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Naturschutz

Rehkitz-Rettung: Drohnenpiloten schützen Wildtiere in Nordsachsen

Ein gerettetes Rehkitz auf den Wiesen bei Schildau.

Ein gerettetes Rehkitz auf den Wiesen bei Schildau.

Nordsachsen. Wenn der Landwirt zum ersten Schnitt der Grünflächen ansetzt, besteht große Gefahr für den Nachwuchs des Rehwildes, aber auch für andere Wildtiere. Denn meist kommt der Nachwuchs im Mai oder Juni auf die Welt und wird zunächst abgelegt. Die jungen Rehkitze haben zu dieser Zeit noch keinen Fluchtreflex und sind den Mähwerken, die bis zu 15 Meter breit sein können, ausgeliefert.

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Deshalb ist es wichtig, dass Rehkitze vor der Mahd gesucht und aus der Wiese gebracht werden. Landwirte sind sogar gesetzlich verpflichtet, Flächen zuvor abzusuchen, um Tiere vor unnötigem Leid zu bewahren. „Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“, so heißt es im ersten Paragrafen des Tierschutzgesetzes. Wer nichts zum Schutz der Kitze tut, macht sich strafbar. Dann kann es zur Anzeige kommen, und es drohen mindestens hohe Geldstrafen.

Drohnenortung spricht sich rum

Johannes Göllnitz aus Schmannewitz im Einsatz mit seiner Drohne bei der Rehkitz-Rettung.

Johannes Göllnitz aus Schmannewitz im Einsatz mit seiner Drohne bei der Rehkitz-Rettung.

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Was für Landwirte eine notwendige Ernte ist, ist für frisch geborene Rehkitze, junge Feldhasen oder die Gelege seltener Wiesenvögel oftmals das Ende. Es ist nicht einmal ein Wettlauf mit dem Tod, denn die jungen Wildtiere flüchten noch nicht. Diese Jungtiere zu retten, haben sich Hobby-Jäger ehrenamtlich verschrieben, die in ihrer Freizeit in Nordsachsen mit eigenen Drohnen sozusagen als „Luftrettung“ agieren. Im vergangenen Jahr konnten so der Süptitzer Alexander Meyer 25 Kitze und der Oschatzer Johannes Göllnitz gar 53 mit ihren Helfern retten. Zwei Männer, die sich als Jäger in der Verantwortung sehen, der Natur zu nutzen und nicht zu schaden. So begründen sie ihr Engagement.

„Landwirte rufen uns einfach kurzfristig an, ob wir mit unserer Drohne vor der Mahd die Wiese oder das Feld mit dem Futterroggen absuchen könnten. Es hat sich schon herumgesprochen, dass wir das machen“, erzählt Alexander Meyer. Durch seinen Schwiegervater kam der Süptitzer zur Jagd, schloss sich dem Jagdverband an und erwarb 2019 den Jagdschein. Für ihn wie für andere Jäger bedeutet dieses Hobby zugleich auch Engagement für den Natur- und Tierschutz. Vor allem junge Jäger in den Jagdverbänden wie Torgau und Oschatz nutzen das und setzen dabei auch auf moderne Technik wie Drohnen.

Naturschutz als Herzenssache

Alexander Meyer wird bei seinem Einsatz zur Rettung der Rehkitze oft von seiner siebenjährigen Tochter begleitet. Sie ist inzwischen eine kleine Expertin.

Alexander Meyer wird bei seinem Einsatz zur Rettung der Rehkitze oft von seiner siebenjährigen Tochter begleitet. Sie ist inzwischen eine kleine Expertin.

„Die Idee entstand einfach in der Jägerschaft. Wir suchten dann eine Drohne mit geeigneter Wärmebildtechnik und schafften sie uns privat an“, blickt der 31-Jährige zurück. Doch die einige Tausend Euro teure Technik gleich einzusetzen, war nicht möglich. Dafür wird ein Drohnenführerschein benötigt. Den kann man online ablegen. Er hat dann für fünf Jahre Gültigkeit. Voraussetzung ist zudem, dass eine Drohnenhaftpflichtversicherung abgeschlossen wird.

Und dann heißt es erst einmal üben, mit Fingerspitzengefühl die Steuerung bedienen. Die Drohne muss so gelenkt werden, dass auf dem nicht gerade großen Monitor die von der Wärmebildkamera erfassten Tiere sichtbar werden. Das ist inzwischen bei unzähligen Einsätzen Routine. Optimal für die Suche ist eine Flughöhe von zehn bis zwanzig Metern. Nicht immer werden Tiere gefunden.

