Reich an Geistern: Mit “Spuk in Bly Manor” will Netflix das Fürchten lehren

Das Böse ist auf dem Vormarsch: Ein Geist will sich des zehnjährigen Miles (Benjamin Evan Ainsworth) bemächtigen, seine Au-pair Danielle (Victoria Pedretti) tut alles, um das zu verhindern.

Das Böse ist auf dem Vormarsch: Ein Geist will sich des zehnjährigen Miles (Benjamin Evan Ainsworth) bemächtigen, seine Au-pair Danielle (Victoria Pedretti) tut alles, um das zu verhindern.

Nachdem man diesen Film im Fernsehen gesehen hatte, zog man sich die Bettdecke über den Kopf, um die Ankunft des Bösen zu erwarten. Jack Claytons “Schloss des Schreckens” von 1961 war der spukigste Gruselfilm der Sechzigerjahre, einer der gelungensten Nervenfresser bis heute. Eine Gouvernante erzieht da im späten viktorianischen Zeitalter auf dem Landschlösschen Bly Manor zwei Waisenkinder, die zunehmend “erwachsene” Verhaltensweisen an den Tag legen.

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Immer deutlicher scheint es jener Miss Giddens, dass sich die Geister eines toten Paares der Kinder bemächtigen wollen, um in die Welt der Lebenden zurückzukehren. Deborah Kerr (“Der König und ich”), damals gerade 40 Jahre alt, spielte die ältliche Jungfer mit der gebotenen Unruhe. Und der geniale Drehbuchautor Truman Capote (“Frühstück bei Tiffany”), damals gerade mit seinem Dokuroman “Kaltblütig” beschäftigt, verstärkte die Absicht des Dichters Henry James: den Zweifel auszustellen.

Natürlich können in dieser besten der zahllosen Verfilmungen von James’ Novelle “Die Drehung der Schraube” (1898) ruhelose Seelen am Werk sein, aber genauso gut kann sich das Geschehen der lockeren Schraube einer überdrehten Mamsell verdanken. Ein Vexierspiel mit dem Übersinnlichen, wie es 19 Jahre später auch Stanley Kubrick in seiner ungemein ähnlich aufgebauten Stephen-King-Verfilmung “Shining” betrieb.

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Auch die neueste Adaption von Showrunner Mike Flanagan, die Netflix-Serie “Spuk in Bly Manor”, hat ihre Szenen, ist weit gruseliger als etwa die enttäuschende jüngste Kinoverfilmung “Die Besessenen” (2020) der italienischen Regisseurin Floria Sigismondi, die man in Deutschland ohne Kinoeinsatz gleich auf DVD verbannt hatte.

Manches Trugbild stellt die Nackenhärchen steil

Etwa wenn die Haushälterin Hannah Grose die von einer Reise heimkehrenden Hausherren vor Bly Manor in Empfang nimmt, ihnen durch die Eingangspforte ins Innere folgt und das Foyer plötzlich finster und feindselig dasteht, der Tag zur Nacht geworden ist, das Haus offenbar völlig menschenleer. Solche Trugbilder kriegen den Zuschauer immer noch am Schlafittchen. Da stellen sich die Nackenhärchen steil.

Es war nur folgerichtig, dass der Serienschöpfer Flanagan nach “Bis das Blut gefriert” (1963) von Robert Wise, der Vorlage für das phänomenale “Spuk in Hill House”, jetzt das noch weit unheimlichere “Schloss des Schreckens” bearbeitete. War die “Hill House”-Serie aber ein rundum gelungener Schocker, gilt das für “Bly Manor” nicht.

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Alles beginnt mit einer Hochzeit im Norden Kaliforniens. Eine nicht mehr ganz junge Frau kommt auf die Feier, die in einem Hotel stattfindet, das vom Brautpaar ausgewählt wurde, weil hier der ruhelose Geist einer Nonne herumgeistern soll. Der späte Gast verspricht den offenbar auf Übersinnliches stehenden jungen Leuten “eine Geistergeschichte”, die sie selbst angeblich “von einer Freundin” erzählt bekam. Und diese Geschichte sei nicht gerade kurz. Wie wahr.

