Tauchaer Helfer halten weiter Kontakt zu behinderter Albanerin
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Gemeinsam mit Flüchtlingssozialarbeiter Andreas Irmscher und Koordinatorin Amelie Hampel (2. u. 3. v.r .) beklagen Helfer in Tauchas Kleiderkammer die Abschiebung der von ihnen betreuten Albanerin. Lothar Trinks (r.) hatte die Patenschaft über die 29-jährige Behinderte übernommen und ist fassungslos über das Vorgehen der Behörden.
© Quelle: Foto: Olaf Barth
Taucha. Lothar Trinks ist um eine feste Stimme bemüht, was ihm hörbar schwer fällt. Seit Juni ist der 71-Jährige persönlicher Pate der abgeschobenen Albanerin: „Fllanxa ist uns ans Herz gewachsen. Wir hatten sie in den Garten eingeladen, haben sie in ihrem Rollstuhl zum Stadtfest und zu Konzerten mitgenommen. Sie hat Deutsch gelernt, sich integriert und im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch beim Stadtfest bei der Spielstraße mitgeholfen.“ Fast 20 Mitstreiter und Besucher hören bedrückt zu, als er am Dienstag in der Kleiderkammer von den jüngsten Kontakten mit der 29-Jährigen per WhatsApp oder Skype-Telefonat berichtet: „Ihr geht es nicht gut. Ich habe ihr Mut gemacht, gesagt, sei tapfer, wir sind in Gedanken bei dir. “
Über Klage noch nicht entschieden
Auch Flüchtlingssozialarbeiter Andreas Irmscher (37) von der Diakonie und Z-T-B-Koordinatorin Amelie Hampel (23) telefonierten mit der Albanerin, die als Kind beim Tritt auf eine Landmine beide Beine verlor, Gewalt von Männern erlitt und wegen ihrer Homosexualität von der Familie verstoßen wurde. Hampel: „Sie hat nur geweint, will nicht mehr essen und aufgeben.“ Irmscher: „Sie weiß nicht, wie es mit ihr weitergeht. Sie will nicht länger eingesperrt sein und würde sich am liebsten umbringen.“ Die Tauchaer wollen der Abgeschobenen wieder Lebensmut geben und dafür sorgen, dass sie ihre in der Wohnung zurückgebliebenen persönlichen Sachen erhält, darunter eine neue Prothese. Für die zweite war die Kostenübernahme noch ungeklärt. Ob die nun noch angefertigt wird, ist offen. Bei der Abschiebung wurden nur die alten, kaputten Prothesen mitgenommen.
Murra hätte bis Ende November freiwillig Deutschland verlassen müssen, Albanien gilt als sicheres Herkunftsland. Der Leipziger Rechtsanwalt Franz Schinkel (32) hatte im Sommer gegen den Asylbescheid des Bundesamtes für Asyl und Flüchtlinge (BAMF) geklagt, allerdings ohne aufschiebende Wirkung, sodass „der Verwaltungsakt ohne Gerichtsentscheid vollzogen wurde“. Nun will Schinkel Feststellungsklage zur Rechtmäßigkeit der Abschiebung erheben und sagt: „Die Behörde hätte aufgrund der Behinderung der Frau Ermessensspielraum gehabt und aus humanitären Gründen eine Duldung ihres Aufenthalts ermöglichen können.“ Ob der Rechtsweg nun in eine Rückholaktion münden könnte, darüber will Schinkel nicht spekulieren.
Atteste bestätigen Reiseunfähigkeit
Schockiert waren die Helfer vor allem über die Art und Weise der Abschiebung. „So eine behinderte Frau wird nachts aus dem Bett geholt, aber kriminelle Mehrfachtäter können hier bleiben. Die müssten weg“, schimpft Susanne Kübler. Sie will das Geschehen aber nicht an der Polizei fest machen. Vielmehr seien die behördlichen Entscheidungen das Problem. „Klar müssen Regeln eingehalten werden, aber es gibt auch einen Ermessensspielraum“, sagt die 72-Jährige. Trinks ergänzt: „Es lagen Atteste über ihre Reiseunfähigkeit vor, die den vorgeschriebenen Kriterien entsprechen.“
Für Irmscher sind Abschiebungen kein Neuland, doch den Umgang mit der Behinderten sei sehr „krass“: „Hier ist der Staat seiner besonderen Schutzpflicht nicht nachgekommen.“ Enttäuscht sei er, dass die Ausländerbehörde im Landratsamt nicht auf die Bitt-Schreiben der Z-T-B sowie des Tauchaer Bürgermeisters reagiert habe und dass die Ausländerbehörde in Chemnitz die Abschiebung trotz der offenen Anträge durchgezogen hat.
“Behandlung in Albanien möglich“
Nordsachsens kommissarische Ordnungs-Dezernentin Patricia Groth teilte auf LVZ-Nachfrage mit, dass das BAMF den Antrag der Albanerin auf Asyl sowie auf subsidären Schutz abgelehnt hatte, ebenso habe das Verwaltungsgericht Leipzig einen entsprechenden Antrag unanfechtbar abgelehnt. Laut BAMF, so Groth, ist eine psychiatrische Behandlung auch in Albanien möglich, eine Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung Murras drohe dort nicht. Und eine mögliche Suizidgefahr sei als weniger schwerwiegend zu werten, als die Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung.
Ein Antrag auf amtsärztliche Untersuchung hätte ebenso wie die Schreiben der T-T-B und des Bürgermeisters dem Amt erst am 4. Dezember vorgelegen, informierte Groth. Die Abschiebung sei ohne Absprache mit dem Landratsamt in der Nacht zum 6. Dezember erfolgt. Eine rechtzeitige Prüfung und Rückmeldung an die Absender der Schreiben sei deshalb nicht möglich gewesen.
Von Olaf Barth