Türkische Heimat in Trümmern – Waldheimerin ruft Spendenaktion ins Leben
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/NS42ZOD7RFDXPEYI25TQ7ZSDFU.jpg)
Özlem Dogan von „Dogan's Döner“ in Waldheim sammelte Spenden für die Opfer der Erdbeben-Katastrophe.
© Quelle: Sven Bartsch
Waldheim. Özlem Dogan ist aufgewühlt. Immer wieder bricht ihre Stimme. Der Schock sitzt tief. Vor 32 Jahren kam die Kurdin nach Deutschland. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Waldheim, betreibt dort und in Geringswalde einen Döner-Imbiss. In diesen Tagen ist alles anders. Aus „Dogan’s Döner“ wurde in den letzten 24 Stunden eine Sammelstelle für Hilfsgüter. Säcke, Kisten, Tüten stapeln sich. Darin sind warme Sachen – Mützen, Jacken, Pullover. Für Kinder, für Erwachsene. Dazwischen Hygieneartikel wie Windeln. „Ich musste irgendwas tun“, sagt Özlem Dogan. „Ich kann doch nicht nur zuschauen.“
Seit sie sechs Jahre alt ist, lebt sie in Deutschland. Mit ihrer Heimat, der Türkei, fühlt sich noch immer verbunden. Jetzt sieht die 38-Jährige ihre Heimatstadt in Trümmern liegen: Şanlıurfa in der Südosttürkei. Zwei Millionen Menschen leben hier. Auch Özlem Dogan hat dort Familie. Cousinen, Cousins. Über 100 Menschen sind bei dem Erdbeben ums Leben gekommen. Auf der sonst so belebten Stadt mit ihrer langen Geschichte, der Religion und der vielen Kultur liegt ein Schleier. „Meine Schwiegereltern leben in der Region, ein bisschen ländlich. Wir besuchen sie oft“, sagt die 38-Jährige. Die Kinder lieben es, über die Felder zu huschen. Sie schnappen sich die Früchte direkt von den Bäumen. Die Söhne (sieben und zwölf Jahre alt), genauso wie ihre 14-jährige Tochter, sind in Deutschland geboren, in Waldheim zuhause. Sie besuchen die Schulen hier. Die Türkei aber, bleibt immer ein Stück Heimat für die Familie.
Kontakt ins Katastrophengebiet
Der Mann von Özlem Dogan arbeitet seit über 30 Jahren als Dönermann in Waldheim und Geringswalde. Sie selbst ist seit 17 Jahren in Waldheim, kam für die Liebe hierher, zu ihrem Mann. „Wir fühlen uns hier richtig zuhause“, sagt sie. „Meine Heimat ist Deutschland. Ich bin hier aufgewachsen, habe hier meine Ausbildung gemacht, meine Kinder sind hier geboren.“ Mit der Türkei aber wird sie sich immer verbunden fühlen. „Das Leben mit zwei Kulturen, das will ich auch für meine Kinder bewahren.“
Seit der Katastrophe telefoniert Özlem Dogan fast stündlich mit den Menschen vor Ort. „Ich höre, was da passiert. Die Menschen rufen nach Hilfe“, sagt sie, dann bricht ihre Stimme.
Tausende Gebäude stürzten ein
Mit einer Stärke von 7,7 bis 7,8 erschütterte ein Erdbeben am frühen Montagmorgen das Gebiet an der Grenze zwischen der Türkei und Syrien. Am Montagmittag folgte ein weiteres Beben der Stärke 7,5 in derselben Region. Tausende Gebäude stürzten ein. Temperaturen um den Gefrierpunkt machen den Überlebenden im Katastrophengebiet zusätzlich zu schaffen, viele haben kein Dach mehr über dem Kopf. Ganze Häuserzeilen in Urfa, Adiyaman, Hatay und Kahramanmaras sind wie wegradiert, ganze Dörfer dem Erdboden gleichgemacht worden. Rettungskräfte suchen weiterhin nach Überlebenden in den Trümmern. „Die Menschen sind in Notunterkünften. Sporthallen, Schulen, Kindergärten. Und sie haben nichts bei sich“, weiß Özlem Dogan.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/WS74BI7FWJGMJNEFOJ7DXILLIY.jpg)
Kistenweise Hilfsgüter wurden bei „Dogan’s Döner“ abgegeben. Darunter warme Kleidung und Hygieneartikel.
© Quelle: Sven Bartsch
„Ich musste etwas tun“, sagt sie. Sie ruft beim türkischen Konsulat in Berlin an. Zwei Stunden hängt sie in der Leitung, dann hat sie endlich jemanden am Hörer. Sie sagt, dass sie Spenden sammelt. Jacken, Mützen, Decken, Hygieneartikel. Wo sie es hinbringen könne? In Berlin teilt man ihr drei Stationen mit. Özlem Dogan besorgt einen Transporter. Die befreundete Familie Schmidt hat ihn ihr zur Verfügung gestellt. Innerhalb weniger Stunden ist der bis zum Rand voll. „Freunde, Familie und auch Kundschaft haben viel vorbeigebracht“, sagt die Waldheimerin. Sogar die Klassenkameraden ihrer Kinder kamen mit ihren Eltern, brachten Pullover, dicke Socken und andere warme Kleidung vorbei. Gemeinsam mit Freunden sortiert sie alles, was vorbei gebracht wird. Für Kinder, für Erwachsene. Auch die Familie Dogan selbst besorgt notwendige Dinge. Windeln beispielsweise. „Ich möchte ein Riesen-Dankeschön an alle Spender sagen. Es gibt viele gute Menschen hier.“
Lesen Sie auch
Am frühen Mittwochnachmittag macht sie sich gemeinsam mit ihrem Mann auf den Weg nach Berlin. Von dort gehen die Hilfsgüter mit Lkws, aber auch per Flugzeug ins Katastrophengebiet.
Özlem Dogan fühlt sich machtlos. All das Leid, das die Menschen in ihrer Heimat gerade erleben, schnürt ihr die Kehle zu. „Und ich kann nichts tun“, sagt sie. Dabei tut sie, was sie kann.