Deshalb lohnt sich der „Tatort“ aus Köln

Jemand zu Hause? Die Kommissare Freddy Schenk (/Dietmar Bär, r.) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) versuchen, hinter die Fassaden zu blicken.

Jemand zu Hause? Die Kommissare Freddy Schenk (/Dietmar Bär, r.) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) versuchen, hinter die Fassaden zu blicken.

Köln. Wer solche Nachbarn hat, der braucht gewiss keine Feinde: Das gab’s schon öfter im Sonntagskrimi, wenn auch selten so abgedreht wie in „Wendehammer“, der im Dezember 2016 lief, einem „Tatort“ aus Frankfurt. Als nun ein Mann tot von einer Brücke vor einen Lastwagen geworfen wird, bekommen es auch die Kölner Kommissare Ballauf und Schenk (Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär) mit einer schwierigen Nachbarschaft zu tun, in der jeder sein kleines schmutziges Geheimnis hat.

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Dass der Film ausgerechnet mit dem Ohrwurm „Happy“ von Pharrell Williams beginnt, ist der pure Hohn, denn happy ist in dieser Vorortsiedlung sicherlich niemand. Der Song wird noch zwei weitere Male erklingen, und jedes Mal sind die Abgründe, mit denen das Ermittlerduo konfrontiert wird, dann wieder etwas tiefer geworden.

Praktisch alle Nachbarn konnten sauer sein

Wie stets in solchen Geschichten entwirft das Drehbuch (Christoph Wortberg) ein Ensemble, das auf den ersten Blick einen ganz normalen Eindruck macht. Erst nach und nach stellt sich raus, dass praktisch alle Bewohner einen Grund hatten, mehr als bloß sauer auf den toten Holtkamp zu sein: Anne Möbius (Birge Schade) ist eine vom Gatten (Stephan Grossmann) vernachlässigte Strohwitwe, die beim Nachbarn Trost gefunden hatte, aber der wollte das Verhältnis offenbar beenden.

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Regelrecht Krieg herrschte dagegen mit Leo Voigt (Werner Wölbern); die beiden Männer haben sich gegenseitig mehrfach verklagt. Und auch das junge Ehepaar Scholten (Florian Panzner, Julia Brendler) hatte regelmäßig Ärger mit dem eigenbrötlerischen Holtkamp gehabt, der wiederum ein Auge auf Voigts schöne Stieftochter Sandra (Claudia Eisinger) geworfen hatte.

Die Dinge sind anders, als sie scheinen

Seine ganze Faszination offenbart der von Torsten C. Fischer mit großer Gelassenheit inszenierte Film beinahe erst in der Rückschau, wenn schließlich offenbart worden ist, in welchem Verhältnis die verschiedenen Beteiligten zueinanderstehen. Im Grunde erzählt die Zeitlupenstudie, mit der die Handlung beginnt, schon die ganze Geschichte; nur versteht man sie da noch nicht. Immer wieder zeigt die Kamera die Siedlung wie bei einer Fallstudie aus der Vogelperspektive.

Gerade die Beziehung zwischen den Familien Voigt und Scholten ist hochinteressant: Das junge Paar hat zwar nur ein Kind, aber Jens ist trotzdem zweifacher Vater; Sandra hat ebenfalls ein Kind von ihm. Allerdings zahlt Jens nicht etwa Unterhalt, sondern bekommt im Gegenteil Geld von Leo Voigt; ein früher Hinweis darauf, dass die Dinge im kleinen Kleinbürgeridyll anders sind, als sie scheinen.

Lügen, Halbwahrheiten und Überraschungen

Die Leistungen des Ensembles sind ausnahmslos sehenswert; gerade Birge Schade und Stephan Grossmann spielen ihre Eheszenen mit großer Überzeugungskraft. Noch weniger Dialog hat nur Claudia Eisinger, die ihre Sache gerade deshalb umso vorzüglicher macht: Sandra hat es einst nach dem Verschwinden ihrer Mutter richtiggehend die Sprache verschlagen; Psychologin Rosenberg (Juliane Köhler) spricht von einer dissoziativen Dysphonie. Offenbar hat die junge Frau kürzlich eine Retraumatisierung erlebt.

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Dass ihr Stiefvater verharmlosend von einer vorübergehenden Halsentzündung spricht, ist bei Weitem nicht die einzige Lüge in dieser an Halbwahrheiten, Märchen und immer wieder neuen überraschenden Offenbarungen reichen Geschichte.

Eher überflüssig ist allein der Versuch, auch Freddy Schenk mit einem Nachbarschaftsproblem zu konfrontieren: Er ärgert sich Nacht für Nacht über einen Papagei, der sich lautstark bemerkbar macht. Mit der eigentlichen Handlung hat das nicht viel zu tun, aber auf diese Weise kann Schenk angesichts der Klagen, die die Menschen aus der Siedlung vortragen, regelmäßig „Kenn’ ich“ brummeln.

"Tatort: Nachbarn" mit Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär, Sonntag, 20.15 Uhr in der ARD.

Von Tilmann P. Gangloff/dpa

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