Scharfe Kritik an Elon Musk: Twitter sperrt Journalisten-Accounts
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Twitter hat sich seit der Übernahme von Musk verändert.
© Quelle: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Twitter hat die Konten mehrerer Journalisten gesperrt, die über die Social-Media-Plattform und deren neuen Besitzer Elon Musk berichten. Betroffen waren Reporter der „New York Times“, der „Washington Post“, von CNN und mehreren anderen Medien. Zunächst lieferte das Unternehmen keine Erklärung dafür, warum Twitter die Nutzerprofile und deren frühere Tweets verschwinden ließ.
EU-Kommissionsvize Vera Jourova hat dem Unternehmen von Elon Musk langfristig mit Sanktionen gedroht. „Die Nachrichten über die willkürliche Suspendierung von Journalisten auf Twitter sind besorgniserregend“, schrieb die Tschechin am Freitag in dem Kurznachrichtendienst. Sie verwies unter anderem darauf, dass das EU-Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA), dessen Vorgaben ab Mitte Februar 2024 in der gesamten EU gelten, die Achtung der Medienfreiheit und der Grundrechte verlange. „Es gibt rote Linien. Und bald Sanktionen.“
Bundesregierung zeigt sich besorgt
Auch die Bundesregierung hat die Sperrung von Journalisten-Accounts beim Kurznachrichtendienst Twitter kritisiert. Man nehme mit wachsender Sorge zur Kenntnis, was sich auf Twitter tue, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Freitag in Berlin. „Wir beobachten das sehr genau und stellen uns die Frage, welche Konsequenzen wir daraus ziehen könnten“. Entscheidungen seien aber keine getroffen. Bundesregierung, Ministerien sowie Politikerinnen und Politiker nutzen Twitter bisher als Plattform für ihre Öffentlichkeitsarbeit.
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UN sprechen von „gefährlichem Präzedenzfall“
Das Auswärtige Amt twitterte am Freitag: „Pressefreiheit darf nicht nach Belieben ein- und ausgeschaltet werden.“ Der Beitrag verwies auf verschiedene gesperrte Journalisten-Accounts. Diese könnten nun auch dem Auswärtigen Amt nicht mehr folgen, nicht mehr kommentieren und kritisieren. „Damit haben wir ein Problem @Twitter“, hieß es weiter. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte: „Aus unserer Sicht ist Pressefreiheit ein extrem hohes Gut, und das gilt es zu verteidigen, wenn es infrage gestellt wird, sei es durch Staaten, sei es durch private Akteure.“
Auch die Vereinten Nationen zeigten sich beunruhigt über die Entwicklung des Onlinenetzwerkes. Reporterinnen und Reporter dürften auf einer Plattform, die vorgebe, ein Raum für Meinungsfreiheit zu sein, nicht durch die willkürliche Sperrung von Konten zum Schweigen gebracht werden, sagte UN-Sprecher Stephane Dujarric am Freitag in New York.
„Aus unserer Sicht schafft der Schritt einen gefährlichen Präzedenzfall zu einer Zeit, in der Journalisten auf der ganzen Welt Zensur, körperlichen Drohungen und noch schlimmerem ausgesetzt sind“, so Dujarric. Man habe in letzter Zeit einen sehr besorgniserregenden Anstieg von Hassreden, Desinformationen zum Klima und anderen Themen auf Twitter gesehen, so Dujarric weiter. Man bleibe mit Twitter deshalb weiter in Kontakt, werde die Plattform aber weiterhin nutzen, um faktisch korrekte Informationen zu teilen.
Musks Motiv: ein persönlicher Stalkingzwischenfall
Der plötzliche Ausschluss von Berichterstattern folgte auf Musks Entscheidung vom Mittwoch, einen Account dauerhaft zu sperren, der mithilfe öffentlich verfügbarer Daten die Flüge seines Privatjets nachverfolgt hatte. Twitter änderte am Mittwoch auch die Plattformregeln, um das Teilen aktueller Standortdaten einer Person ohne deren Zustimmung zu verbieten.
Twitter sperrt Konten prominenter US-Journalisten – Bundesregierung erwägt Konsequenzen
Twitter-Chef Musk begründete die Kontensperrung mit der Weitergabe persönlicher Informationen. Die Bundesregierung kritisierte das Vorgehen am Freitag.
© Quelle: Reuters
Mehrere der Reporter, deren Nutzerkonten am Donnerstagabend (Ortszeit) zunächst gesperrt wurden, hatten über diese neue Richtlinie und Musks Begründung dafür berichtet. Dies beinhaltete Vorwürfe Musks über einen Stalkingzwischenfall, der am Dienstagabend in Los Angeles seine Familie betraf.
