„Samaritan“ bei Amazon Prime: Sylvester Stallones Schicksalsfilm
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Gerechtigkeitsfan im Ruhestand: Joe Smith (Sylvester Stallone, r.) und sein junger Nachbar Sam (Javon Walton) retten die Welt.
© Quelle: picture alliance / Everett Collection
Manchmal dauert es lange, bis ein Schauspieler seine Paraderolle spielt. Jim Carrey wurde erst mit der „Truman-Show“ aus dem Tal der Ulknudel befreit, Francis Fulton-Smith entzog sich erst als Franz-Josef Strauß dem Joch des zuvor in Serie verkörperten Dr. Kleist. Und nun haben wieder eine Figur und ein Schauspieler zusammengefunden: Es geht um Joe Smith, einen Haudrauf der besonderen Art, also wie gemacht für Sylvester Stallone.
Seit Rocky, der weit mehr Prügel beziehen als verteilen musste, um sich vom Ghetto zum Olymp durchzuschlagen, ist er prädestiniert für Smiths „Samaritan“. So heißt eine Figur, die weder Marvel noch DC, sondern Bragi F. Schut kreiert und nun für Amazon Prime Video verfilmt hat – mit einem Superhelden, der alles andere als heroisch ist. Statt die Menschen einer dystopischen Zwitterstadt aus Gotham City und Philadelphia zu schützen, verdingt er sich als Müllmann, der in seiner schäbigen Wohnung Elektroschrott repariert und Streitereien vermeidet. Bis sein 13-jähriger Nachbar Sam (Javon Walton), der beim Suchen des angeblich im Kampf gegen den Gegner Nemesis getöteten Samariters, Ärger mit Gangstern kriegt.
Sylvester Stallone als Gerechtigkeitsfan im Ruhestand
Nach 20 Minuten also sehen wir, wie Sly alias Smith alias Samaritan drei halbe Portionen vermöbelt, die Rocky und Rambo im Schlaf erledigt hätten. Der widerwillige Hilfseinsatz aber zeigt, wohin die Superheldenreise anderthalb Stunden lang geht. Der Gerechtigkeitsfan im Ruhestand hat die Faxen dicke und legt sich mit der Bande des kriminellen Edwin an. Dieses Paradebeispiel eines Antagonisten – im tätowierten Cyberpunklook perfekt verkörpert vom dänischen „Game of Thrones“-Fiesling Pilou Asbæk – hat nämlich nicht nur Samaritans magischen Hammer aus der Asservatenkammer geklaut. Er will sich damit erst die Stadt und dann die Welt untertan machen.
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Das übliche Actionallerlei eben: Bösewichte, die andauernd böse lachen, machen noch bösere Sachen, bis sie im Showdown maskuliner Muskelprotze plus Quotenfrau (hier: Sophia Tatum als Gangsterbraut Sil) erledigt werden – ein fortsetzbares Produkt mehr im Schaufenster geldwerter Superhelden-Blockbuster. Nur: Ganz so einfach ist es nicht, was Regisseur Julius Avery nach Schuts Drehbüchern abliefert. Denn mit Joe Smith hat Sylvester Stallone sich ein Exemplar der auserzählten Gattung auf den eigenen, leicht welken, aber unverändert wuchtigen Leib produziert, das erfrischend abweicht vom unbesiegbaren Mainstream-Superhelden.
Debatten über Sinn und Unsinn, Recht und Regeln
Nicht nur, dass er trotz übernatürlicher Kräfte kein Kostüm trägt: Der grüblerische Pensionär zweifelt selbst im Finale an seiner Berufung zum Vorbild und lässt sich bis dahin mit seinem Ziehsohn Sam auch noch ständig auf Debatten über Sinn und Unsinn, Recht und Regeln, Hass und Liebe, Pflicht und Bürde ein. Weil moralische Fragen dank Edwins Armee der Armen und Entrechteten, die ihm beim Sturm aufs System der Reichen und Mächtigen hilft, gar nicht so einfach zu beantworten sind, und die Erzählung zum Ende hin überdies eine ziemlich unerwartete Wendung vollzieht, kann man sich „Samaritan“ gelegentlich fast ohne Superkräfte vorstellen.
Aber gut – das wäre dann nicht die Vollendung von Sylvester Stallones cineastischem Schicksal. Nachdem der 76-Jährige in „Guardians of the Galaxy Vol. 2″ nur am Rande echter Helden auftreten durfte und dem King-Shark der DC-Verfilmung „Suicide Squad“ sogar nur die Stimme lieh, wird sein lebenslanger Nahkampfeinsatz nun endlich mit einer kugelsicheren Version seiner eindrücklichsten Charaktere vollendet. Und im Müllwagen durch trostlose Betonwüsten einer ungerechten Großstadt zur letzten Schlacht zu fahren – das spielt wohl niemand würdevoller als Sly.
„Samaritan“ ist ab Freitag, 26. August, bei Amazon Prime streambar.
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