Lässige Geheimnisse aus Paris im Tauchaer Schlosshof
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Die 18. Tauchaer Rocknacht am Freitagabend im Schlosshof: Auf der Bühne brilliert die Band Jesus Volt aus Paris.
© Quelle: Dirk Knofe
Taucha. Doppelte Spannung am Freitagabend im Schlosshof: Hält das Wetter und wie sind die Franzosen? Wochenlang hatte es nicht geregnet, doch kurz vor Beginn der 18. Tauchauer Rocknacht gab’s eine kräftige Husche. Die Landwirte und Kleingärtner begrüßten sie und wollten mehr, die Veranstalter vom Schlossverein und der künstlerische Leiter des kleinen Festivals, Ingo Paul, aber dachten: Muss das ausgerechnet heute sein? Dunkle Wolken zogen sich über dem Schlosshof zusammen.
Angekündigt war – neben The Last Deal aus Leipzig und Pauls gastgebenden Four Roses – die Formation Jesus Volt aus Paris. Die Franzosen sind wie die Four Roses viel in Deutschland unterwegs; manchmal haben sie gerade gespielt, wenn die Sachsen kommen, manchmal ist es andersrum. Paul hörte nur Gutes von den Kollegen, sah sich Mitschnitte im Internet an und deren Konzert im WDR-Rockpalast. Dann lernte er deren deutschen Tourmanager Willi Woigk aus Gotha kennen und machte die Sache klar.
Musikfreund aus Chicago ist auch wieder da
Woigk, ebenfalls Musiker bei Thüringens ältester Beat-Gruppe, den Polars, steht am Freitag im Publikum, mit ihm Four-Roses-Fans aus Berlin, Braunschweig und Frankfurt am Main. Sogar ein Musikfreund aus Chicago, der Verwandte in der Parthestadt hat und seine Besuche aller zwei Jahre so legt, dass er die Rocknacht erleben kann, ist gekommen. Er und alle anderen blicken auf die neue Bühne, von der herunter Frank Metz-Tonelli moderiert und mit seiner noch nicht einmal ein Jahr bestehenden Band The Last Deal den Auftakt übernimmt.
Das Publikum sitzt zu Beginn noch sicherheitshalber unter Überdachungen und Schirmen, tanzt in Regencapes und rückt langsam auf die Bühne zu. Tonelli, Michael „Massa“ Großwig & Co. bluesrocken mit lächelnden Gesichtern. Die sicht- und hörbare Freude übertragt sich, der Abstand zwischen Band und Menge wird von Lied zu Lied geringer.
„Wir finden, dass Musik das Beste ist, was wir machen können“, meint Tonelli und fragt in Richtung Getränkewagen nach einer Wodka-Cola. Die bekommt er direkt ans Mikrofon gebracht und kann weitersingen. Schließlich kündigt er die Franzosen an: „Jungs, haltet eure Mädels fest!“ Und Frontmann Lord Tracy lockt auf Englisch: „Hallo, meine lieben Freunde! Kommt näher, ich habe euch ein paar Geheimnisse zu erzählen.“ Dann lässt er die Mundharmonika aufheulen und ruft: „Seid ihr bereit für Rock’n’Roll, Brüder und Schwestern?“
„Bloß kein Wasser, das ist nicht gut fürs Gehirn“
Jesus Volt können auf mehr als 20 Jahre Erfahrung zurückblicken. Neugier und Freude sind groß, vor der Bühne wird der Platz knapp. Die Pariser verlieren kein Wort in ihrer Muttersprache und spielen starken Beckenschaukel-Rock’n’Roll. Lord Tracy bewegt sich fast noch lässiger als Tonelli, er schreit und zappelt und erweist sich auch zwischen den Liedern als guter Einheizer. Seine Truppe bringt den Soundtrack zu einer nächtlichen Taxifahrt durch die Stadt an der Seine, durchs Zentrum, sämtliche Arrondissements und Vorstädte, ab in die Hinterhofkellerlokale.
Die Pariser verbinden die Melancholie des Blues mit der Kraft des Hard Rock, klingen wunderbar schwer und gleichzeitig verspielt, könnten mit ihrem Repertoire mühelos als Bindeglied zwischen AC/DC und den Rolling Stones auftreten. Lord Tracys launigen Worten zufolge mixen sie Rammstein mit Michael Jackson. Das hat eine super Stimmung zufolge, einige tanzen wie der Leibhaftige, unzählige verspüren den Drang, den Auftritt von Jesus Volt in Bild und Ton festzuhalten.
Auch Lord Tracy ordert Getränkenachschub auf die Bühne, will aber bloß kein Wasser, das sei nicht gut fürs Gehirn. Es sei denn, es handle sich um schottisches Wasser, wie er mit Whisky-Stimme erklärt. Ingo Paul bringt das Gewünschte, die ganze Veranstaltung wirkt sympathisch privat.
Làzslò Balàzs überbrückt mit Bravour und (Selbst-)Ironie
Als publikumsfreundlich erweist sich der Einfall, Làzslò Balàzs die Umbaupausen musikalisch überbrücken zu lassen. Der Mann aus „Ungarn-Süd beziehungsweise Mockau-Nord“ (Zitat Tonelli) hält die Spannung und die Leute bei Laune. Jesus-Volt-Gitarrist Jacques Méhart-Baudot kniet vor ihm nieder, während der Einzelkämpfer den größten Hit seiner Landsleute von Omega spielt, „Gyöngyhajú lány“, hierzulande bekannt in Frank Schöbels Version „Schreib es mir in den Sand“ und als „White Dove“ von den Scorpions.
Schließlich betreten die umjubelten Hofherren, die Local Heroes von den Four Roses die Bühne. Jetzt gibt es Lange-Locken-Metal-Melodien mit Ausreißern in alle Richtungen: „Personal Jesus“ von Depeche Mode, „Ring of Fire“ von Johnny Cash oder als erstes Lied nach Mitternacht „Jede Stunde“ von Karat. Die kollektive Laune ist hell, der Himmel nachtschwarz, der Regen hat den Schlosshof verschont, wahrscheinlich aber auch ein paar Leute vom Besuch abgehalten. Die circa 500 Fans allerdings, die dagewesen sind, werden die 18. Tauchaer Rocknacht nicht vergessen.
Von Bastian Cramer