Dritter Makatsch-„Tatort“: Der blinde Fleck in den Ermittlungen
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Martin Rascher (Sebastian Blomberg) und Ellen Berlinger (Heike Makatsch) im Einsatz in Mainz.
© Quelle: SWR/Bettina Müller
Das Bild ist schwarz. Ein paar weiße Flecken flackern zwischendurch über den Schirm. Ansonsten hört man nur Stimmen – und einen Schuss. „Zieh die Maske wieder auf“, sagt einer, leicht panisch. „Müssen wir die jetzt auch erschießen?“, fragt eine Frau. „Die ist blind, die kann uns nicht sehen“, so die harsche Antwort.
Es ist die Perspektive einer Blinden, die der Zuschauende im neuen Mainzer „Tatort: Blind Date“ (24. Oktober, 20.15 Uhr, ARD) einnimmt. Genauer gesagt: der einzigen, blinden Zeugin eines Überfalls auf eine Tankstelle, bei dem der Tankwart erschossen wird und 500 Euro aus der Kasse fehlen.
Blinde Zeugin will erst mal ein Bier
Als die Kommissarin Ellen Berlinger (Heike Makatsch) und ihr Kollege Martin Rascher (Sebastian Blomberg) an den Tatort kommen, sind die Täter längst geflohen. Und die blinde Jurastudentin Rosa (Henriette Nagel) will erst mal ein Bier, bevor sie sich befragen lässt. Als sie dann schildert, dass ein Geländemotorrad vor der Tankstelle stand – das strahle eine bestimmte Wärme aus, die sie gespürt habe – und dass eine Täterin Sneakers getragen habe – das habe sie gemerkt, als diese sie getreten habe –, zweifelt Rascher doch sehr an der Glaubwürdigkeit, und meint, dass sie sich „maßlos überschätzt“.
Gleichzeitig wird deutlich: Dieses Polizeiduo hat keine Ahnung, wie man mit einer blinden Zeugin umgeht. Auf die Frage, ob sie die Stimmen der Täter erkennen würde, kontert die Studentin nur: „Haben Sie Stimmen von möglichen Tätern, die Sie mir vorspielen können?“ Natürlich haben sie das nicht. Das übliche Vorgehen mit dem Zeigen von Fotos funktioniert in diesem Fall nicht. Dann lehnt die junge Frau, die wegen ihrer Behinderung noch bei ihren überfürsorglichen Eltern lebt, Polizeischutz auch noch strikt ab. Und das, obwohl sie die einzige Zeugin in dem Fall ist, von den Tätern eindeutig erkannt wurde und damit Gefahr läuft, das nächste Todesopfer in diesem Film zu werden.
Die Blinde trägt im dritten Fall von Heike Makatsch den Plot
Dass sie das erst mal nicht wird, ergibt sich dann aber recht schnell aus dem Spannungsbogen der von Ute Wieland inszenierten Krimigeschichte. Die Blinde trägt im dritten Fall von Heike Makatsch als Kommissarin Brelinger den Plot. So müssen die Ermittler lernen, neue Wege zu gehen. Und sich auf die Wahrnehmungen – Stimmen, Geräusche, Gerüche – der Studentin verlassen.
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Ellen Berlinger (Heike Makatsch) versucht gemeinsam mit ihrer Zeugin Rosa (Henriette Nagel) herauszufinden, welches Parfüm sie am Tatort gerochen hat.
© Quelle: SWR/Bettina Müller
Doch das wird ihnen auch dadurch schwierig gemacht, dass Rosa etwas zu verbergen scheint. Sie vermuten, dass die Studentin mehr weiß, als sie zugibt – und irgendeine Verbindung zu dem Täterduo hat, vielleicht sogar eine intime. Und während Berlinger und Rascher so vor sich hin ermitteln, kommt man dem Überfallspärchen, das man früh im Krimi kennenlernt, und besonders der blinden Zeugin näher.
Sehnsucht nach einem selbstbestimmten Leben
Das wird auch zur Stärke dieses „Tatorts“: Der Zuschauer oder die Zuschauerin sind nah dran an den Wünschen und Ängsten der blinden Zeugin; an ihrer Sehnsucht nach einem selbstbestimmten Leben, ohne ständig von ihrem Vater auf Schritt und Tritt verfolgt zu werden, und auch an ihren sexuellen Geheimnissen. Gleichzeitig blickt man hinter die Fassade dieses Täterduos, von dem einer oder eine den tödlichen Schuss abgefeuert hat. Dass auch Kommissarin Berlinger wieder privat einiges mit sich – und ihrem Kind – auszumachen hat, gerät da fast in den Hintergrund. Viel mehr begleitet man dieses ungewöhnliche Trio auf seinem Weg. Und der endet – ohne zu viel zu verraten – wieder an einer Tankstelle, wieder mit einem schwarzen Bild, mit ein paar flackernden weißen Flecken.