Ben Stiller: „Die Pandemie hat dazu geführt, dass wir wieder mehr auf unser Leben schauen“
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Ben Stiller hat Regie bei der Serie geführt.
© Quelle: picture alliance/AP Photo
Ben Stiller konnte wohl kaum anders, als komisch zu werden. „Vorbelastet“ durch seine Eltern, Jeremy Stiller und Anne Meara, die über Jahrzehnte als Komikerduo aktiv waren, spielte sich Stiller mit Auftritten in Komödien wie „Meine Braut, ihr Vater und ich“ oder „Nachts im Museum“ in die Topliga seiner Zunft. Weniger bekannt ist, dass der 56-Jährige in Hollywood auch als Regisseur und Produzent schon Zeichen setzen konnte (u. a. „Reality Bites“, „Tropic Thunder“).
„Severance“ ist Stillers zweiten Dramaserie in Folge. Die Dystopie handelt von einer Prozedur, bei der die Erinnerungen von Mitarbeitern zwischen Arbeits- und Privatleben chirurgisch getrennt werden. Die Serie mit Adam Scott wurde von Kafka inspiriert und startet am Freitag bei Apple TV+.
Ich falle gleich mit der Tür ins Haus: Ist das labyrinthartige Lumon-Building der wahre Star von „Severance“?
Ich würde nicht gleich von „der wahre Star“ sprechen, aber es steht außer Frage, dass dem Lumon-Building mit seinem außergewöhnlichen Design eine ganz zentrale Bedeutung zukommt. Dieses Gebäude war im Übrigen auch die erste Location, nach der wir gesucht haben.
Welche Funktion hatte dieses Gebäude bisher?
Das Gebäude liegt mitten im Grünen in New Jersey und hat eine interessante Geschichte. Es wurde zwischen 1959 und 1962 von dem Architekten Eero Saarinen für den Telekommunikationsriesen Bell Systems geplant und von einer Architekturzeitschrift ob der strikt gläsernen Fassade als größter Spiegel aller Zeiten bezeichnet. Dass es heute auch viele verwaiste Büros gibt, sorgt für die sehr eigenartige, sterile Atmosphäre. Wir haben lange nach einer solchen Location gesucht, und dieses Gebäude bildet die Basis für „Severance“.
Während Design und Infrastruktur des Gebäudes als Handlungszeit die späten Siebzigerjahre vermuten lassen, entdeckt man in der Serie andererseits Smartphones. Wie erklärt sich dieser Widerspruch?
Offensichtlich haben Sie ziemlich genau hingeschaut. Das mag ich. Und ja, es war unsere Absicht, dem Zuschauer eine Welt zu präsentieren, die zeitlich nicht zu verorten ist. Er soll sich Fragen stellen, sich mit dem unbekannten Wann und Wo auseinandersetzen, um dann vielleicht die zugrundeliegende Logik zu entdecken. Während uns die Außenwelt ganz normal erscheint, verstehen wir die Lumon-Welt nicht, zum Beispiel, weil die Digitalisierung fehlt. Ich kann aber versprechen, dass sich der Nebel im Laufe der Serie lichten wird.
In der Serie geht es um das Finden der richtigen Work-Life-Balance. Bei diesem Thema ist heute oft von Homeoffice die Rede. Dieser ursprüngliche Notnagel in der Pandemie gilt manch einem jetzt als die Lösung …
Die Pandemie hat dazu geführt, dass wir wieder mehr auf unser Leben schauen. Wir stellen uns Fragen wie „Will ich das, was ich hier mache, wirklich über viele Jahre tun?“, oder „Wenn ich so unglücklich bin, warum habe ich nicht den Mut, etwas zu ändern?“ sowie „Wenn ich den Mut finde, wie kann ich etwas ändern?“ Ich bin überzeugt, dass sich diese Fragen heute immer mehr Menschen stellen.
Herr Stiller, Ihr Vater Jeremy hat als Arthur Spooner in „King of Queens“ auf unnachahmliche Weise gezeigt, wie man all diesem Wahnsinn der Welt selbst im fortgeschrittenen Alter mit beinahe kindlicher Anarchie den Schrecken nehmen kann. Eine Work-Life-Balance der ganz eigenen Art. Sollten Sie ihn eines Tages im Jenseits wiedersehen, würden Sie ihm wohl ausrichten, dass ich stets versuchen werde, diesem Vorbild gerecht zu werden.
Das weiß ich sehr zu schätzen, und ich bin sicher, dass er das ebenso empfinden würde. Selbstverständlich werde ich ihm das bei Gelegenheit sehr gerne ausrichten. Allerdings habe ich eine klitzekleine Bitte: Wenn es für Sie okay ist, würde ich damit gerne noch ein paar Jährchen warten.