50 Jahre Maus: Ralph Caspers lernt in der Sendung immer selbst dazu
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Ralph Caspers.
© Quelle: Johannes Haas
Herr Caspers, Sie sind seit 1999 Maus-Moderator. Was schätzen Sie an der „Sendung mit der Maus“?
Ich hatte früher eigentlich von nichts Ahnung und dadurch, dass ich für die „Sendung mit der Maus“ arbeiten kann, weiß ich auf einmal sehr viel über sehr viele Dinge. Das finde ich toll. Ich lerne selbst sehr viel dabei.
Sie sind seit mehr als 20 Jahren bei der Maus dabei. In dieser Zeit ist viel passiert, und es hat sich viel verändert. Ändern sich auch die Fragen der Kinder?
Ja und nein. Natürlich werden immer noch Standardfragen gestellt wie: Warum ist der Himmel blau? Und die gab’s auch schon vor 50 Jahren. Aber es kommen immer neue Fragen dazu, die mit dem jeweiligen Leben der Kinder zusammenhängen. Vor 50 oder 30 Jahren gab es zum Beispiel noch keine Kinder mit Handys. Kinder beobachten immer sehr aufmerksam, was um sie herum passiert. Und wenn sie etwas nicht verstehen oder etwas Neues erfahren möchten, dann fragen sie das halt. Insofern ändern sich die Fragen ständig, und das wird auch in Zukunft so bleiben.
Wie halten Sie Kontakt zu Kindern, wie kommen deren Fragen zu Ihnen?
Wenn ich zum Beispiel auf Lesereise bin, bekomme ich regelmäßig Briefe, Zettel und Zeichnungen mit allem Möglichen zugesteckt: mit Bildern vom Elefanten und der Maus, oder mit Porträts von Clarissa (Corrêa da Silva, die gemeinsam mit Ralph Caspers die Sendung „Wissen macht Ah!“ moderiert und auch zum Maus-Team gehört, d. Red.) und mir oder dem „Wissen macht Ah!“-Logo. Und da sind auch immer jede Menge Fragen dabei. Aber es gibt auch andere Wege, auf denen mich Fragen erreichen, etwa über Twitter oder den Instagram-Account der Maus. Da wird jeder Kanal genutzt, um eine Frage an die Maus zu stellen.
Was machen Sie dann mit den Fragen?
Diese ganzen Zettel gebe ich weiter an die Redaktion, dort werden sie dann gesammelt. Es ist wichtig, dass alle Fragen an einem Ort zusammenkommen, damit wir den Überblick behalten. Die Redaktion beim WDR entscheidet dann, aus welchen Fragen wir eine Sachgeschichte entwickeln.
Sind Sie und Armin Maiwald und Christoph Biemann und die anderen Moderatorinnen und Moderatoren in diesen Redaktionssitzungen dabei? Oder wie läuft das mit der Themenfindung?
Das ist unterschiedlich. Wir sitzen nicht zusammen in der Redaktion. Wir Moderatorinnen und Moderatoren machen unsere Arbeit mehr oder weniger immer zusammen mit unserem Produktionsteam. Auch wenn es manchmal Überschneidungen gibt, dreht in der Regel jeder seine Filme für sich.
Wie kommen dann die Themen zu Ihnen?
Es kann sein, dass in der Redaktion viele Fragen zu einem Thema auflaufen und man dann gefragt wird: Hast du nicht Lust, das Thema zu machen? Aber es gibt auch einen anderen Weg: Wir gehen ja alle auch mit offenen Augen durch die Welt, und wenn uns etwas auffällt, schlagen wir das als Thema vor. Die Redaktion schaut dann, ob wir das Thema vielleicht schon mal in den Sendung hatten, und wenn nicht, ob es gerade passt oder vielleicht doch eher später. Es ist jedenfalls keine Einbahnstraße zwischen der Redaktion und uns Moderatorinnen und Moderatoren. Es geht hin und her.
