„Wir sind hier alle Maschinen“: Ein Blick hinter die Kulissen der Tafel Delitzsch
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Hosam Alawashi, der ehrenamtliche Mitarbeiter der Delitzscher Tafel, packt Obst- und Gemüsekisten für die Tafelkunden.
© Quelle: Nicole Eyberger
Delitzsch. Noch ist die Eingangstüre zur Tafel in Delitzsch zu. Offen steht morgens um 9 Uhr nur die weiße Metalltüre am Hintereingang. Drei Tafelmitarbeiter und drei Freiwillige sind noch die einzigen, die die ehemalige Aldi-Filiale mit Leben füllen. Am Ende des Tages werden fast 150 Kunden durch die Halle marschiert sein.
Bis es soweit ist, hat das Tafelteam noch einiges zu tun und nur wenige Stunden Zeit. Zusätzliche Hände kann der Verein immer gebrauchen. Eine Festangestellte, zwei Minijobber, eine Kraft im Bundesfreiwilligendienst und ein paar Ehrenamtliche wuppen die Ausgaben in Delitzsch, Eilenburg, Laußig und Schkeuditz. „Du kannst gleich mal Hosam helfen. Er zeigt dir, was zu tun ist“, weist mich Teamleiterin Ramona Horber an, sobald ich mich für meinen Tag in der Tafelausgabe vor Ort bin.
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Arbeiten wie am Fließband
In Windeseile tauschen wir meinen Notizblock mit Gummihandschuhen und Hosam Alawashi winkt mich an einen Holztisch an der Wand im Flur. „Wir sortieren die Gemüsespenden“, erklärt mir der ehrenamtliche Helfer. „Tomaten zu Tomaten, Salat zu Salat.“ Etwa fünf Tomaten sind eine Portion, lerne ich. Drei Handvoll Pilze auch.
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Hosam Alawashi sortiert die Gemüsespenden.
© Quelle: Nicole Eyberger
In der Lagerhalle nebenan füllen Christian Meißner und Gisela Blüher die Regale auf. Mit Müllermilch, Joghurt, Brot und fertigem Nudelsalat in Plastikschalen. Jeder Handgriff sitzt. Wie viele Kilo Lebensmittel heute durch ihre Hände gehen, wissen die beiden Tafelmitarbeiter nicht.
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Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Tafel Delitzsch bestücken die Regale mit Lebensmitteln.
© Quelle: Nicole Eyberger
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Pause nur, wenn es passt
„Frühstück“, schallt es um 11 Uhr durch das Lager. Die Teamchefin läutet eine Pause ein. Es gibt Filterkaffee und Toast. „Wenn jetzt ein Transporter mit Spenden ankäme, könnten wir uns die Zeit zum Frühstücken nicht nehmen“, sagt sie. Aber der Kühlwagen ist noch unterwegs und für eine halbe Stunde genießen alle das gesellige Beisammensein. Zur Sicherheit liegt das Tafeltelefon mit auf dem Tisch im Pausenraum. Falls ein Spender anruft, ist die Teamleiterin zur Stelle.
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Teamchefin Ramona Horber empfängt die Kunden am Empfangstresen und klärt, wie viel Essen ihnen zugeordnet wird.
© Quelle: Nicole Eyberger
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Bald öffnet die Essensausgabe, draußen stehen einige Kunden schon Schlange. Als es gegen Mittag losgeht, setzt sich Teamleiterin Ramona Horber an den Empfangstisch. Dort klärt sie, welche Essensmenge den einzelnen Kunden zugeordnet werden. Eine 1 markiert die die Portionsgröße für eine Einzelperson, eine 2 steht für größere Haushalte. „Groß mit was drauf“, ruft Horber nach hinten, wenn Kinder im Haushalt mitversorgt werden. Dann soll in der Essenskiste etwas mehr von allem liegen. Und eine Süßigkeit.
Christian packt das Brot in die schwarzen Kisten und legt sie auf den Servierwagen. Gisela fährt damit die langen Regale entlang und packt die vorher einsortierten Produkte dazu. Nebenan stehe ich mit Hosam an einer Bierbank. Hier entstehen Obst- und Gemüseportionen. Obwohl es nie zwei gleiche Kisten gibt, ist immer von allem etwas dabei.
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Im Akkord packt das Tafelteam um Gisela Blüher (hier im Bild) die Lebensmittel in die Kisten für die Kunden.
© Quelle: Nicole Eyberger
„Die Not wächst und es kommen immer mehr Menschen“
„Eine Eins!“ Gisela und ich bringen jeweils eine fertige Kiste an den Ausgabetisch. „Noch eine Eins!“. Auf der anderen Seite der Ausgabe packen die Kunden ihre Lebensmittel in mitgebrachte Tüten und Einkaufstrolleys. Wer möchte, kann sich heute noch einen Strauß leicht verwelkter Blumen mitnehmen.
So gehen monatlich rund 25 Tonnen Lebensmittel über die Ausgabetische der Delitzscher Tafel. An insgesamt zweieinhalbtausend Bedürftige. „Es wird immer enger hier“, sagt die Vorstandsvorsitzende Jutta Faak. „Die Not wächst und es kommen immer mehr Menschen.“ Über die vergangenen zwei Jahre habe sich die Zahl ihrer Kunden verdoppelt.
„Wir sind hier alle Maschinen“, hat Ramona Horber am Morgen über ihr Team gesagt. Aber alle Mitglieder wissen, dass ihre Arbeit ankommt. „Sonst macht es ja niemand“, sagt eine Ehrenamtliche im Vorbeigehen, als ich frage, wieso sie sich den Stress in ihrer Freizeit antut. „Und weil es Spaß macht“, ruft Christian uns zu.
Gegen 14 Uhr wird es ruhiger. Die lange Schlange an der Ausgabestelle ist verschwunden. „Jetzt haben wir schon 130 Menschen versorgt“, sagt die Teamleiterin mit Blick auf die Liste auf dem Empfangstresen. Eine Stunde bleibt sie noch sitzen und die Tür zur Ausgabe geöffnet. „Der große Ansturm ist aber vorbei.“ Die ersten Tafelhelfer dürfen in den Feierabend gehen, mit ihnen auch ich. Die letzte Stunde schafft der harte Kern alleine.