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Justiz

„Die Streitwerte gehen in die Millionen“

Digitalisierung im Archiv im Grundbuchamt in Leipzig. Dr. Dominik Schulz Foto: Andre Kempner

Digitalisierung im Archiv im Grundbuchamt in Leipzig. Dr. Dominik Schulz Foto: Andre Kempner

Döbeln. Diesen Tag wird Dr. Dominik Schulz nicht vergessen. Es ist Mittwoch, der 13. Oktober 2010. Dr. Schulz leitet das Amtsgericht Döbeln. An diesem Mittwoch verhandelte die Strafrichterin eine Diebstahlsanklage gegen zwei junge Männer. An für sich nichts Ungewöhnliches. Das gehört zum Tagesgeschäft.

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Aktivisten am Mast

Aber die Angeklagten hatten etliche Unterstützer mitgebracht. Und die kletterten an den Fahnenmasten hoch und befestigte daran Transparente. Mehrmals ermahnte sie Dr. Schulz, das doch bitte sein zu lassen. Schließlich musste die Feuerwehr das Banner entfernen. Darauf stand: „Was ist schon Müll? Lebensmittelvernichtung stoppen.“ Den Angeklagten lag zur Last, aus den Abfallcontainern vorm Marktkauf weggeworfene Lebensmittel entnommen zu haben, die sie noch für essbar hielten. Verschwendung in der Konsumgesellschaft – die Angelegenheit war ein Politikum und die Aktivisten nutzten das Amtsgericht als Bühne. In einer Weise, die solche Shows wie Kindergeburtstage aussehen lässt, die sonst Reichsbürger vor Gericht so abziehen. Acht Stunden dauerte der Prozess und Dr. Schulz war auch gefragt, über die vielen Ablehnungsanträge zu befinden. Mit diesen lehnten die Angeklagten die Richterin wegen der Besorgnis der Befangenheit ab, setzten sich aber nicht durch.

Mit solchen Klettermaxen hatte Dr Dominik Schulz als Direktor des Amtsgerichtes Döbeln zu tun

Mit solchen Klettermaxen hatte Dr. Dominik Schulz als Direktor des Amtsgerichtes Döbeln zu tun.

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Fast acht Jahre später sitzt Dr. Dominik Schulz in seinem Büro im Landgericht Chemnitz und beginnt, von ganz alleine über diesem spektakulären Tag zu erzählen. „Das wir die Feuerwehr rufen mussten, um Banner vom Fahnenmast zu holen, habe ich noch nicht erlebt.“ Im Chemnitzer Büro steht auch ein Bild des Amtsgerichtes Döbeln im Schrank. Dieses leitete der promovierte Jurist, der ursprünglich Apotheker werden wollte, bis 2011 und ging dann als Vizepräsident ans Amtsgericht Leipzig. „Nach 20 Jahren bin ich jetzt an meine ursprüngliche Wirkungsstätte, in meine juristische Heimat zurückgekehrt“, sagt der Jurist. 1998 kam Dominik Schulz als Richter auf Probe an eine Zivilkammer des Landgerichtes. Zuvor war er Richter auf Probe am Amtsgericht Hohenstein-Ernstthal. 2006 wurde er Direktor des Amtsgerichtes Döbeln. Erst glaubt er es nicht, als ihn das Navigationssystem beim ersten Besuch zur Rosa-Luxemburg-Straße 16 führt. „Das ist ja ein Schloss und kein Gericht“, sagte er einmal der DAZ.

Hohe Streitwerte

Keine Verwechslungsgefahr mit dem Wohnsitz blaublütiger Herrschaften besteht beim Landgericht Chemnitz. Die beiden Gebäude sehen haargenau nach Gericht aus. Hier ist Dr. Schulz als Vizepräsident nicht nur in der Verwaltung tätig, sondern auch als Richter. „Ein bunter Blumenstrauß an Lebenssachverhalten“ bietet die Arbeit als Vorsitzender einer der beiden Kammern für Handelssachen. Diese gehören zur Zivilgerichtsbarkeit und verhandeln spezielle Klagen. Beispielsweise, wenn sich Gesellschafter einer GmbH gerichtlich auseinandersetzen. Paragraf 95 des Gerichtsverfassungsgesetzes regelt die Zuständigkeit der Kammer. Teuer kann es auch werden. „Die Streitwerte gehen mitunter in die Millionen“, sagt Dr. Schulz. Zum Vergleich: Als Zivilrichter in Döbeln verhandelte Dr. Schulz 2009 zum Beispiel einen bürgerlichen Rechtsstreit um eine Simson S 51 mit einem Streitwert von 300 Euro.

Ehrenamtliche Richter sehr wichtig

Hohe Streitwerte, abstrakte Sachverhalte – und dennoch sind viele Fälle der Kammer für Handelsachen am Landgericht so lebensnah, wie Mopedfälle am Amtsgericht. Der Vorsitzende erzählt: „In einer meiner ersten Verhandlungen ging es um eine Baufirma, die einen Bagger an eine andere vermietet hat. Dieses Unternehmen verlieh die Baumschiene weiter. Und dort wurde sie geklaut. Jetzt wollte der Eigentümer Schadenersatz haben.“ Am Ende haben sich die Parteien verglichen, ein Urteil musste Dr. Schulz daher nicht sprechen. Ihm stehen sogenannte Handelsrichter zur Seite – ehrenamtliche Kollegen, die aus der Praxis kommen, vergleichbar mit Schöffen im Strafgericht. Auf ihre Expertise möchte Dr. Schulz nicht verzichten, die ist ihm sehr wichtig. Unter der Handelsrichtern traf der 50-Jährige übrigens auf einen Döbelner. Bernd Wetzig, pensionierter Vorstand der Wohnungsgenossenschaft Fortschritt, versieht am Landgericht Chemnitz dieses wichtige Ehrenamt.

Von Dirk Wurzel

LVZ

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