„Im Alter von fünf Jahren fand ich die Sachgeschichten langweilig“
Das Publikum der „Sendung mit der Maus“ setzt sich aus Kindern ganz unterschiedlicher Altersgruppen zusammen: Fünfjährige schauen genauso wie 13-Jährige. In der Kindheitsentwicklung sind das ja Welten. Wie findet man da die richtige Balance, um eine Sendung für alle Kinder zu machen?
Ich da habe immer das Motto: Mut zur Lücke. Die „Sendung mit der Maus“ ist ja eine bunte Sendung. Als ich sie im Alter von fünf Jahren geguckt habe, fand ich die Sachgeschichten sehr langweilig. Für mich waren die kleinen Maus-Filme und andere Zeichentrickfilme das Highlight. Aber wenn man etwas älter wird, ändern sich die Interessen. Ich fand später die Zeichentricksachen zwar immer noch ganz nett, aber die Filme, in denen etwas erklärt wird, viel spannender. Ich glaube, man muss sich etwas davon lösen, dass eine Sendung immer allen gefallen muss. Das wird nie funktionieren. Stattdessen muss man versuchen, ein möglichst vielfältiges Programm anzubieten. Und das funktioniert bei der Maus total gut.
Was ist das Wichtigste, wenn man Kindern die Welt erklären will?
Erstens muss man ehrlich sein. Zweitens müssen Sie das Thema einfach verpacken und in einfachen Sätzen erklären, damit die Kinder alles gut nachvollziehen können. Und ich finde es wichtig, dass man nicht irgendwelche Metaebenen aufmacht, sondern genau das erklärt, was im Bild passiert – und nicht mehr.
Warum ist das wichtig?
Wenn man sich mit Kindern unterhält, merkt man, die stellen immer ganz konkrete Fragen. Sie wollen genau diese Frage beantwortet haben. Mehr wollen sie in dem Moment gar nicht wissen. Wenn sie anschließend noch etwas interessiert, fragen sie einfach weiter. Das heißt, man sollte nur die Antwort auf die gestellte Frage geben. Und wenn dann noch etwas kommt, gibt man die Antwort auf diese Frage. Und wenn dann noch was kommt, und so weiter. Es funktioniert eigentlich am besten, wenn man die Kinder nicht mit seinem Wissen überfrachtet, sondern einfach bei der jeweiligen Frage bleibt und die beantwortet.
„Wenn ich eine Antwort nicht weiß, dann frage ich nach“
Warum fällt es uns als Erwachsene so schwer zuzugeben, dass wir etwas nicht wissen?
Ich glaube, es ist hauptsächlich die Angst davor, für dumm gehalten zu werden, wenn man eine Antwort nicht weiß. Was natürlich total bescheuert ist. Aber ich fürchte, das wird uns so beigebracht. In der Schule wird es ja mit schlechten Noten bestraft, wenn man etwas nicht weiß oder wenn man etwas falsch gemacht hat. Und das merkt man sich über die zwölf oder 13 Jahre, in denen man zur Schule geht. Das ist so in einem verankert, dass man auf keinen Fall etwas Falsches sagen will. Dann sagt man lieber gar nichts und gibt auch nicht zu, wenn man etwas nicht weißt. Dabei macht es uns Menschen doch aus, dass wir uns auf Antwortsuche begeben und versuchen, uns alles Mögliche zu erklären.
Dabei würde doch die Suche nach der richtigen Antwort wahrscheinlich mehr ergeben, als wenn man sich da etwas zusammenlügt.
Natürlich. Ich stehe auf dem Standpunkt, wenn ich eine Antwort nicht weiß, dann frage ich nach. Ich werde lieber für einen kurzen Moment für dumm gehalten, als bis zum Ende meiner Tage dumm zu bleiben. Und für die Sendung gilt: Wenn Experten in einer Sprache sprechen, die wie Deutsch klingt, aber ich sie trotzdem nicht verstehe, dann muss ich hartnäckig bleiben und weiterfragen, auch wenn es alle nervt. Aber am Ende ist es in der Regel für alle von Vorteil.
Wer hat Ihnen als Kind Sachen erklärt?
