Verein wehrt sich

Döbelner Treibhaus schmettert AfD-Unterstellungen ab

Geschäftsführerin Judith Schilling (r.) mit Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (3.v.l.), Gründungsmitgliedern sowie Unterstützer zum 20-jährigen Bestehen in 2017.

Geschäftsführerin Judith Schilling (r.) mit Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (3.v.l.), Gründungsmitgliedern sowie Unterstützer zum 20-jährigen Bestehen in 2017.

Döbeln. Der Kreisverband Mittelsachsen der Alternative für Deutschland (AfD) greift vor der Wahl den Döbelner Treibhausverein scharf an. Unter der Überschrift „AfD deckt auf: Antifa mit Steuergeld unterstützt!“ veröffentlichte der AfD-Landtagsabgeordnete Rolf Weigand eine Pressemitteilung. Weigand hatte im Landtag eine Kleine Anfrage gestellt und dabei erfahren, dass Freistaat, Landkreis Mittelsachsen und die Stadt Döbeln den Döbelner Treibhausverein seit 2016 jährlich mehr als 100.000 Euro für seine verschiedenen Projekte mit öffentliche Fördermitteln unterstützen. Davon in 2017 jeweils knapp 8.250 Euro vom Landkreis Mittelsachsen und der Stadt Döbeln.

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AfD unterstellt Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung

„Schaut man sich den Internetauftritt des Vereins, besonders des vereinseigenen Café Courage an, so finden sich dort Symbole der Antifa sowie Aufkleber mit anarchistischem Gedankengut. Damit sympathisiert der Verein ganz offen mit linksextremistischen Gruppierungen und gibt ihnen eine Plattform“, meint der AfD-Abgeordnete. Zudem ärgert er sich darüber, dass der Verein regelmäßig über die Aktivitäten der AfD Mittelsachsen berichtet. Für den Döbelner Oberbürgermeisterkandidaten der AfD, Dirk Munzig, steht deshalb fest: „Eine Förderung derartiger Vereine wird es mit mir nicht geben. Ich werde als Oberbürgermeister von Döbeln genau hinschauen und nicht einfach Geld verteilen, was zum Kampf gegen den Staat eingesetzt wird.“

Judith Schilling, Geschäftsführerin des Treibhausvereins, kann über so viel Unwissenheit in Bezug auf die über 22-jährige Arbeit des Vereins und daraus konstruierte Unterstellungen nur den Kopf schütteln. „Die Darstellungen des AfD-Kreisverbandes Mittelsachsen unterstellen allen unseren 132 Mitgliedern, elf hauptamtlich Angestellten sowie zahlreichen ehrenamtlich Aktiven und Sympathisierenden eine Affinität zu Gewalt und die Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Das ist insofern absurd, als unser Verein wohl weitaus weniger Probleme mit dem Grundgesetz hat, als die AfD selbst. Auch sind unsere Mitglieder, Angestellten und Unterstützenden ein breit aufgestellter Querschnitt der Gesellschaft, in der wir leben und mit der wir zusammenarbeiten“, so die Geschäftsführerin.

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Viele Döbelner Mitglied im Treibhausverein

So finden sich unter den Vereinsmitgliedern und Unterstützern viele sehr angesehene Döbelner Bürger wie beispielsweise die Zahnärzte Matthias Claußner und Manuela Lucie, die Physiotherapeutin Donata Porstmann oder der Bauunternehmer Sven Weißflog, ebenso Bürger aus ganz unterschiedlichen Parteien und Mitglieder der Döbelner Kirchgemeinden. „Nach unseren erwachsenen Kindern sind wir jetzt als Eltern auch im Verein aktiv. Der Treibhaus macht eine überzeugende Arbeit über Generationen hinweg, wie zuletzt der Muttertagsbrunch wieder gezeigt hat“, sagen Donata und Andreas Porstmann.

„Ja, der Treibhausverein erhält öffentliche Gelder zur Umsetzung seiner satzungsgemäßen Ziele, etwa der Förderung von Kunst und Kultur sowie von Bildung in verschiedenen Bereichen und zur Leistung von sozialer Arbeit. Diese Gelder werden transparent behandelt – ebenso wie Spendengelder und übrige Einnahmen, die der Verein erhält und erzielt“, sagt die Vereinsgeschäftsführerin. Die satzungsgemäßen Zwecke des Treibhausvereins würden regelmäßig vom Finanzamt überprüft. Deren Einhaltung sei Grundlage für die Anerkennung und den Erhalt der Gemeinnützigkeit.

