Schornsteinfeger bringt Seniorin in Döbeln kein Glück
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Zwischen Glücksbringer und Prellbock: Schornsteinfeger sorgen für Sicherheit. Und werden mit Kundenfrust konfrontiert, wenn Umbauten erforderlich werden (Symbolbild).
© Quelle: Patrick Pleul/dpa
Region Döbeln. Der Schreck ist groß, als Gisela P.* an diesem Vormittag in ihr Auto steigen will, um zu einem Arzttermin zu fahren: Eine Fahrzeugkralle ist angebracht, das Auto gepfändet. Warum? Der Wagen ist gepfändet, die Pfändung der letzte Schritt eines Bußgeldverfahrens. Gisela P. hat nicht etwa falsch geparkt. Seit mehreren Jahren wehrt sich die Rentnerin gegen Umbauten in ihrer Wohnung, die sie nach einem Bescheid ihres zuständigen Schornsteinfegermeisters vornehmen lassen soll.
Lüftungsschlitze muss die fast 80-Jährige in die Türen ihrer kleinen Wohnung einbauen lassen. Erforderlich sei das, weil der Raum, in dem sich ihre Gasheizung die Luft für die Verbrennung holt, zu klein ist. Im schlimmsten Fall droht eine Kohlenmonoxidvergiftung. Kohlenmonoxid entsteht bei der Verbrennung von Gas, man sieht und schmeckt es nicht. Gisela P., die Eigentümerin des Hauses ist, in dem sie lebt, kann das nicht verstehen: 30 Jahre lang ging es ohne Lüftungsschlitze. Warum sollte sie die jetzt einbauen?
„Schornsteinfeger ist nicht mehr der Job, der er mal war“
Weil es das deutsche Gesetz vorschreibt, in dem Fall das Schornsteinfegerhandwerksgesetz in Verbindung mit der Bundesimmissionsschutzverordnung und der Kehr- und Überprüfungsordnung. Letztere ist es, die Gisela P. auf die Palme bringt. Weil sie ihrer Meinung nach nicht den Einzelfall berücksichtigt. Bei ihr sieht der so aus: Die 18 KW Leistung, die ihre alte Gasheizung erbringen kann, würden nie abgerufen, weil die Räume so klein sind und sie spare. „In meiner Wohnung würde theoretisch ein Gerät mit 6 KW reichen. Ein solches war vor 30 Jahren, als wir die Heizung von Kohle auf Gas umgestellt haben, aber nicht verfügbar“, sagt die Rentnerin. Gisela P. ist Witwe und lebt inzwischen allein im Haus mit drei Etagen, die jede für sich mit einer separaten Heizungsanlage ausgestattet sind. Lüftungsschlitze will sie nicht in ihre Türen bauen lassen, weil es dann ziehen würde, weil sich Gerüche ausbreiten könnten. „Das sehe ich nicht ein.“
Mike Müller ist einer von sechs Bezirksschornsteinfegermeistern im Altkreis Döbeln. Seit 26 Jahren betreut er hier einen eigenen Kehrbezirk. Wie seine Berufskollegen erlebt er viel beim täglichen Kontakt mit Kunden. „Schornsteinfeger ist nicht der Job, der er mal war“, sagt Müller.
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Die Zeiten sind rauer geworden für die Frauen und Männer in Schwarz, die früher uneingeschränkt gern gesehen wurden, weil sie für Brandsicherheit sorgten. Für genau diese Sicherheit stehen sie auch heute noch. Das Kehren der Schornsteine aber ist nur noch ein Bruchteil ihrer Arbeit. Lange schon müssen sie die Betriebs- und Brandsicherheit von Heizungsanlagen kontrollieren – im Auftrag des Gesetzgebers.
Strenge Gesetze: Es geht um die Sicherheit von Menschen
Damit einher geht die Umsetzung von Bestimmungen und Verordnungen, die sich auch gern mal ändern. Kaum ein Land hat bei Betriebs- und Brandsicherheit von Feuerstätten so strenge Gesetze wie Deutschland. Deshalb gibt es auch vergleichsweise wenig tödliche Unfälle mit Kohlenmonoxid. Doch Mike Müller und seine Berufskollegen wissen aus ihrem Arbeitsalltag und dem Kontakt mit den Kunden: „Die Leute sind verunsichert wegen der vielen Neuregelungen.“ Nicht nur was die Sicherheit von Feuerstätten angeht, wird immer mal wieder nachjustiert. Auch Klimaziele gilt es zu erreichen: Das öffentliche Ringen um ein neues Heizungsgesetz hat viele Menschen zusätzlich nervös gemacht.
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Verhandlungsspielraum gibt es für den Mann in Schwarz nicht. Erfüllt ein Kunde die gesetzlich vorgesehenen Auflagen nicht, gibt er den Fall an die zuständige Behörde ab. Mike Müller erklärt, warum: Am Ende geht es immer um die Sicherheit von Menschen, um Leib und Leben. Und: „Wir haften persönlich, wenn irgendwo in unserer Zuständigkeit etwas passiert und wir es nicht angemahnt haben.“
Rentnerin muss 500 Euro Bußgeld zahlen
Der Fall von Gisela P. liegt lange schon bei der Behörde. Zuständig ist das Bauordnungsamt. Über 500 Euro Bußgeld sollte die Rentnerin zahlen, weil sie die Auflagen nicht erfüllt hat. Weil sie auf ihr Auto angewiesen ist, hat sie das Geld nun doch überwiesen. Abgeschlossen ist der Fall für Gisela P. allerdings nicht. Sie will an den Ministerpräsidenten schreiben, fordert eine Gesetzesänderung.
Der Schornsteinfegermeister klärt seine Kunden auf, erläutert, warum es bestimmte Vorschriften gibt und warum letztlich bestimmte Umbauten erforderlich sind. Viele Kunden zeigen sich einsichtig, wenn sie verstehen, worum es geht. Was Aufklärung und Information angeht, sieht Müller aber beispielsweise auch Heizungs- oder Küchenbauer in der Pflicht. Grundsätzlich könne späterem Frust aber schon an einer ganz anderen Stelle vorgebaut werden: „Vor dem Einbau einer Heizung muss immer der zuständige Schornsteinfeger informiert werden“, sagt Müller.
LVZ