Delitzscher Altstadt: „Hier gibt es immer wieder Neues“
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Wohnen in Sichtweite der Stadtmauern und des Halleschen Turms in der Delitzscher Altstadt.
© Quelle: Heike Liesaus
Delitzsch. Malerische Winkel, Gassen, historische Häuser, verträumte Innenhöfe, Terrassen, das Schloss, die Kirche: Das Gebiet, das die Delitzscher Stadtmauern und der Wallgraben umschließen, hat wahrscheinlich die höchste Postkarten-Motiv-Dichte der Loberstadt aufzuweisen. Die LVZ-Serie „Unterwegs in ...“ geht diesmal jedoch der Frage nach: Wie lebt es sich in der Altstadt?
Eispause auf der Bank
Der wohl am meisten fotografierte Punkt in Delitzsch könnte das Schloss mit der Gartenanlage und seinen barocken Buchsbaum-Ornamenten sein. Nicht weit davon sind plaudernde Stimmen zu vernehmen. Vorm Haus mit der blauen Fassade steht eine Bank. Drei Nachbarn machen gemeinsam Eispause. "Ich bin erst seit fünf Jahren hier. Es war mir wichtig, dass auch das menschliche Umfeld stimmt", erzählt die Jüngste. "Nur der Lärm vom Freisitz der Bowlingbahn stört und die Geräusche der Autos auf dem Kopfsteinpflaster. Aber letztlich habe ich mich auch daran gewöhnt." Gudrun Kühn (84) indessen ist Mieterin der ersten Stunden. "Ich bin damals von Leipzig hierher in die Nähe der Kinder gezogen. Unsere Hausgemeinschaft war vom ersten Tag an gut. Aber damals war das Schloss noch unsaniert. Den Barockgarten gab es nicht. Da stand das alte Kita-Gebäude. Wenn mich mein Bruder besucht, sagt er: Hier ist immer etwas neu gemacht." Günter Lorenz, heute 67 Jahre zählend, war einst aus dem Norden der Arbeit wegen zugewandert. Er ist ebenfalls froh, dass die Nachbarn hier einfach so zusammenkommen.
Neubau in der Altstadt
Es ist beileibe nicht alles alt in der Altstadt. Im Gegenteil: Beim genauen Hinsehen fallen eine Menge Bauten auf, die so wie die Schlossstraße 23 und die Sparkassen-Filiale am Markt seit den 90er-Jahren entstanden sind. Und gerade wird eine der letzten Lücken an der Leipziger Straße/Ecke Ritterstraße geschlossen. Harald Wenske indessen malert an der Fassade seines Hauses, das schon an die 100 Jahre alt sein dürfte. Ein moderner Grauton bestimmt die Gesamterscheinung, die Fenstereinfassungen setzt er weiß ab. „Wenn, dann mache ich’s richtig. Schließlich bin ich vom Fach“, betont der Maurer, der sich für Um-, Ausbau und Abriss selbstständig gemacht hat. Er freut sich, dass er seine Immobilie einst noch für „10 000 Ost-Mark“ erwerben konnte. Heute ist sie das x-Fache wert. Und er kann sich auch handwerklich ausleben. „Außerdem habe ich hier meine Ruhe“, stellt er zum Wohnumfeld fest. Die Badergasse gehört zu einem der verschwiegensten Winkel.
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Harald Wenske malert die Fassade seines Hauses in der Badergasse.
© Quelle: Heike Liesaus
Leben mit Kita, Schulen und Verwaltung
In der Altstadt sitzt die Stadtverwaltung. Das Barockschloss beherbergt neben dem Museum die Musikschule im Barockschloss, auch die Sonnenschein-Kita ist in der Nachbarschaft. Mit der evangelischen Grundschule gibt es sogar eine Bildungsstätte für die jüngsten Schüler innerhalb der Stadtmauern. Jugendtreff und Kita sind da. Delitzscher, die schon sehr lange hier leben, wissen indessen, dass das Gebiet einst eine höhere Geschäftsdichte aufwies. Die Hauptstraße, die einst von der Eilenburger, durch die Breite Straße über den Marktplatz und durch die Hallesche Straße führte, wurde schon vor Jahrzehnten ausgelagert. Modedesignerin Franziska Bolte gehört mit ihrem "Bitter-süß" wiederum zu den jungen Ansiedlungen in der Ritterstraße. Gerade ist etwas los im Geschäft. Ferienspiele. Vier Kinder sind zur Nähstunde gekommen. "Wir machen Kissen", erklären sie und zeigen ihre Kreationen aus bunten Stoffen.
Holpriges Kopfsteinpflaster
Morgens ist Manuela Richter mit ihren drei Sprösslingen am Wallgraben unterwegs. Sie wohnt zwar außerhalb der Stadtmauern, aber der fünfjährige Sohn geht in die Sonnenschein-Kita am Schloss. "Alles schön, außer zum Peter-und-Paul-Stadtfest, da standen die Schausteller bei uns vor der Haustür. Wir konnten nicht mal mehr mit dem Kinderwagen raus. Nur durch den Nebeneingang. Aber ansonsten ist es perfekt: Kita, Schule – alles in der Nähe. Und wir gehen hier auch gern spazieren." Die große Tochter, acht Jahre jung, geht zur Diesterwegschule, erzählt die 37-Jährige. "Naja. Übers Kopfsteinpflaster geht's mit dem Kinderwagen nicht so gut. Aber den werden wir ja nicht für immer brauchen."
Von Heike Liesaus