„Für Journalisten gelten dieselben Doxxing-Regeln wie für alle anderen“, twitterte Musk am späten Donnerstagabend (Ortszeit). Später schob er nach: „Mich den ganzen Tag lang zu kritisieren ist total in Ordnung, aber meinen Echtzeitstandort zu doxxen und meine Familie zu gefährden ist es nicht.“
Sperrungen widersprechen Redefreiheit
Doxxing bezeichnet die Onlineveröffentlichung der Identität einer Person, von deren Adresse oder anderen persönlichen Details. Später warf Musk Journalisten vor, private Informationen über ihn geteilt zu haben, die er als „im Grunde genommen Attentatskoordinaten“ beschrieb. Beweise für seine Anschuldigung lieferte er nicht.
Die Chefredakteurin der Washington Post, Sally Buzbee, forderte die sofortige Wiederherstellung des Nutzerkontos von Techreporter Drew Harwell. Die Sperrung untergrabe Musks Behauptung, dass er beabsichtige, Twitter als Plattform zu betreiben, die der Redefreiheit verpflichtet sei. Harwell sei „ohne Warnung, ohne Prozess oder Erklärung nach der Veröffentlichung seiner akkuraten Berichterstattung über Musk“ gesperrt worden.
CNN nennt Sperrung „impulsiv und ungerechtfertigt“
Der Nachrichtensender CNN teilte mit, die „impulsive und ungerechtfertigte Sperrung einer Reihe von Reportern, darunter Donie O‘Sullivan von CNN, ist besorgniserregend, aber nicht überraschend.“
Und weiter: „Die zunehmende Instabilität und Volatilität von Twitter sollte für jeden, der Twitter nutzt, von unvorstellbarem Belang sein.“ Man habe Twitter um eine Erklärung gebeten, „und wir werden unsere Beziehung (zu dem Unternehmen) auf Grundlage der Antwort neu bewerten.“
Bekannte Journalisten auf Twitter gesperrt
Ein weiterer von Twitter gesperrter Journalist, Matt Binder vom Techmedium Mashable, erklärte, er sei am Donnerstagabend gesperrt worden: Unmittelbar, nachdem er ein Bildschirmfoto eines Beitrags geteilt habe, den CNN-Reporter O‘Sullivan vor dessen Sperrung veröffentlicht hatte.
Das Bildschirmfoto zeigte eine Mitteilung der Polizei in Los Angeles, die früher am Donnerstag an verschiedene Medien verschickt worden war, darunter auch die Nachrichtenagentur AP. Darin ging es um den Umstand, dass die Polizei wegen des mutmaßlichen Stalkingzwischenfalls in Kontakt mit Vertretern Musks stehe, aber noch kein Verbrechensbericht ergangen sei.
Scharfe Kritik
„Ich habe gemäß der neuen Twitter-Regeln keinerlei Standortdaten geteilt“, teilte Binder in einer Mail mit. Er habe auch nicht auf den Account verwiesen, der Standortdaten von Musks Privatjet veröffentlicht habe oder auf andere Accounts, die Standortdaten veröffentlichten. Er sei in hohem Maße kritisch mit Musk umgegangen, habe aber nie gegen Twitter-Richtlinien verstoßen.
Binder sagte, eine Nachricht, die er nach der Sperrung seines Accounts erhalten habe, als er versucht habe, sich einzuloggen, habe besagt, dass die Sperrung dauerhaft sei. Musk legte mit Blick auf Fragen zur Sperrung des Nutzerkontos des früheren ESPN- und MSNBC-Moderators Keith Olbermann nahe, dass die Sperrungen eine Woche dauern könnten.
Der ebenfalls von Twitter gesperrte Journalist Steve Herman vom staatlichen US-Auslandssender Voice of America sagte, er gehe davon aus, dass er betroffen sei, weil er über andere Journalisten getwittert habe, deren Nutzerkonten in Zusammenhang mit Beiträgen gesperrt worden seien, die auf das Twitter-Konto mit den Daten zu Musks Privatjet verlinkten.
Ist die Pressefreiheit in Gefahr?
Das Komitee zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten zeigte sich besorgt über die Sperrungen. Sollte es sich bestätigen, dass es sich um Vergeltung für die Arbeit der Journalisten handele, sei dies eine ernste Verletzung des Rechts von Journalisten, Nachrichten ohne Angst vor Repressalien zu veröffentlichen.
Die Sperrungen fallen in eine Zeit großer Umwälzungen hinsichtlich der Moderation von Inhalten bei Twitter. Musk hat versucht, mit ausgewählten Unternehmensdokumenten, die als „Twitter Files“ bezeichnet wurden, den Eindruck zu erwecken, rechte Stimmen seien vor seiner Zeit an der Unternehmensspitze auf der Plattform unterdrückt worden. Er hat versprochen, die Redefreiheit zu fördern, aber angedeutet, dass er Maßnahmen ergreifen würde, um vermehrten Fehlinformationen entgegenzuwirken.
RND/AP/dpa