Psychothrillerserie „The Deceived“ bei Sky – nette Frau in finsterem Haus

Allein auf weiter Flur mit ihren ambivalenten Gefühlen: Ophelia (Emily Reid) liebt, das wird dem Publikum der Miniserie „The Deceived“ schnell klar, eindeutig den falschen Mann.

Allein auf weiter Flur mit ihren ambivalenten Gefühlen: Ophelia (Emily Reid) liebt, das wird dem Publikum der Miniserie „The Deceived“ schnell klar, eindeutig den falschen Mann.

„Ich hatte immer Angst vor dem Haus. Von dem ersten Moment an, als ich es sah. Es schien all den Schmerz, all die Angst, alles, was in den dunkelsten Ecken des Bewusstseins lauert, in sich aufzunehmen und sich von ihm zu ernähren“, erklärt die junge Frauenstimme zu Beginn von „The Deceived“ aus dem Off. Puh! Wie spukig!

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Im Haunted-House-Movie entwickeln Gemäuer ein Eigenleben

Währenddessen fährt die Kamera langsam die Auffahrt hoch zu dem alten Landsitz, der bedrohlich und unbeleuchtet in der stockfinsteren Nacht steht. Das Haus, das, anstatt seine Bewohnerinnen und Bewohner vor der bösen Welt dort draußen zu beschützen, selbst zur tödlichen Gefahr wird, ist eines der Lieblingsthemen des klassischen Horrorfilms. Im Haunted-House-Movie entwickeln die alten Gemäuer ein gruseliges Eigenleben, schweben Geister aus längst vergangenen Zeiten durch die Flure, werden Traumata und Leichen aus dem Keller hervorgeholt und unbedarfte Neubewohner oder Besucher zu Tode erschreckt.

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Ob das nun in Bly Manor aus Henry James’ Novelle „Die Drehung der Schraube“ (perfekte Verfilmung 1961 mit Deborah Kerr als „Schloss des Schreckens“, zuletzt von Mike Flanagan zur Serie „Spuk in Bly Manor“ geworden) geschah oder in Hill House (auch ein toller Gruselfilm: „Bis das Blut gefriert“ von 1963; und eine tolle Serie: „Spuk in Hill House“). Oder in dem Bauwerk, das in den diversen Adaptionen der angeblich wahren Geschichte von Amityville (1979, 2005) Dämonen in sich barg.

In dieses Genre sortiert sich auch die britisch-irische Serie „The Deceived“ mit einer kurzen Exposition ein, nur um sich kurz darauf in die altehrwürdige Universitätsstadt Cambridge zu katapultieren. Hier studiert die junge Ophelia Marsh (Emily Reid aus „Belgravia“), die auch als Erzählerin fungiert, englische Literatur und schmachtet in der Vorlesung den Dozenten Michael Callaghan (Emmett J. Scanlan) an. Schon in der zweiten Sprechstunde fallen die beiden im abseits gelegenen Büro übereinander her, als hätte es nie eine #MeToo-Bewegung gegeben.

Ophelias Liebhaber steht im Schatten seiner Frau

Aber natürlich ist Michael verheiratet. Seine Ehefrau Roisin (Catherine Walker) ist eine Berühmtheit auf dem Campus und hat schon mehrere gefeierte Romane veröffentlicht, während Michael noch immer vergeblich nach einem Verleger für sein Manuskript sucht. Durch die zahlreichen Affären mit jungen Studentinnen versucht er die eigenen ehelichen Minderwertigkeits­komplexe zu kompensieren. Aber das will und kann Ophelia nicht sehen. Sie ist voll verknallt in den deutlich älteren Literatur­wissenschaftler mit dem schwer verdächtigen Hipsterbart.

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Der Übergang von der toten Gattin zur jungen Geliebten ist viel zu geschmeidig

Aber dann verschwindet Michael von einem Tag auf den anderen. Ophelia findet heraus, dass er sich in sein Landhaus im irischen Donegal abgesetzt hat, und reist ihm kurz entschlossen nach. Als sie ankommt, beerdigt Michael gerade seine Frau Roisin, die bei einem mysteriösen Brand um Leben gekommen ist.

Der Witwer hat den Tod seiner prominenten Gattin seltsamerweise geheim gehalten und lädt Ophelia als Seelentrösterin in das halb verkokelte Haus ein. Die Nachricht, dass die Studentin von ihm schwanger ist, nimmt er überraschend freudig auf. Sogar die Mutter der Verstorbenen Mary (Eleanor Methven), die im Haus ein und aus geht, scheint sich nicht an der Geliebten ihres Schwieger­sohnes zu stören.

Das Publikum möchte die naive Protagonistin gern aufwecken

Und das ist nicht das Ende der Merkwürdigkeiten, die sich allmählich ins Mystische steigern. Nachts sieht Ophelia durch das Fenster Roisin im Garten stehen. Dann ist da noch das Klopfen im abgeschlossenen Nebenzimmer. Und seit „Jane Eyre“ weiß man, das solche Räume im britischen Kulturkreis nichts Gutes verheißen. Alles Einbildung – behauptet Michael und bringt verdächtige Tees und Pillen ans Bett der Geliebten. Im Gegensatz zur Protagonistin ahnt das aufmerksame Publikum schon sehr lange, dass dem (leidlich) schönen Michael nicht zu trauen ist.

Serienschöpferin Lisa McGee, die durch die Netflix-Comedy-Serie „Derry Girls“ bekannt wurde, sieht „The Deceived“ in der Tradition klassischer Hollywoodthriller von Alfred Hitchcock und George Cukor. Das geht hin bis zum direkten Zitat, wenn Ophelia im Strickpullover der Verstorbenen die Treppe herunterkommt wie einst Joan Fontaine in „Rebecca“ (1940). Als immer klarer wird, dass Michael die Geliebte gezielt in den Wahnsinn zu treiben versucht, verneigt sich die Filmhandlung vor Cukors „Das Haus der Lady Alquist“ (1944).

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Leider haben McGee und Co-Drehbuchautor Tobias Beer bei ihren filmhistorischen Verneigungen das Skript ihres Vierteilers nicht an die Ansprüche eines modernen, abgebrühten Serienpublikums angepasst. Und so verzweifelt man beim Zuschauen fast schon an der jungen Ophelia, die alle Warnzeichen in den Wind schlägt und sich von dem akademischen Geliebten immer und immer wieder einwickeln lässt. Als sich am Ende herausstellt, dass auch die hochintelligente Ehefrau und Buchautorin dem großen Manipulator auf den Leim gegangen ist, grenzt das schon an eine Beleidigung für die weiblichen Charaktere.

Dass der Trugschluss, in den das Publikum hineingezogen werden soll, nicht funktioniert, liegt aber auch an der wenig subtilen Performance von Emmett J. Scanlan, der sich mit deutlichen Charismadefiziten in der Rolle des diabolischen Womanizers als echte Fehlbesetzung erweist. „The Deceived“ ist eine dieser Serien, die aufwendig produziert mit einer vermeintlich komplexen Plotstruktur und Genre-Verweisen zu blenden versuchen, aber im Inneren nicht ganz so stolz dastehen und ihren Figuren kein glaubwürdiges Leben einhauchen können.

„The Deceived“, vier Episoden, von Lisa McGee, Tobias Beer, mit Emily Reed, Emmett J. Scanlan, Paul Mescal, Catherine Walker (bei Sky ab 24. Oktober)

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