Tragische Geschichte einer Liebe: Die Spur führt von Russland nach Döbeln
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/DRMKFJWM6ZHQQSJSIDM2PD37YY.jpg)
Lyudmila Iwanowna mit einem Foto von Christina, der Mutter ihrer Halbschwester Valentina.
© Quelle: privat
Döbeln/Orjol. Es war eine Liebesgeschichte, die abrupt endete. Sie trug sich gleich nach dem zweiten Weltkrieg in Döbeln zu – zwischen einem damaligen sowjetischen Soldaten und einer deutschen Frau. Eine Tochter wurde geboren, das Paar jedoch schon bald getrennt. Russische Angehörige des Soldaten suchen nun nach ihren Verwandten in Deutschland. Kein leichtes Unterfangen, bei dem ihnen Winfried Behlau aus Delmenhorst von der Gruppe „Distelblüten“ hilft.
Doktorarbeit über Besatzungskinder
Eine Doktorandin an der Uni Leipzig hatte 2013 eine Arbeit zum Thema Besatzungskinder geschrieben. Mehrere Personen, sie selbst nennen sich „Russenkinder“, beteiligten sich in dem Zusammenhang an einer Studie. In der Folge gründete sich eine bundesweite Gruppe von Besatzungskindern mit Vätern aus der Roten Armee, die „Distelblüten“. Ziel der Gruppe ist es, an die Öffentlichkeit zu gehen. Es gibt mittlerweile etliche Publikationen und es gelang, einige Väter im heutigen Russland zu finden. Winfried Behlau: „Neu ist, dass nun auch umgekehrt gesucht wird, also von Russland aus in Deutschland.“
Einen jüngsten Artikel in dem russischen Magazin Argumente und Fakten über die "Distelblüten" las auch Sergeij Repetsky aus Orjol, einer Stadt 350 Kilometer südwestlich von Moskau. "Er nahm Kontakt mit unserer Gruppe auf, erzählte seine Geschichte. Und hier kommt Döbeln ins Spiel", sagt Behlau.
Eine große Liebe
Der Großvater von Sergeij, Iwan Pawlowitsch Wigerja, war zu Kriegsende 20-jährig in Berlin und diente dann weiter in Deutschland. So war er als Oberfeldwebel im 69. Panzerregiment in Döbeln stationiert. Sergeij schreibt: „Aus familiären Quellen wurde bekannt, dass er in Döbeln eine Frau, eine Geliebte namens Christina – oder Kristina – hatte. Der Nachname ist uns leider unbekannt. Die Beiden verband eine große gegenseitige Liebe.“ Christina sei sehr schön gewesen und soll als Tänzerin im Theater oder im Varieté gearbeitet haben. „Christina bekam 1947 von meinem Großvater eine Tochter und nannte sie Valentina. Valentina ist also meine Tante und die Halbschwester meiner Mutter, Lyudmila Iwanowna“, so Sergeij weiter.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/H7HRT3G754PVBFT5C4NAFAUDSQ.jpg)
Der Rotarmist Iwan Pawlowitsch Wigerja.
© Quelle: privat
Wann genau und wie sich der Soldat Ivan und die Tänzerin Christina ineinander verliebten, ist nicht bekannt. Unklar ist auch, was sie auseinanderbrachte. Doch Winfried Behlau vermutet: „Solche Trennungen geschahen oft durch Versetzung des Soldaten.“ Auch Sergeij berichtet, dass der Großvater in die Heimat zurückgekehrt ist. Er schreibt: „Es war ihnen nicht bestimmt, dass ihr Glück wahr werden konnte. Beide litten.“ In seiner Familie gibt es Fotos von Christina und Valetina, die den Kosenamen Valja trug. Zudem einen Brief, den Ivan im Januar 1950 von Christina bekam, die offenbar inzwischen in Görlitz lebte.
Verzweifelte Frau
Die junge Frau berichtet darin, wie verzweifelt und traurig sie ist, weil sich Iwan lange nicht gemeldet hat: „...Was ist mit Dir los, bist Du krank oder hast Du uns vergessen?...Wie schön war es damals in Döbeln, nun sind es bald zwei Jahre her...“ Christina erzählt auch von ihrer gemeinsamen Tochter, von ihren strahlenden Augen zu Weihnachten. Nach diesem Brief verliert sich die Spur. Sergeij: „Aus unbekannten Gründen ist die Kommunikation und Korrespondenz abgebrochen. Der Großvater blieb in der UdSSR und Christina in Deutschland.“
Vielleicht gibt es Zeitzeugen
Heute, rund 70 Jahre nach diesen Ereignissen, möchten Sergeij und seine Mutter die Tante und Halbschwester Valentina finden und bitten um Hilfe bei der Suche. Winfried Behlau von den „Distelblüten“ hat bereits mit dem Döbelner Stadtarchiv Kontakt aufgenommen: „Wenn man Valentina im Geburtenregister finden könnte, wüsste man den Nachnamen und das Geburtsdatum der Mutter. Die weitere Suche wäre leichter.“ Vielleicht gibt es aber auch noch Zeitzeugen in Döbeln und Umgebung, die sich an Christina, ihre Tochter Valentina und den Rotarmisten Ivan Pawlowitsch erinnern. Sergeij und seiner Mutter würde das viel bedeuten: „Wir wären sehr glücklich, die Verwandten zu finden. Vielleicht suchen sie auch uns!“
Der DAZ-Redaktion liegen der Brief von Christina an Ivan vor und Fotos, die den damaligen Sowjetsoldaten, Christina, die Tochter Valentina und die in Russland lebende Halbschwester Lyudmila Iwanowna zeigen. Zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte veröffentlichen wir die Fotos von Christina und Valentina nicht. Wer denkt, einen Baustein zum Finden der Beiden beitragen zu können, kann die Fotos in der DAZ-Redaktion am Döbelner Obermarkt 8 ansehen. Wer Informationen hat, kann sich per E-Mail an diese Zeitung oder an die „Distelgruppe“ wenden: doebeln.redaktion@lvz.de; winbehlau@web.de
Von Olaf Büchel