ESC-Vorentscheid: Das sind die Kandidaten
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Axel Maximilian feige, Helene Nissen, Isabella Lueen, Felicia Lu Kürbiß und Yosefin Buohler treten beim ESC-Vorentscheid an.
© Quelle: NDR/Sony Music/Walter Glöckle
Hannover. Das tut schon weh. Zweimal Letzter. Hintereinander. Eine Chronik des Schreckens. Schon ein vorletzter Platz für Deutschland beim Eurovision Song Contest 2017 wäre der größte Erfolg seit drei Jahren. Dazu das Xavier-Naidoo-Desaster. Die Blamage um den Rückzug von Andreas Kümmert. So ging das nicht mehr weiter, das haben sie selbst bei der ARD eingesehen, wo die Beharrungskräfte mitunter so stark sind, dass mancher Reformgedanke Jahre braucht oder gleich im Keim erstickt. Diesmal soll alles anders werden beim Vorentscheid "Unser Song 2017", der am Donnerstagabend in Köln und live in der ARD über die Bühne geht:
Maßnahme eins
Die Plattenfirmen sind entmachtet. Schluss damit, dass halbinteressierte Musikmultis einfach einen Schützling ihrer Wahl ins Rennen schicken, dem ein bisschen Rampensau-Training gut täte.
Maßnahme zwei
Keine Stars mehr, keine großen oder mittelgroßen Namen, keine Wildcard-Gewinner. Sondern fünf handverlesene, absolute Newcomer, ausgewählt aus 2000 Bewerbern, die das Zeug haben, das Publikum in nur einer Show um den Finger zu wickeln. Das ist musikalisches Speed-Casting. Zu kurz, um ein Momentum zu erzeugen? Nein, findet der ARD-Unterhaltungskoordinator und ESC-Beauftragte Thomas Schreiber: „Bei jeder Castingshow wissen Sie meist nach der ersten Runde, wer die Herzen auf sich vereinen kann.“ Letztes prominentes Beispiel: Lena Meyer-Landrut im Februar 2010 bei „Unser Star für Oslo“. Schreiber: „International haben wir seit 2002 die besten Ergebnisse mit den Siegern aus Castings und eigens für sie produzierten Liedern erzielt.“
Maßnahme drei
Die Komposition rückt in den Fokus. Schluss damit, dass ein gefälliger Kandidat einen harmlosen Radiosong darbietet, der sowieso gerade herumlag. Die Songs für den Vorentscheid 2017 wurden extra mit Blick auf internationale ESC-Tauglichkeit komponiert. Denn wie soll sich Europa in ein Lied verknallen, das nicht mal in der Heimat irgendwelche Emotionen auslöst? Die Norwegerin Marit Larsen („If A Song Could Get Me You“), der Amerikaner Tofer Brown und der in den USA lebende Brite Greg Holden haben den Song „Wildfire“ geschrieben. Die US-Songschreiber Lindy Robbins (die schon Jason Derulo, David Guetta und Olly Murs belieferte), Lindsey Ray (die für Mariah Carey und Demi Lovato schrieb) und ihr Grammy-gekürter Kollege Dave Bassett zeichnen für „Perfect Life“ verantwortlich. Einer der beiden Titel wird der deutsche Beitrag.
Maßnahme vier
Schluss mit dem Gejammer. Es stimmt eh keiner für Deutschland ab? Niemand hat uns lieb? Das ist falsch. Dann hätten Guildo Horn, Sürpriz, Stefan Raab, Michelle, Max Mutzke und Roman Lob in den letzten Jahren nicht die Top Ten erreicht und Lena 2010 nicht gewonnen. Deutschland müsste halt bloß mal einen Kandidaten schicken, der den Rest Europas interessiert. Der Ostblock macht die Sache eh unter sich aus? Das ist statistisch widerlegt. Kein ESC-Sieger der vergangenen Jahre verdankte seinen Triumph irgendwelchen multilateralen Bruderschaften.
Maßnahme fünf
Schluss mit dem deutschen Klein-Klein. Wichtig ist beim ESC, was Europa gefällt. Um dieses Bewusstsein zu stärken, streamt die ARD die Show mit englischem Livekommentar ins Internet und bittet die europäischen Zuschauer – via ESC-App – um ihre Bewertung. Dieses paneuropäische Stimmungsbarometer namens „Eurovision Vibes“ werden die Jurymitglieder Tim Bendzko, Lena Meyer-Landrut und Florian Silbereisen dann in der Show präsentieren. Und das sind die fünf Kandidaten für „Unser Song 2017“:
Fünf Kandidaten also – oder wie die Moderatorin Barbara Schöneberger sagt: „Fünf tolle Mädels, nur eines hat’n Bart.“ Sie werden begleitet von einer sechsköpfigen Liveband unter Leitung von Wolfgang Dalheimer (Heavytones) – die Produktionsfirma heißt schließlich Raab TV. Der TV-Frührentner und ESC-Retter selbst freilich wird nicht in Erscheinung treten.
Musikalische Gäste sind Ukraine-Siegerin Ruslana, Conchita Wurst – die Lenas Gewinnersong „Satellite“ singt –, Nicole mit „Merci Chérie“ von Udo Jürgens, Tim Bendzko und Matthias Schweighöfer – mit dem Titel „Superman und seine Frau“ aus seinem ersten Album „Lachen Weinen Tanzen“. Jetzt singt er auch noch.
Das Ziel der ARD für das ESC-Finale am 13. Mai in Kiew: eine Top-Ten-Platzierung. Das klingt nach dem jüngsten Doppeldebakel ziemlich selbstbewusst. Aber was soll's? Der SPD hatte zuletzt ja auch niemand ein Comeback zugetraut. Dann erhob sich Martin Schulz aus der Asche. Wunder gibt es immer wieder.
Von RND/Imre Grimm