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Gesundheitsbehörde wirbt ungefragt mit maiLab – und muss Video löschen

Mai Thi Nguyen-Kim erklärt auf Youtube verständlich Wissenschaftsthemen.

Mai Thi Nguyen-Kim erklärt auf Youtube verständlich Wissenschaftsthemen.

Berlin. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat eine Influencerkampagne gestartet, die hinter den Kulissen nun für mächtig Ärger sorgt. Auf der Website MachDichSchlau.tv und auf einem Instagram-Kanal wird mit Videos bekannter Youtuber über den Drogenkonsum aufgeklärt. Das Problem: Einige der Protagonisten, darunter die bekannte Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim (maiLab), wussten gar nicht, dass sie Teil der Kampagne sind. Das öffentlich-rechtliche Jugendnetzwerk Funk hat bereits die Löschung eines Videos durchgesetzt.

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Beworben wurde die Website am Mittwoch von der Bundesdrogenbeauftragten Daniela Ludwig auf Twitter. „Cannabisprävention auf Social Media geht in die 2. Runde!“, schrieb sie. „Gespräche um Cannabis werden meist sehr emotional geführt, oft kommen Fakten zu kurz. machdichschlau.tv zeigt von YouTuber:Innen recherchierte Inhalte“, so Ludwig weiter.

Die verlinkte Website wirkt wie eine Art Streamingdienst: In einer „Mediathek“ sind vier Videos bekannter Youtube-Formate verlinkt. Keines der Videos scheint explizit für die Kampagne produziert worden zu sein, alle sind schon länger frei auf Youtube oder Facebook verfügbar. Alle Videos befassen sich mit dem Cannabiskonsum.

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Nguyen-Kim weiß nichts von Kampagne

Mit dabei ist etwa der freie Journalist Hubertus Koch. Er klärt in seinem Video über seinen eigenen Cannabiskonsum auf. Alle anderen Videos auf der Seite jedoch stammen vom öffentlich-rechtlichen Jugendangebot Funk. Im Format „Auf Klo“ beispielsweise erzählt eine Drogenkonsumentin, „warum sie mit dem Kiffen aufhören musste“, im Video des Kanals Dr. Flojo geht es um Psychosen, die durch den Cannabiskonsum ausgelöst werden können.

Und auch die bekannte Wissenschaftsjournalistin und Youtuberin Mai Thi Nguyen-Kim, bekannt mit ihrem Funk-Kanal maiLab, hat für die Seite ein Video bereitgestellt – zumindest macht das den Anschein. Nguyen-Kim selbst hat von ihrer Beteiligung nämlich offenbar gar nichts gewusst.

„Gut, dass ich dank Twitter von dieser ‚Kollabo‘ erfahre“, kommentierte die 33-Jährige am Mittwoch unter dem Tweet von Daniela Ludwig. Die Bundesdrogenbeauftragte hatte in ihrem Post explizit mit einem Beitrag von maiLab geworben. Ein 21-minütiges Video, das Cannabis wissenschaftlich analysiert, ist auf der Website MachDichSchlau.tv eingebettet.

Instagram-Post wirbt mit maiLab als Testimonial

Auf dem Instagram-Kanal mach.dich.schlau.tipps wurde das Video ebenfalls gepostet, jedoch auf wenige Sekunden heruntergekürzt: Hier ist nur noch Nguyen-Kims humoristische Erklärung zu sehen, wie Cannabis auf den Körper wirkt. Beschrieben wird das Video mit den Worten: „Über #Cannabis hat ja so ziemlich jeder eine Meinung. Die YouTuberin Dr. Mai Thi Nguyen-Kim alias #mailab teilt lieber ihr Wissen.“

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Bei den Followern der Journalistin sorgt das für Verwirrung: „Warte, wurde dein Video komplett ohne Einverständnis benutzt?“, fragt beispielsweise ein Twitter-Nutzer. „Dürfen die das? Darf sich ein Ministerium einfach so am Material der Öffentlich-Rechtlichen bedienen?“, fragt ein anderer.