Die Kernerzählung wird stark geweitet

In der Tat dauert sie für uns, die erweiterte Hochzeitsgesellschaft vor dem Bildschirm, elf fast einstündige Episoden. In denen wir zwar immer wieder mal von Schrecken erfüllt werden. Aber nicht selten auch von Ungeduld und Langeweile. Die bei Henry James so pointierte Erzählung wird weiter und weiter gefasst, verästelt und verzweigt sich. Jede Figur wird mit Rückblendengewittern weidlich auserzählt. Und dass Flanagans verspäteter Hochzeitsgast Dinge berichtet, die ihre Freundin gar nicht wissen konnte, ist dann schlichtweg ein Fehler im System.

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In “Spuk in Bly Manor” kommt die junge Amerikanerin Danielle Clayton (Victoria Pedretti – der neue Name der Protagonistin ist eine Verbeugung vor dem “Schloss des Schreckens”-Regisseur) 1987 auf der Flucht vor ihrem alten Leben und mit einem fürchterlichen Geheimnis auf dem englischen Landsitz an, um dort Au-pair zu sein für den zehnjährigen Miles (Benjamin Evan Ainsworth) und die achtjährige Flora (Amelie Smith), die verwaisten Wingrave-Kinder.

Schon das erste Spiegelbild in einem vorbeifahrenden Auto in London zeigt einen unheimlichen Mann mit Augen wie gleißende Münzen – den nur der Zuschauer bemerkt. England ist ja bekanntermaßen das Gespensterland, sie schweben hier überall umher – erst recht auf dem alten Bly. Hier trifft Dani auf die extravagante schwarze Haushälterin Hannah (T’Nia Miller), den sanftmütigen Koch Owen (Rahul Kohli) und die rebellische Gärtnerin Jamie (Amelia Eve), in die sie sich verliebt.

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Überhaupt werden hier so einige vornehmlich unerfüllte Liebesgeschichten eingewoben: die von Danielle mit ihrem Verlobten Edmund und die von Owen und Hannah. Dann die von Onkel Dominic Wingrave zur Frau seines Bruders. Und natürlich die vom verschlagenen Chauffeur Peter Quint (Oliver Jackson-Cohen) zu Danis Vorgängerin Rebecca (Tahirah Sharif). Die beiden Letztgenannten sind tot, ruhelos, möchten ins Leben zurück. Rebecca soll sich Floras Körper bemächtigen, der herrische Peter Quint plant, Miles’ Körper zu übernehmen. Und Danielle will das verhindern. Anders als im raffinierteren “Schloss des Schreckens” besteht diesmal kaum ein Zweifel daran, dass die Heldin alle Tassen im Schrank hat.

Reich an Geistern heißt nicht geistreich

Reich an Geistern ist nicht gleichbedeutend mit geistreich. Auch diese Eindeutigkeit schwächt Flanagans “Bly Manor”, in dem viele Filme zitiert werden, etwa Gore Verbinskis “The Ring” (2002) und Alejandro Amenábars “The Others” (2001) mit Nicole Kidman – einer unter Verwendung des “Sixth Sense”-Plots spiegelverkehrten Variante der ursprünglichen “Bly Manor”-Geschichte. Und dann wird auch noch “Ghost” (1990) eingerührt, die gefühlige Grabesromanze mit Patrick Swayze und Demi Moore. Zu viele Ablenkungsmanöver. Man spürt nachlassendes Interesse, was noch nicht das Schlimmste ist.

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Als in einer der zunehmend enervierenden Rückblenden der Geist von Quint (in modischer Geistergarderobe, die man allerdings auch nicht berühren kann) per Zufall entdeckt, dass er in lebende Körper eindringen und von ihnen Besitz ergreifen kann, als man sieht, wie er vom ersten “Plop” der ersten Probekörperübernahme total verblüfft ist, ist man drauf und dran, laut aufzulachen. Das ist nun doch reichlich albern, gehört Inbesitznahme/Besessenheit doch zum Grundwissen über Geister. Hat dieser Mann zu Lebzeiten eigentlich nie einen Gruselfilm gesehen?

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“Spuk in Bly Manor”, elf Episoden, bei Netflix, von Mike Flanagan, mit Victoria Pedretti, Amelie Smith, Benjamin Evan Ainsworth (streambar ab 9. Oktober)

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