen Euro gezahlt, die dann wegen der Insolvenz des Warenhauses auf die erwähnten sieben Millionen gesenkt wurde. Pascal Bruzzese, Geschäftsführer der zuständigen Even-Capital-Tochter, hat jetzt erklärt, man habe einen neuen Vertrag zu den Konditionen von 2009 angeboten.

Das ist eine Phantomdiskussion. Damals gehörten zu den wesentlichen Problemen übrigens ja gerade überteuerte Mieten. Diese als Vergleich zu nehmen ist meiner Meinung nach absurd. Außerdem bezahlt Karstadt seit der Insolvenz von Acandor unter sieben Millionen Euro. Aber heute ist doch wichtig: Es gibt eine Miethöhe, die ein Haus erwirtschaften kann. Darüber hinaus wird es ein Minusgeschäft. Das nimmt die Luft zum Atmen. Schon die jetzige Miete konnten wir nur erwirtschaften, weil wir ein fantastisches Team von Mitarbeitern haben. Wir können uns weder einen anderen Einzelhändler, noch überhaupt ein Modell vorstellen, mit dem die geforderte Miete erwirtschaftet werden kann.

Beim Eigentümerwechsel 2017 zu Even Capital gab es einen Gewerberaummietvertrag mit Optionsfrist, der bis 2021 hätte verlängert werden können – zu den günstigen Konditionen. Oder: Karstadt hätte in den Bieterprozess einsteigen, die Immobilie kaufen können. Beides ist nicht passiert.

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Es gab damals schon Gerüchte, dass diese Immobilie verkauft werden sollte. Wir wollten für unsere Mitarbeiter eine langfristige Perspektive und keine kurzfristige Übergangslösung. Mit der Alternative Kündigung oder fast 70 Prozent mehr, hätte ich nie gerechnet. Das nenne ich, einem die Pistole auf die Brust setzen. Mein Eindruck ist, dass der Luxemburger Finanzinvestor seinen Profit maximieren will.

Man könnte auch auf die Idee kommen, dass Sie seit Kündigung des Mietvertrages mit einer öffentlichkeitswirksamen Kampagne die Heuschreckenkarte ausspielen.

Im Gegenteil: Wir sind bewusst an die Öffentlichkeit gegangen, eben weil wir um den Standort kämpfen. Alles, was wir getan haben, haben wir gemeinsam überlegt. Ich empfände es als zynisch, wenn man uns nicht abnehmen würde, dass wir uns aus vollem Herzen für unsere Menschen hier in der Filiale engagieren – Kunden, Mitarbeiter und Partner.

Falls Karstadt und Kaufhof fusionieren und nur ein Standort in Leipzig bleibt, dann wären 400 Mitarbeiter aus dem Rennen und der Schwarze Peter läge bei Even Capital.

Das Gegenteil ist richtig: Wir eröffnen in Berlin wieder neue Häuser – zum ersten Mal seit Jahrzehnten – und sind auf Expansionskurs. Wir glauben an das Format Warenhaus, und Doppelstandorte sind in allererster Linie ein Vorteil. In Berlin beispielsweise hat allein Karstadt schon heute sieben Standorte, und wir eröffnen im laufenden und kommenden Jahr noch zwei komplett neue.

Funktioniert das auch in Leipzig?

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Ich bin überzeugt, dass Leipzig mehrere Warenhaus-Standorte vertragen kann. Diese Stadt ist so stark und lebendig.

Der erwähnte Even-Capital-Geschäftsführer hat gegenüber dem Luxemburger Tageblatt erklärt, er hätte die Kiste mit den Unterschriften wieder aus der Tonne geholt und bloß 30000 Unterschriften gezählt, nicht 50000.

War das nicht der, der die Unterschriften von all den Menschen in die Mülltonne geworfen hat? Ich denke, da erübrigt sich eine Antwort.

Von Björn Meine und Frank Johannsen

LVZ

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