„Cruella“ bei Disney+: Ein Feuerwerk der Kostüme mit feministischem Glamour
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Man trägt wieder Hund: Emma Stone kann als Cruella de Vil Hunden nicht aufs Fell gucken – außer, es wurde ein Mantel daraus.
© Quelle: picture alliance / Everett Collection
Wahrhaft arglistige Frauen sind auf dem Bildschirm wie im Leben noch immer weitaus seltener als wahrhaft arglistige Männer. Seit der bösen Hexe des Westens im „Zauberer von Oz“ ist die Emanzipation zwar auch auf diesem Feld fiktionaler Gleichberechtigung ein Stück vorangekommen. Doch trotz Cersei Lennister („Game of Thrones“), Xenia Onatopp (James Bond), Dolores Umbridge (Harry Potter) bleibt die Superschurkin schlechthin ein Ausnahmefall: Cruella.
Viermal durften wir der Prototypin der galligen Hunde- und Menschenfeindin mit Stil bereits dabei zusehen, wie sie 101 Dalmatiner häuten wollte. Nun zeigt Disney+, wie „Cruella“ zu jenem Teufel im Pelz wurde, der die Massen gleichsam fesselt und ekelt. Mitte der Sechziger ist Cruella de Vil noch ein skurriles Mädchen mit schwarz-weißem Haar, das mit ihrer alleinerziehenden Mutter auf dem Land lebt – bis sie nach nur fünf Filmminuten infolge ständiger Streitereien von der Schule verwiesen wird.
Cruella ist traumatisiert und von Rache getrieben
Und damit schnurstracks in den Untergang. Auf dem Weg nach London nämlich macht Mama Samantha halt auf einer feudalen Modenschau, wo sich Estella mit den Dalmatinern der Schlossherrin anlegt, die ihre Mutter sodann in den Tod stürzen. Von Schuldgefühlen geplagt, entwickelt die Vollwaise also zwei Obsessionen: gegen schwarz-weiße Hunde, für schwarz-weiße Kleider. Bis daraus Mäntel und Macht werden, arbeitet sie sich allerdings erst mal vom Straßenkind zur Assistentin der Modezarin Baroness von Hellman hoch, die sich als Mörderin ihrer Mutter erweist. Das schreit nach Rache!
Kein allzu klassisches Disney-Motiv, schon gar nicht gepaart mit Mord und Totschlag. Die anschließende Schlacht geltungssüchtiger Rivalinnen hat allerdings auch andere Vorbilder als liebliche Fabeln mit Happy-End-Garantie. Dank der grandiosen Emma Thompson als einer Art Anna Wintour und der ähnlich fabelhaften Emma Stone als einer Art Andy Sachs erinnert das Realfilm-Prequel zum Zeichentrickklassiker eher an ein schrilles Remake von „Der Teufel trägt Prada“. Denn bevor Estella vom lateinischen Wort für „Stern“ endgültig zu Cruella vom englischen Wort für „grausam“ wird, liefern sie sich eine Haute-Couture-Schlacht auf dem Boulevard der Eitelkeiten.
Sie mit zwei Emmas zu besetzen mag aus amerikanischer Sicht Zufall sein. Aus deutscher verpasst Regisseur Craig Gillespie seinem Feuerwerk konfettibunter Kostüme und Kulissen der Siebzigerjahre dadurch feministischen Glamour. Und der spiegelt sich nicht nur in den Gesichtern männlicher Nebenfiguren wie Cruellas Handlangern Jasper (Joel Fry) und Horace (Paul Walter Hauser); er fügt dem zeitgemäß diversen Cast vom schwulen Modefreak (John McCrea) bis zur Schwarzen Klatschreporterin (Kirby Howell-Baptiste) auch Protagonistinnen von beispielloser Selbstermächtigung hinzu. Trotz allem Entertainment: Emanzipativer war das Haus der Maus selten.
„Cruella“, 130 Minuten, bei Disney+, Regie: Craig Gillespie mit Emma Stone und Emma Thompson (ab 28. Mai)