„Zutiefst schockiert“ – viele offene Fragen nach tödlichem Radunfall in Leipzig
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Zu einem folgenschweren Unfall ist es am 22. Mai 2019, an der Leipziger Kleinmesse, zwischen einer Radfahrerin und einem rechts abbiegenden LKW gekommen. Die Radfahrerin starb vor Ort.
© Quelle: Dirk Knofe
Leipzig. Viele Leipziger waren auch am Donnerstag noch fassungslos: Erneut hat ein Zusammenstoß zwischen einem Lastwagen und einer Fahrradfahrerin tödlich geendet, erneut übersah ein Lkw-Fahrer die Frau auf ihrem Rennrad beim Rechtsabbiegen. Das Opfer war erst 20 Jahre alt, die Frau erlag noch vor Ort ihren Verletzungen.
Die genauen Umstände des tragischen Vorfalls, der sich am Mittwochmittag auf der Jahnallee ereignete, müssen laut Polizei noch geklärt werden. Unter Berufung auf das laufende Ermittlungsverfahren wollte die Behörde vorerst keine näheren Angaben zum Unfallgeschehen machen. Nicht bekannt ist beispielsweise, ob sich die 20-Jährige im toten Winkel des Lastwagenfahrers befunden hatte.
Auch wie es dem 57-Jährigen geht, war unklar. Zumindest am Mittwoch sei für ihn keine medizinisch-psychologische Betreuung erforderlich gewesen, teilte ein Polizeisprecher am Donnerstag auf Nachfrage von LVZ.de mit.
Dritter tödlicher Unfall auf der Jahnallee
Als skandalös und zutiefst schockierend beschreibt Robert Strehler vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) in Leipzig den Unfall. Dass der Fall ausgerechnet auf der Jahnallee geschehen sei, gieße bei den Diskussionen um die Straße noch einmal Öl ins Feuer. Es war bereits der dritte tödliche Verkehrsunfall in den vergangenen Monaten – im Februar und im März waren jeweils Fußgänger verunglückt.
Laut Strehler dauert es zu lange, bis die Stadt adäquat handelt. Es müsse ein Umdenken stattfinden und ein Weg gefunden werden, wie alle Verkehrsteilnehmer – Fußgänger, Rad-, Auto- und Lastwagenfahrer – geschützt werden können. „In einer so belebten und lebenswerten Stadt wie Leipzig darf es keine weiteren Verkehrstote mehr geben. Wir müssen endlich ins Handeln kommen und gemeinsam die städtische Verkehrspolitik vorantreiben.“, so Strehler, der zugleich auf die Fahrradstädte Amsterdam, Kopenhagen und Straßburg verweist: „Schauen wir uns doch bei den europäischen Leuchttürmen der fahrradfreundlichsten Städte genau ab, wie sie ihre Radfahrenden schützen.“
Der Vorfall am Mittwoch war nicht der erste Fahrradunfall dieser Art in Leipzig. Erst im vergangenen Dezember waren zwei Lastwagenfahrer wegen tödlicher Unfälle in der Rosa-Luxemburg-Straße und der Wurzner Straße zu Geldstrafen verurteilt worden. Im Frühjahr 2018 kamen zudem vier Menschen auf Rädern bei Zusammenstößen ums Leben – in drei Fällen wurden die Opfer von Lastwagen überrollt.
Stadt reagiert auf der Prager Straße
Etwas getan hat sich zumindest in der Prager Straße. Dort war eine 31-Jährige von einem Kipplaster erfasst worden, sie starb später im Krankenhaus. Knapp ein Jahr nach dem Unfall hat die Stadt die Kreuzung an der Kommandant-Prendel-Allee entschärft. Die Ampelschaltung wurde so geändert, dass Rechtsabbieger und Radfahrer nicht mehr zeitgleich Grün haben.
Vorher galt die Stelle laut einer Untersuchung der Stadt als Unfallschwerpunkt. Auch deswegen fragten sich Angehörige im Nachhinein, ob der tragische Vorfall hätte verhindert werden können.
Für Strehler vom Leipziger ADFC ist Handlungsbedarf spätestens da, wenn es einen Unfall gegeben hat. „Was soll denn noch mehr passieren?“, fragt der Vorsitzende des Interessenverbandes. Radfahrern rät er generell zu einer passiven und vorausschauenden Fahrweise. „Trotz allem sind tödliche Unfälle in Leipzig glücklicherweise Einzelfälle“, so Strehler.
ADFC: In vorhandene Sicherheitsszenarien investieren
Am Donnerstagnachmittag teilte der Verkehrsclub mit, dass er zu einer gemeinsamen Bewegung aufrufe, „die sichere Radverkehrsanlagen, Abbiegeassistenten für LKWs, „Bike Flash“-Warnsysteme und den Ausbau eines durchgängigen, ganzjährig nutzbaren Radverkehrsnetzes nicht für eine Wunschvorstellung“ halte. Stattdessen solle in diese bereits vorhandenen Sicherheitsszenarien investiert werden. „Es sind genug Ideen über sichere Radverkehrsanlagen vorhanden, wir müssen sie nur umsetzen“, so Strehler.
Der ADFC Leipzig betont zudem, „dass es im Straßenverkehr nicht um Schuldzuweisungen oder das Bewerten von Fehlverhalten geht, sondern um eine menschengerechte Verkehrsplanung, die das Leben aller schützt und den Mensch in den Mittelpunkt stellt“.
Von Josephine Heinze