Grundverständnis umfasst antifaschistische Haltung

„Die AfD Mittelsachsen wirft dem Verein vor, Fördermittel – und damit Steuergelder – zur Unterstützung extremistischer Gruppierungen zu verwenden. Dies assoziiert man hier mit der sogenannten ‚Antifa’, die von der AfD scheinbar als homogene Gruppe oder Verein definiert wird“, so Schilling. „Unser Selbstverständnis umfasst eine antifaschistische Haltung. Diese orientiert sich an universellen Werten wie Freiheit, Gleichheit und Solidarität im Sinne eines aufklärerischen Ideals. In unserer Satzung wird zudem ein gewaltfreies Miteinander konstatiert. Das unterscheidet sich von der hier zugrundeliegenden kleingeistigen Auffassung von ‚der Antifa’. Antifaschismus als politische Haltung sollte Konsens und kein Randphänomen sein.“

Die Argumentation der AfD Mittelsachsen bezieht sich auf ein Foto auf der Homepage des Treibhausvereins auf dem mehrere Sticker und Symbole zu sehen seien, die in der Veranstaltungs- und Begegnungsstätte Café Courage verklebt sind. „Wichtig sei zuerst zu benennen, dass der Treibhausverein wohl so viel mehr wert ist, als einige Aufkleber oder Plakate, die sich im Café Courage befinden. Wer den Verein darauf reduziert, verkennt die Realität und sucht nur fadenscheinige Gründe, um über unsere Finanzierungen zu streiten“, merkt Judith Sophie Schilling an. „Eine Bewertung anhand unserer Arbeit ist deutlich zielführender.“ So werde täglich wertvolle Arbeit in den Bereich Kultur- und Jugendarbeit, interkulturelle Arbeit, politische und historische Bildung geleistet, es gäbe Kreativ- und Beratungsangebote und die Projekte richteten sich an zahlreiche Menschen, unabhängig von Geschlecht, Alter oder Herkunft.

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Zudem seien Aufkleber, Tags und Weiteres Ausdruck einer alternativen Jugend- und Subkultur, die sich einen Freiraum aneignet und diesen nutzt, so die Geschäftsführerin. Das Café Courage werde vor allem abends in der Regel von ehrenamtlich Engagierten genutzt und selbstverwaltet geöffnet – hier herrsche Konsens über das Selbstverständnis des Vereins. „Zuletzt sei noch angemerkt, dass keines der benannten Symbole verboten ist“, so Schilling.

Informationen zu gesellschaftlichen Entwicklungen

Zu den Publikationen des Treibhausvereins über die AfD und die NPD in der Region sagt die Vereinsgeschäftsführerin: „Als zivilgesellschaftlicher Akteur ist es unsere Aufgabe, über gesellschaftliche Entwicklungen zu informieren, zu diskutieren und gemeinsame Lösungsansätze zu finden. Wir schätzen und schützen die Demokratie mit all unseren Projekten und stellen uns dementsprechend mit demokratischen Mitteln Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Rassismus und deren Auswirkungen entgegen.“ Das Üben von Kritik und Meinungsstreit sei die Basis einer Demokratie zur Verbesserung gesellschaftlicher Verhältnisse anstatt bloßer Feinbildkonstruktion, wie sie seitens der AfD betrieben wird.

In der Pressemitteilung der AfD Mittelsachsen wird neben der Einstellung aller finanziellen Mittel für den Treibhaus e.V. auch die „klare Positionierung gegen rechten, linken und religiösen Extremismus von den verantwortlichen Stellen in Mittelsachsen und der Stadt Döbeln“ gefordert. Dazu Judith Sophie Schilling: „Ich erwarte, dass der Landkreis Mittelsachsen und die Stadt Döbeln als langjährige Partner und Unterstützer unserer Arbeit den Angriffen der AfD Mittelsachsen nicht nachgeben. Eine klare Positionierung kann nur eine Aussage haben: Für eine demokratische und offene Gesellschaft.“

Kommentar: Vorurteile gegen engagierte Leute

von Thomas Sparrer

Für etwas zu sein, ist im Wahlkampf ansprechend. Die AfD-Mittelsachsen macht gerade das genaue Gegenteil, indem sie gegen einen seit 22 Jahren in Döbeln anerkannten Verein zu Felde zieht. Und das mit einem ewigen Vorurteil, nämlich dem, der Treibhausverein sei ein linksextremer Jugendverein, dessen Mitglieder halbkriminell sind und ohnehin alle kiffen. Diese Vorurteile werden sonst eigentlich nur von einfachst gestrickten Rechtsextremen in die Welt gesetzt. Umso enttäuschender ist es, dass eine Partei, die auf die Menschen rechts der konservativen Mitte zielt, ähnlich plump argumentiert. Aufkleber an einem Kickertisch und Plakate an den Wänden, die auf Fotos der vereinseigenen Internetseite zu sehen sind, dienen als scheinbarer Beweis, dass der Verein mit linksextremistischen Gruppierungen sympathisiert und deshalb finanziell trocken gelegt werden müsse. Da müssten wohl auch Schulen wegen Kritzeleien unter den Bänken schließen.

Dabei stehen hinter dem 1997 gegründeten Treibhausverein neben jungen Leuten Christen, Landtagsabgeordnete, Stadträte fast aller Fraktionen, Unternehmer, Zahnärzte, Kulturschaffende, gebildete und angesehene Bürger der Stadt als breites Abbild der Gesellschaft und keineswegs nur Menschen, die politisch links verortet sind. Kleinkunst, Kabarett, Konzerte, offene Jugendarbeit, Kreativangebote, heimatgeschichtliche Forschung, Demokratiebildung und das Bürgerbündnis „Willkommen in Döbeln“ finden sich unter dem Dach des Vereins und sind offen für jeden, der sich engagieren will, vorausgesetzt er steht zu demokratischen Grundwerten. Von künftigen Kommunalpolitikern sollte man erwarten können, dass sie sich genau informieren, bevor sie öffentlich Urteile fällen.

th.sparrer@lvz.de

Von Thomas Sparrer

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