Andere diskutieren derweil das Urheberrecht: Auf der Website ist das maiLab-Video über den Facebook-Player von Funk eingebettet, demnach müsse die Journalistin auch nicht um Erlaubnis gefragt werden. Anders sehe das derweil auf Instagram aus: Hier wurde das maiLab-Video nicht eingebettet, sondern hochgeladen und sogar gekürzt, was ohne explizite Erlaubnis eine Urheberrechtsverletzung darstellen würde.

Behörde nutzte Videos ohne Erlaubnis

Das öffentlich-rechtliche Netzwerk Funk bestätigt auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND), dass die Bundesbehörde die Videos ohne Erlaubnis verwende. „Funk hat die auf der Kampagnenseite gezeigten Videos nicht bereitgestellt. Bezüglich der Programminhalte von mailLab hat die Behörde eine Medienkooperation bei der zuständigen Redaktion angefragt. Diese Anfrage wurde jedoch nicht beantwortet“, so ein Sprecher.

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Grundsätzlich sei es so, dass Funk das bloße Einbetten von Videos auf Webseiten gestatte. „Voraussetzung ist, dass das genutzte Video als Funk-Video identifizierbar bleibt, nicht verändert oder gekürzt wird und die Darstellung werbefrei ist“, so der Sprecher weiter. Das sei auf der Website MachtDichSchlau.tv zwar gegeben, jedoch nicht auf dem dazugehörigen Instagram-Kanal.

„Die Verwendung des Videos für den (...) Instagram-Post wurde von uns nicht freigegeben. Wir stehen dazu bereits im Kontakt mit der verantwortlichen Agentur zur Depublizierung dieses Posts“, betont der Sprecher. Das Video mit Mai Thi Nguyen-Kim ist inzwischen von der Instagram-Seite verschwunden. Sowohl die Kampagnenseite als auch der Tweet von Daniela Ludwig sind jedoch noch online.

Behörde räumt Fehler ein

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erklärt gegenüber dem RND, dass es sich bei der Plattform MachDichSchlau.tv um „kuratierte Inhalte“ handele. Die Kommunikation mit den beteiligten Protagonisten sei von einer Agentur übernommen worden. „Es handelt sich daher nicht um eine Kooperation der BZgA mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Vielmehr wird über die beauftragte Agentur die Einbindung der Protagonistinnen und Protagonisten vorgenommen“, so eine Sprecherin.

Zwischen dieser Agentur und den Redaktionen der Formate gebe es eine „redaktionelle Abstimmung“ sowie eine „formale Absprache“, dass ausgewählte Videobeiträge auf der Plattform eingebunden und promotet werden. Zumindest seitens Funk wird dieser Darstellung jedoch widersprochen. Zur Beschwerde der Journalistin Mai Thi Nguyen-Kim äußerte sich die Behörde zunächst nicht weiter.

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Update, 7. Mai 2021: Inzwischen räumt die Behörde Fehler ein. Die zuständige Agentur habe den Videoausschnitt zum Beitrag von MaiLab auf dem Instagram-Account von „Mach Dich Schlau“ veröffentlicht, ohne dass hierfür die Zustimmung der Funk-Redaktion vorgelegen habe. Man habe das Video daraufhin gelöscht.

Andere Youtuber gaben Einverständnis

Mindestens in einem Fall scheint es aber tatsächlich Absprachen gegeben zu haben. Der Journalist Hubertus Koch erklärt gegenüber dem RND, er sei ganz offiziell über eine Influencer-Agentur für die Kampagne angefragt worden. Sein Video habe er bereitgestellt, da es ohnehin fertig und bereits auf seinem Youtube-Kanal veröffentlicht worden war. Für das Stück habe er eine Nutzungspauschale erhalten.

Mai Thi Nguyen-Kim wollte sich auf Anfrage nicht mehr zum Fall äußern.

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