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Kinder als Helfer der Drohnenpiloten

Den „Rettungsauftrag“ erhalten die engagierten Jäger meist von Landwirten per Telefon und kurzfristig, sodass sie am Abend vor der Mahd meist im Einsatz sind. Jeder Drohnenpilot sucht sich dann Helfer. „Wir sind mindestens zu zweit unterwegs. Ich dirigiere über Funk zu den Tieren“, berichtet der 31-Jährige. Mit Handschuhen, mit Grasbüschel ausgelegten Körben geht es dann zu den Kitzen. Sie werden eingesetzt und an den Feld- oder Wiesenrand abtransportiert, wo sie in Sicherheit sind und später von der Mutter wieder gefunden werden. Oft ist auch Alexander Meyers Tochter dabei und hilft. Auch kleine Hasen oder die Gelege von Wildvögeln wurden schon gerettet.

Alexander Meyer und seine Mitstreiter sind meist im Altkreis Torgau, aber auch im benachbarten Landkreis ehrenamtlich unterwegs. Ehrenamtlich, betonen sie. Warum? „Weil es inzwischen jede Menge Leute gibt, die daraus ein riesiges Geschäft zu machen versuchen“, erklärt der Süptitzer. Pro Hektar Fläche gebe es inzwischen Preise für die Suche per Drohne von bis zu 80 Euro. Seiner Stimme ist anzumerken, wie sehr ihn ärgert, mit Naturschutz ein Geschäft zu machen. Naturschutz gehe doch jeden an. Das sehen übrigens alle anderen Drohnenpiloten in den regionalen Jagdverbänden ebenso. Sie freuen sich allerdings, wenn hilfesuchende Landwirte ihnen ein paar Euro für den Sprit zum Einsatzort spendieren.

Leidenschaft und Berufung eines Schmannewitzers

Das sieht auch Johannes Göllnitz aus Oschatz so. Mehr noch, der gebürtige Schmannewitzer ist schon als Kind mit seinem Vater im Wald, auf der Jagd gewesen. Früh, mit knapp 16 Jahren hat er schon seinen Jugendjagdschein abgelegt, sich für die Hege und Pflege des Waldes in und um seinen Heimatort engagiert. Daraus erwuchs bei ihm auch der Wunsch, Förster zu werden. Doch auch in seiner Freizeit ist er für den Natur- und Tierschutz und als Jäger ehrenamtlich aktiv – in diesen Wochen besonders viel in Sachen Wildtierrettung mit der Drohne.

Das Einsatzgebiet des 26-Jährigen und seiner Helfer ist dabei nicht auf das Gebiet der Dahlener Heide und des Wermsdorfer Waldes begrenzt. Johannes Göllnitz war auch schon für Landwirte in der Eilenburger Region aktiv. „Vor jeder Mahd sollte eine Wiese abgesucht werden. Auch wenn gesagt wird, da war noch nie ein Kitz drin – oft ist es anders“, so der 26-Jährige aus Erfahrung. Es ärgert ihn auch, wenn Hundebesitzer jetzt mit nicht angeleinten Tieren in der Natur unterwegs sind. „Gerade in den Monaten Mai bis Juni, wenn die Kitze geboren und abgelegt werden. Denn der Jagdtrieb steckt in jedem Hund drin. Das sollte man bedenken.“

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Johannes Göllnitz legt zudem jedem Spaziergänger ans Herz, Kitzen nicht zu nahe zu kommen und sie dort zu lassen, wo sie sind. Das hat mehrere Gründe. Sie können in den ersten Wochen nicht flüchten. Zudem können sie oder das Gelege den Geruch des Menschen aufnehmen. Für die Mütter ein Grund, es nicht zu finden oder sich nicht weiter darum zu kümmern. Selbst Parfüm, Deosprayduft oder parfümiertes Duschgel des Menschen können diese Wirkung haben.

Übrigens, die Drohnen können auch noch auf anderen Gebieten für die Jäger nützlich sein. Etwa, um Wildschäden auf landwirtschaftlichen Flächen zu ermitteln. Auch bei der Suche nach angeschossenen oder bei Unfällen verletzten und geflüchteten Tieren leisten sie gute Dienste.

Rehkitze , die auf Wiesen nahe Schildau gerettet wurden.

Rehkitze , die auf Wiesen nahe Schildau gerettet wurden.

Was ist bei der Rehkitzrettung zu beachten?

  • Wer Rehkitze retten möchte, sollte:
  • Ausreichend Grasbüschel vorbereiten, um direkten Kontakt mit dem Kitz zu vermeiden, möglichst auch Handschuhe tragen. Das Jungtier darf keine menschliche Witterung aufnehmen, um im Anschluss von der Ricke wiedergefunden zu werden.
  • Frisch duschen, kein Deo oder Parfüm verwenden
  • Ausreichend Rettungskörbe bereitstellen, um die Rehkitze zu sichern

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