Tatort heute Abend: Lohnt das Einschalten?
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Ein Toter wacht auf: Boerne (Jan Josef Liefers, links) und Thiel (Axel Prahl) waren geschockt. „Verstehen Sie Spaß“-Moderator Guido Cantz machte sich einen Jux und vertrat den Darsteller der „Tatort“-Leiche
© Quelle: DPA
Münster. Es ist vermutlich Zufall, aber die Parallelen sind verblüffend. Die ansonsten nicht weiter der Rede werte „Wilsberg“-Episode „Der Betreuer“ (ausgestrahlt im Januar) zeichnete sich unter anderem durch die leider nur vorübergehende Einführung eines Ensemblemitglieds aus, das dem Film viel frischen Wind bescherte: Janina Fautz spielte die minderjährige Nichte der Kommissarin, die sich munter in die Ermittlungen einmischte.
Die junge Schauspielerin konnte quasi gleich in Münster bleiben, denn in „Fangschuss“ wirkt sie ebenfalls mit, und auch hier hinterlässt sie einen derart guten Eindruck, dass sie unbedingt Stammkraft werden sollte. Die Vorstellung, dass sich Frank Thiel (Axel Prahl) an den Gedanken gewöhnen muss, eine Tochter zu haben, ist ohnehin reizvoll: Eines Tages steht eine junge Frau mit blauem Haarschopf vor seiner Tür und eröffnet ihm, dass bloß zwei Männer als ihr Vater in Frage kommen; und der andere war bei der Begegnung mit ihrer Mutter bereits sterilisiert.
Natürlich ist das nicht die Geschichte des Films, aber die junge Leila ist weit mehr als bloß ein Vorwand, um Prahl die Möglichkeit zu geben, auch mal andere Seiten Thiels zu zeigen. Zum Krimi wird „Fangschuss“, als der zweite „Vater“ quasi vor den Augen des Mädchens ermordet wird: Jens Offergeld (Christian Maria Goebel) war Enthüllungsjournalist, und die leben im Krimi grundsätzlich gefährlich. Weil sie einmal dabei sind, sorgen die Autoren Stefan Canz und Jan Hinter für weitere Klischees: Selbstredend war der Mann Alkoholiker, wie Rechtsmediziner Boerne (Jan Josef Liefers) angesichts der Leber in der Nierenschale mitteilt, und Thiel darf zum Besten geben, dass Journalisten bekanntermaßen erst nach einer Flasche Rotwein in Fahrt kommen.
Viele Gags verpuffen
Abgeschmackte Scherze wie diese ziehen sich durch den gesamten Film. Canz und Hinter, in der "Tatort"-Gemeinde als Väter des Duos aus Münster ansonsten sehr geschätzt, erreichen hier bei weitem nicht die Form früherer Arbeiten. Die Gagdichte ist zwar hoch, aber das meiste verpufft. Auch die Geschichte ist nicht restlos überzeugend. Einiges wirkt konstruiert, anderes wie ein Vorwand, um die verschiedenen Handlungsebenen miteinander zu verknüpfen, weil in der Praxis nicht so reibungslos gelingt, was in der Theorie vielleicht sogar plausibel klang.
Dass Boerne den Jagdschein macht, soll einerseits für heitere Momente sorgen und andererseits mit der Jägerin Freytag (Jeanette Hain wie üblich als Eiskönigin) eine Figur einführen, die auch für die Mordermittlungen eine Rolle spielt. Wenig überzeugend sind auch die Nebenebenen, die zum Teil halbherzig den Eindruck erwecken, als hätten nicht mal die Autoren selbst sie mit letzter Überzeugung gestaltet.
Herrenwitze unter Münster-Niveau
Clever eingefädelt ist hingegen der Erzählstrang mit dem tatsächlichen Tatmotiv, zumal sich nun auch zeigt, dass Boernes Jagdfieber mehr als bloß eine Marotte ist; auch wenn einige Herrenwitze („deutscher Stecher“) eigentlich unterm üblichen „Tatort aus Münster“-Niveau sind. Weil er sich auch bei der Arbeit auf die mündliche Prüfung vorbereitet, weist Silke Haller (Christine Urspruch) ihren Chef darauf hin, dass sein „Gefieder“ ebenfalls immer lichter werde. Fortan bemüht sich Boerne, dem Haarausfall Einhalt zu gebieten. Immerhin hat dieser Nebenschauplatz zur Folge, dass sich am Ende einige Kreise schließen. Der Amerikaner Buddy Giovinazzo hat „Fangschuss“ handwerklich solide inszeniert. Aber ein „Tatort“ aus Münster muss natürlich mehr bieten
Von Tilmann P. Gangloff/RND