„Strike“: Joanne K. Rowling versteckte sich für einen Detektiv

Versteckte sich hinter einem Männernamen: Joanne K. Rowling erfand den Privatdetektiv Cormoran Strike und schrieb den Roman „Der Ruf des Kuckucks“ als Robert Galbraith. Die Buchreihe wurde zum Erfolg – auch als TV-Serie, die Autorin behielt das Pseudonym bis heute bei.

Versteckte sich hinter einem Männernamen: Joanne K. Rowling erfand den Privatdetektiv Cormoran Strike und schrieb den Roman „Der Ruf des Kuckucks“ als Robert Galbraith. Die Buchreihe wurde zum Erfolg – auch als TV-Serie, die Autorin behielt das Pseudonym bis heute bei.

Ein Fotomodel ist tot. Aus zwölf Metern Höhe gesprungen, auf dem verschneiten Asphalt vor ihrem Londoner Apartment gelandet. Depressiv sei sie gewesen, diese Lula Landry, Winter ist die Selbstmordjahreszeit, und das wilde, oberflächliche Leben zwischen Laufsteg und Jetset-Partys kann einen schon mit allerhand Nichts anfüllen. Alles klar, Herr Kommissar.

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Lulas Adoptivbruder John Bristow indes traut der offiziellen Todesursache nicht, glaubt, seine Schwester sei ermordet worden. Es gibt Verdächtige. Eine Nachbarin will Streit in der Wohnung gehört haben. Und die in London allgegenwärtigen Überwachungskameras zeigen gleich zwei „Läufer“, die sich zur Tatzeit vermummt vom Ort der Tragödie entfernten. Bristow platzt damit ins Büro eines Privatdetektivs, der gerade dringend einen Auftrag braucht, weil er nur noch ein paar britische Pfund von der Gosse entfernt ist – Cormoran Strike.

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Bei „Strike“ erkannten Rezensenten einen „femininen Stil“

Als der Roman „Der Ruf des Kuckucks“ im Herbst 2013 in Deutschland erschien, hatte er schon vorab viel Aufsehen erregt. Hinter dem Pseudonym Robert Galbraith wurde die erfolgreichste Schriftstellerin der Welt entdeckt, die Harry-Potter-„Mutter“ Joanne K. Rowling. Als das Buch im April in England herausgekommen war, gab es zur kleinen Startauflage (1500 Exemplare) zwar wenige, dafür überragende Kritiken.

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Wobei manche Rezensenten einen „femininen Stil“ zu erkennen glaubten, anderen auffiel, dass dem heruntergekommenen Helden Cormoran Strike der Uringestank im Kneipenklo unangenehm in die Nase stach, was doch für Pubpissoir-gewohnte Kerle eher ungewöhnlich, da olfaktorisches Alltagserlebnis sei. (Was natürlich olfaktorischer Unsinn ist.)

Als eine Kulturredakteurin der „Sunday Times“ das Lob des Romans in die Welt twitterte, erfolgte ein Retweet, der Rowling als wahre Autorin vermutete. Es wurde in der Folge viel Recherche betrieben, man fand heraus, dass Rowlings Lektor David Shelley auch für Galbraiths Buch verantwortlich war. Es wurden amerikanische Computerlinguistikspezialisten eingeschaltet, die den „Kuckuck“ mit Rowlings im Jahr davor erschienenem (passablen) Vorstadtdrama „Ein plötzlicher Todesfall“ und dem letzten der sieben „Harry Potter“-Romane verglichen. Ein Buch von Ruth Rendell wurde in den Check einbezogen und eins von P. D. James.

Der Münchner Verlag Blanvalet landete mit „Strike“ einen Coup

Das Ergebnis war offensichtlich, und Rowling bestätigte den Verdacht umgehend. Sie hatte viel früher mit Enttarnung gerechnet, insgeheim aber auch gehofft, länger von der „befreienden Wirkung“ eines Pseudonyms profitieren zu können. Der Münchner Verlag Blanvalet, der die Rechte nur wegen der Qualität der Geschichte gekauft hatte, ohne von dem Alias etwas zu ahnen, hatte den Coup des Jahres gelandet. Die Startauflage in Deutschland war denn auch stattlicher: 300.000 Stück.

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Gute journalistische Detektivarbeit für einen guten Detektivroman – einen klassischen Whodunnit mit einem schrulligen und einem süßen Vogel als Heldenpaar: Cormoran(t), der Wasserrabe, und seine Gehilfin Robin, das Rotkehlchen. Cormoran Strike ist ein riesiger Ex-Soldat und Kriegsveteran, Sohn eines geizigen Rockstars, der seine Beinprothese mit viel zu viel Gewicht belastet, von seiner großen (schwierigen) Liebe frisch an die Luft gesetzt wurde und unrasiert auf einer Campingliege in der Detektei übernachten muss. Robin Ellacott ist aus bürgerlichem Hause, 25, attraktiv, gewitzt, unterwegs in eine gute Anstellung in London und zugleich in eine Ehe mit einem naserümpfenden Spießer, als sie unverhofft von den Reizen der Ermittlungsarbeit angezogen wird. Sie organisiert Strikes berufliches Chaos, überspielt sein privates Chaos und erweist sich schnell als Assistentin mit Initiative. Informationen werden zusammengetragen, Leute ausgefragt – auskunftsfreudige wie maulfaule –, Schlüsse gezogen, Lügen aufgedeckt – das übliche Vergnügliche.

