Kriegerinnen des Balls: Die Thrillerserie „Yellowjackets“ startet bei Sky
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Ganz schnell im Kriegerinnenmodus: Als die verschwiegene Vergangenheit ans Tageslicht zu kommen droht, weiß Natalie (Juliette Lewis), sich zu wehren. Szene aus der Showtime-Serie „Yellowjackets“ bei Sky.
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Die junge Frau rennt in ihren Tod, das ist klar, noch bevor sie in die tödliche, unterm Schnee verborgene Grube bricht. Sie rennt barfuß durch den winterlichen Wald, und jeder Abdruck ihres rechten Fußes hinterlässt Blut im Schnee. Nur ein Nachthemd flattert ihr am Leib, in ihrem Keuchen ist Angst zu hören, als sich ins Gekrächze der Raben plötzlich menschliche Schreie mischen. Dies hier ist eine Jagd, kein Fangspiel. Und wie der Priester eines einer okkulten Gottheit huldigenden Stammes steht eine Maskierte am Grubenrand, sichtlich zufrieden mit dem Ergebnis der Hatz. Sie trägt ein verblichenes Fußball-T-Shirt.
Was ist damals wirklich passiert, als das Frauenfußballteam der „Yellowjackets“ aus New Jersey nach einem Flugzeugabsturz endlose 19 Monate in der Wildnis Ontarios überleben musste – und am Ende leider nicht alle gefunden werden konnten. Das ist der eine Handlungsstrang, den die nach den Kickerinnen benannte Thrillerserie von Ashley Lyle und Bart Nickerson („Narcos“, „Narcos: Mexiko“) in unvermittelten Rückblenden aufblitzen lässt.
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Der andere, die Haupthandlung, führt in die Gegenwart. 25 Jahre ist das nun alles her. Die damals Zurückgekehrten haben einander zum Schweigen verpflichtet, doch zum „Jubiläum“ des Horrors taucht nicht nur eine Journalistin (Rekha Sharma) auf, um tiefer zu graben, sondern auch die Vergangenheit selbst – erst mit anonymen Postkarten samt einer grafischen Todesdrohung (die allen Adressaten aufs Unheimlichste bekannt vorkommt), dann mit einem Todesfall.
Hier geht es hinein ins Herz der Finsternis
Nein, das hier ist nicht die Milf-Version einer schnittigen Teenie-Crime-Drama-Show, kein „Who dunnit?“ aus den Gewölben von „Pretty Little Liars“ und „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“. Indem William Goldings „Herr der Fliegen“ eingewoben wird, wölbt sich hier bald schon schwarz und böse Joseph Conrads archaisches „Herz der Finsternis“.
Das alte Sport-Mord-Gleichnis erfüllt sich allerdings nicht erst in der Zivilisationsferne. Fußball ist Wettbewerb, die „Yellowjackets“ sind Champions, und wer Schwächen zeigt, den Erfolg gefährdet, der muss aus der Mannschaft – so oder so. Das erfährt Allie (Pearl Amada Dickson), deren Verbleib in der Elf kurz vor dem verhängnisvollen Flug offen diskutiert wird, weil sie wieder und wieder bei der Ballannahme patzt. Beim Training wird sie dann von ihrer Mannschaftskameradin Taissa (Jasmin Savoy Brown) so derb gefoult, dass sie mit einem offenen Schienbeinbruch auf dem Sportplatz liegenbleibt.
Die „Yellowjackets“ sind Kriegerinnen – von Anfang an
„Wir sind immer noch ein Team“, stammelt Jackie (Ella Purnell) anschließend, von Taissas Gewalt überrollt. Eine andere verweist flüsternd auf Gottes unerfindliche Wege. Die rebellische Natalie (Sophie Thatcher) schlägt wütend gegen den Spind und verlässt die Kabine. Die „Yellowjackets“ sind keine Happy-go-Lucky-Mädchen, auch wenn sie in der Umkleidekabine gemeinsam singen und tanzen. Sie sind Kämpferinnen … Kriegerinnen des Balls.
Und schon kurz nach dem Entkommen aus dem Flugzeugwrack gibt es erste Anzeichen einer Rangordnung. Zunächst wächst die kleine Misty, zuvor gehänseltes Faktotum und Sanitäterin der Yellowjackets, in der Unglückstunde über sich selbst hinaus. Sie amputiert und kauterisiert das Bein des Co-Trainers, das von einem Flügel des Flugzeugs zerquetscht wurde.
Aus der Fußballmannschaft wird schon bald ein Stamm
Die Jugendlichen begraben ihre Toten, sie erkunden die Umgebung, sie bilden Hierarchien heraus. Aus der Mannschaft wird schon bald ein Stamm, aus dem Chaos werden Regeln. Nein, sie werden nicht ganz schnell von einer Rettungsexpedition gefunden werden (was einen Grund hat), ja, sie müssen sich einrichten. Der Wald ist voller wilder Tiere, und den strengen Winter in Ontario überlebt man nicht so ohne Weiteres in Shirt und Bluejeans.
Dieser Stamm bleibt in ihnen, er rührt die Trommeln über all die Jahre, er fordert auch zweieinhalb Jahrzehnte nach den Ereignissen auf, zu den Speeren zu greifen. Die verhärmte Natalie (Juliette Lewis) ist eine einsame Wölfin mit Porsche und Gewehr, die nach außen hin quietschfreundliche Misty (Christina Ricci) ist eine Pflegerin mit dunkler Seite, die aufsässige bettlägerige Patientinnen schon mal mit Morphiumentzug straft. Gemeinsam bricht das seltsame Doppel auf, die Herkunft der Postkarten zu ergründen und macht eine fürchterliche Entdeckung.
Auch Taissa (Tawny Cypress), eine lesbische Politikerin, die den nächsten Schritt ihrer Karriere vorbereitet und deren kleiner Sohn das Fenster mit düsteren Zeichnungen abklebt, „damit ‚sie‘ mich nachts nicht mehr beobachtet“, geht ohne Wimpernzucken in den Gefechtsmodus. Und selbst Shauna (Melanie Lynskey) mit den traurig-sanften Augen, die Mutter einer von ihr genervten Tochter, geschlagen mit einem Ehemann, der vorzugsweise abends arbeitet und im Besitz eines Dildos, der ihr sowieso lieber ist, trägt die Wildnis noch in sich.
Die ersten drei (von zehn) Folgen, die zur Ansicht gewährt wurden, lassen auf die verbleibenden sieben hoffen. Die Figuren sind gut entwickelt, die Dialoge sind lebensvoll, in jeder Episode kommen Geheimnisse ans Licht, wird neue Unbill angerissen, bis man alles wissen will und unrettbar am Haken der Geschichte ist.
William Golding, der in „Herr der Fliegen“ ausschließlich männliche Schüler auf einer Insel aussetzte, weil er das ihm zivilisatorisch überlegen erscheinende weibliche Geschlecht eines solch brachialen vorgesellschaftlichen Rücksturzes nicht für fähig hielt, würde sich die Augen reiben.
„Yellowjackets“, erste Staffel, zehn Episoden, von Ashley Lyle und Bart Nickerson, mit Melanie Lynskey, Sophie Nélisse, Juliette Lewis, Christina Ricci, Sophie Thatcher, Ella Purnell (ab 28. Dezember bei Sky)