Körpereinsatz in Manhattan – „The Deuce“

Der doppelte Franco: Vincent (hinter dem Tresen) führt eine Bar am New Yorker Times Square, sein Zwillingsbruder Frankie hat Ärger mit der Mafia.

Der doppelte Franco: Vincent (hinter dem Tresen) führt eine Bar am New Yorker Times Square, sein Zwillingsbruder Frankie hat Ärger mit der Mafia.

Berlin. Zurück geht es bei Sky in die prädigitale Zeit, als Voyeure für Pornogucken noch richtig außer Haus mussten. In ein ungesund wirkendes Bahnhofskino etwa, in dem man für sündhaft teures Geld eine kleine Schachtel Pralinen bekam, die dann die Quasieintrittskarte ins Sodom und Gomorrha der Leinwandkünste war. Wo man sich dann auf durchgesessenen und fleckigen Polstern schnell unwohl fühlte, nervös der verbotenen Bilder harrte und im ungünstigsten Fall noch vor dem Vorspann von „Sünderella“ zwei Reihen weiter vorn die Müllers von nebenan entdeckte. Den Film sah man geducht, das Kino verließ man dann mit hochgeschlagenem Mantelkragen, als wäre man Orson Welles im „dritten Mann“. Nur nicht von irgendjemandem gesehen werden.

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Sex als Kunst und großes Geschäft

Die neue HBO-Serie „The Deuce“ (die Würfel) entführt uns in die Anfänge dieser Zeit, als die Streifen mit garderobebefreiten Darstellern, die es schon zu Stummfilmzeiten gab, aus dem Untergrund auftauchten und zu einer florierenden Branche wurden, als sexuell befreite Regisseure von Kunst, und schmerzbefreite Mobster vom großen Geld durch Porno träumten. In der Hauptrolle respektive den beiden Hauptrollen ist James Franco zu sehen, ein wahrhaft viel beschäftigter Filmstar, der sich immer mal wieder ins Fernsehen verirrt (zuletzt mit der Stephen-King-Miniserie „11.22.63 – Der Anschlag“ über einen Mann, der eine Zeitreise macht, um den Mord an Präsident John F. Kennedy zu verhindern und mit zwei Staffeln der vergnügt-abgefahrenen Polizei-Comedyserie „Angie Tribeca“).

In „The Deuce“ spielt Franco Vincent und Frankie Martino, zwei New Yorker, die sich im aufkommenden Pornogeschäft von 1971 voreilig auf der Siegerstraße wähnen. Der brave Vincent ist Barkeeper am Times Square, schüttelt und rührt in Doppelschichten, um seine Familie über Wasser zu halten – die vorwiegend übellaunige Frau Andrea (Zoe Kazan) samt der Kinder. Die ehemalige Schwulenbar wird unter seiner Regie der Treff für Prostituierte und ihre Zuhälter, für Cops, Arbeiter und für Schwule, die von ihrem alten Lieblingsort nicht lassen können.

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Harter Stoff von Simon & Pelecanos

Vincents Bruder Frankie ist ein zwielichtiger Geselle, der Spielschulden bei der Mafia hat, die auf schlechte Zahlungsmoral seit je empfindlich reagiert und beim Eintreiben schon mal versehentlich bei Vincent landet – diese Ähnlichkeit! Gemeinsam wollen die Brüder Bordsteinschwalben wie Candy (Maggie Gyllenhaal) an die Pornofilmer vermitteln – und mitverdienen. Der Fluchtweg für die Huren vor ihren fiesen Luden ist jedoch nur eine andere, nicht minder schmutzige (und gefährliche) Art der Ausbeutung. Dass das hier trotz des gemächlichen Anrollens der Geschichte kein zögerliches Kleinkriminellendrama wird, dafür stehen die Produzenten George Pelecanos und David Simon, die den Zuschauer 2002 mit der harten Serie „The Wire“ fünf Staffeln lang in die Drogenszene von Baltimore führten.

Und die Qualität von „The Wire“ wird auch schon in der Pilotfolge erreicht – dank der exquisiten Schauspieler, der Detailverliebtheit der Abteilungen Kostüm und Kulisse, mit der die Produktion die Seventies grandios heraufbeschwört – den magischen Times Square bei Nacht, den trostlos grauen bei Tag. Und bevor der Zuschauer bei den nicht allzu Sexszenen Voyeurslust empfinden kann, hat er schon längst Charaktere vermittelt bekommen, deren Schicksal ihn betroffen macht, mit denen er leidet. In Sachen Nacktheit gibt es diesmal Gleichberechtigung: Mehr Blicke auf die männlichen Niederlande gabs bei HBO noch nie.

Auf der Suche nach dem „Game of Thrones“-Thronfolger

Curtis Mayfield singt im Titelsong: „Hab keine Angst, wenn’s da unten eine Hölle gibt, gehen wir alle dorthin.“ Das scheint der Weg zu werden, den Pelecanos und Simon ihren Figuren ausschildern. Wie das alles enden wird, wird sich allerdings noch nicht allzu schnell zeigen, denn „The Deuce“ zählt zu HBOs Versuchen, den spätestens 2019 verwaisenden Platz von „Game of Thrones“ mit einer ähnlich großen Serie zu füllen. Konkurrent im Hause ist das Science-Fiction-Epos „Westworld“, dessen zweite Staffel 2018 vorgelegt wird.

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James Franco führte bei zwei Episoden von „The Deuce“ Regie. Die erste Staffel von „The Deuce“ umfasst den Pilotfilm (85 Minuten) und sieben weitere Episoden (à 60 Minuten). Sie startet am Montag, 11. September, bei Sky.

Von Matthias Halbig / RND

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