Mit „Strike“ watschte Rowling die High Society ab

Natürlich hatte jemand Lula Landry aus dem Leben geholfen, wozu sonst das Buch? All das erzählte Rowling mit leisem Humor, feinen Charakterzeichnungen, gutem Konstruktionsvermögen und durchaus anstreichenswerten Wendungen, wenn dem todunglücklichen und zutiefst verkaterten Strike etwa „das Tageslicht tadelnd durch die Jalousien fährt“. Außerdem watschte sie die britische High Society ab – eine verkokste Bagage voller Dünkel und Neid.

Und wenn sich Cormoran mit Robin im Schlepptau in einer Seitengasse hinter dem Unglückshaus an einer Mauer hochzog, um in den Garten zu spähen, sprang einem spontan das Bild aus „16 Uhr 50 ab Paddington“ (1961) in den Sinn – aus der Verfilmung des Agatha-Christie-Krimis mit Margaret Rutherford und Stringer Davis, als der paddelige Mr. Stringer Räuberleiter für die neugierige (und supervollschlanke) Miss Marple machen musste. Irgendwie hatte man ihn doch vermisst, den muckeligen Detektivroman, die Arbeit der Sherlocks, Marples und Poirots, die ob der längst unzweifelhaften Untersuchungshoheit der Polizei in Verbrechensfällen ihre Glaubwürdigkeit beim Leser etwas eingebüßt hatten.

Fröhliche Urständ: Hier hatte die Exekutive den Fall für beendet erklärt. Der Kormoran konnte ran. Und Rowling war Kriminalschriftstellerin einer neuen Serie. Wobei Strike auflagemäßig an die Fantasyiaden um Zauberlehrling Harry Potter (die ja auch einiges an Krimi in sich hatten) nie herankommen wird. 500 Millionen verkaufte Exemplare weltweit (33 Millionen allein in Deutschland) – das ist unschlagbar.

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Der dritte Vogel ist tot - Cormoran und Robin suchen den Mörder des Kuckucks

„Cuckoo – Kuckuck“ hatte der exzentrische Modedesigner Guy Somé übrigens die tote Lola genannt, die sein Lieblingsmodel gewesen war. Ganz offensichtlich, warum: Das adoptierte schwarze Mädchen saß seiner Meinung nach in der weißen Familie im falschen Nest. Doch die Metapher hinkte: Der Kuckuck ist kein Schönling, ist – im Gegenteil – ein äußerlich unscheinbarer, ja plumper Vogel, zudem ein geborener Schurke, der nach seinem Schlüpfen im Nest der „Gasteltern“ die Jungvogelkonkurrenz ins Jenseits befördert.

Rowling kannte die Marotten dieses gefiederten Feindes gut, und so trat zum Ende ihres gemächlichen, über die vollen 640 Seiten niemals langweiligen Buches, ein ganz anderer Kuckuck aus den Schatten. Ein so infamer Brutparasit, dass man zweierlei dachte – 1. Das würde man auch mal gern verfilmt sehen. 2. Von diesem Gespann würde man gern mehr lesen.

Beides ging in Erfüllung. Rowling hat inzwischen fünf Bücher über die Abenteuer von Cormoran und Robin geschrieben, ein sechstes (längst nicht das letzte) ist angeblich derzeit im Entstehen. Und seit 2017 surren auch die Kameras in der Londoner Denmark Street, wo Strikes Büro liegt. Holliday Grainger (Lucrezia Borgia aus der Serie „Die Borgias“ 2011 – 2013) spielt die Robin ziemlich genau so, wie wir sie uns vorgestellt hatten. Tom Burke dagegen (der Athos aus der Serie „Die Musketiere“ 2014 – 2016) brachte einen attraktiveren Cormoran als erwartet auf die Bildschirme. Und die Beinprothese hatte es bei ihm auch nicht so schwer.

Das Paar erfüllte die Erwartungen jedenfalls auch in der TV-Umsetzung. Die bisherigen drei „Strike“-Verfilmungen waren herausragende Kriminalfilme, ob die dritte Miniserie „Strike – Tödliches Weiß“ das Niveau hält, wird sich am 12. und 19. März bei Sky (pro Tag zwei Episoden) erweisen.

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Im Dezember 2020 erschien der fünfte Roman nun auch in deutscher Sprache. Auch bei „Böses Blut“ hat Rowling ihr früh aufgeflogenes Pseudonym beibehalten. Ein Schutz gegen die massiven Angriffe, die die Schriftstellerin im Vorjahr wegen vermeintlich „transphober Äußerungen“ erfuhr, war die Beibehaltung wohl eher nicht.

Der neue „Strike“ wurde als „transphober Roman“ verteufelt

Mit den Buchverbrennungsvideos im Internet und der Weigerung mancher Buchläden, „Böses Blut“ ins Sortiment zu nehmen, erwiesen sich Rowlings Kritiker allerdings selbst einen Bärendienst – sie erschienen als kritikunfähige Fanatiker gegenüber einer nachdenklichen, von der Radikalität einer Debatte entnervten Schriftstellerin, die Zweifel kundtat, ob die Entlassung einer Frau aus einem Thinktank wegen vorgeblich transphober Äußerungen sinnvoll gewesen sei.

Der Mörder in „Böses Blut“ verkleidet sich zuweilen als Frau. Damit wurde das Buch von Rowlings Gegnern tatsächlich auch noch als „transphober Roman“ gebrandmarkt. Gleich vorweg: Stimmt nicht. Der Bösewicht ist keine Transfigur, Transsexualität spielt keine Rolle, das Sexuellste ist ein Trigamist, der heimlich drei Familien unterhält. Wie er das macht, muss man gelesen haben. Und will man natürlich auch sehen.

Bislang hat die BBC über eine Verfilmung noch nicht entschieden. Sie gilt aber als wahrscheinlich.

„Strike – Tödliches Weiß“ ist am 12. und 19. März in je zwei Episoden bei Sky zu sehen.

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