Meine Eltern hauptsächlich. Und wenn sie was nicht wussten, haben sie es nachgeschlagen. Aber ich habe auch die Maus geschaut, und da ist bestimmt auch einiges hängen geblieben.
Wie wird man eigentlich Maus-Moderator? Haben Sie einen Tipp für Kinder, die das gern machen wollen?
Gute Frage, bei mir war es ja Zufall. Vielleicht ist das der beste Tipp: dass man einfach die Augen offen hält und schaut, was sich so ergibt. Viele haben ja ein Ziel und versuchen, so zielstrebig wie möglich darauf hinzuarbeiten. Und entwickeln dabei so einen Tunnelblick. Sie sehen nur noch das Ziel und gar nicht mehr, was sich so links und rechts vom Weg abspielt. Aber das ist manchmal das Spannendste. Und dann muss man flexibel darauf reagieren können, falls sich jenseits des Ursprungsziels doch etwas anderes ergibt.
Ralph Caspers ist für die Maus in Ohnmacht gefallen
Was ist Ihre schönste Anekdote aus Ihrer Maus-Zeit?
Was sehr einzigartig war, ist, dass ich mal für die Maus absichtlich in Ohnmacht gefallen bin. Aber so richtig in Ohnmacht.
Wie kam das?
Wir haben eine Sachgeschichte über die Frage gedreht, warum Astronauten wie Alexander Gerst aus der Raumkapsel getragen werden, wenn sie wieder auf der Erde gelandet sind. Warum gehen die nicht selbst? Das sind doch große erwachsene Menschen. Dann waren wir beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln und haben darüber eine Sachgeschichte gedreht.
Und warum sind Sie ohnmächtig geworden?
Es gibt Langzeitstudien, in denen erforscht wird, was im Körper passiert, wenn er lange Zeit in der Schwerelosigkeit war und dann nach der Landung wieder der Schwerkraft ausgesetzt wird. Diese Studien haben das Ziel, die Astronauten zu unterstützen, dass sie wohlbehalten wieder zur Erde zurückkommen. Diese Langzeitstudie dauert eigentlich drei Monate, ich habe sie verkürzt in zwei Stunden gemacht.
Und wie?
Ich lag zwei Stunden lang mit sechs Grad Neigung auf einem Bett und durfte den Kopf nicht anheben. Meine Beine waren also höher als mein Kopf. So sind alle Körperflüssigkeiten, all das Blut in meinen Kopf geflossen. Das ist genau wie in der Schwerelosigkeit – auch da wandern alle Flüssigkeiten in Richtung Kopf. Deswegen sehen die ganzen Astronautinnen und Astronauten auf der ISS auch immer so aufgequollen aus.
Was passierte dann?
Nach den zwei Stunden wurde ich auf ein anderes Bett gelegt. Dieses Bett war ganz besonders, es ließ sich nämlich aufstellen. Ich wurde also ganz langsam in die Senkrechte gefahren. Zusätzlich bekam ich eine Saugglocke um die Beine, mit der Luft rausgepumpt wurde, so dass das Blut noch schneller nach unten sackte. Ich war dann so lange in der Senkrechten, bis ich das Bewusstsein verlor, alles unter ärztlicher Aufsicht natürlich. So wurde simuliert, dass ich nach langer Zeit in der Schwerelosigkeit wieder der Schwerkraft ausgesetzt bin.
Wie fühlt man sich da? Wird einem da schlecht?
Nö. Das war alles gut. Aber es war halt einzigartig, weil ich sonst sehr selten mein Bewusstsein verliere.
Zum Geburtstag blickt Caspers als Einziger in die Vergangenheit
Zum 50. Geburtstag der Maus wird es am 6. März eine Zukunftsausgabe geben. Was machen Sie da?
Ich bin der Einzige, der aus der Reihe fällt. Ich schaue in die Vergangenheit.
Und wie weit?
Ich schaue sehr weit in die Vergangenheit der Maus und stelle fest, dass die Maus schon viel viel älter ist als 50 Jahre.
Da kann man gespannt sein. Verraten Sie noch mehr?
Nein. Aber ich denke, es wird sehr lustig.