„The Beatles: Get Back“ – Peter Jackson und die vier Pop-Hobbits

Zum letzten Mal live auf dem Dach von Apple: Ringo Starr (v. l.), Paul McCartney, John Lennon und George Harrison in Peter Jacksons „The Beatles: Get Back“.

Zum letzten Mal live auf dem Dach von Apple: Ringo Starr (v. l.), Paul McCartney, John Lennon und George Harrison in Peter Jacksons „The Beatles: Get Back“.

Die Bilder sind wirklich gestochen scharf. Optisch wirkt „The Beatles: Get Back“, als seien die Beatles gerade jetzt im Studio, als sei es gar keine 52 Jahre her, seit sie sich zusammensetzten, um zurückzufinden zu den Quellen ihrer Musik. Als sie den Blues neu suchten, und den Rock ‘n‘ Roll und die Flamme, die sie einst zur enthusiastischsten Livekapelle in den Kellern von Hamburg und Liverpool gemacht hatte, das Charisma, mit dem sie die Einheit wurden, die die Welt von Pol zu Pol komplett verbeatelte.

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Der Film selbst relativiert die Eindrücke, die man 1970 nach dem Film „Let It Be“ bekommen hatte, den Regisseur Michael Lindsay-Hogg damals über die Sessions drehte – erst für ein TV-Special, dann fürs Kino. Vier streitende Miesepeter, die nach dem „White Album“ mit seinen solistischen Tendenzen es nicht schafften, wieder zusammen zu rocken. Streiter für sich selbst am Ende des Wegs. Musizierend ohne Fokus. Dazu die immer gegenwärtige Yoko Ono in Emma-Peel-Schwarz. Georges Freunde im Hintergrund. Wie kann da etwas entstehen?

Die Beatles erscheinen in „Get Back“ immer noch als inspirierte Band

So war es nicht. 20 Jahre nach den Fab Four von Mittelerde hat sich „Herr der Ringe“-Regisseur Peter Jackson auch noch die großen Pop-Hobbits vorgeknöpft – der Neuseeländer hat offenkundig ein Faible für Quartette. Und für lange Trilogien: In der etwa achtstündigen, dreiteiligen Doku hat er ein neues Narrativ gefunden. Und vermittelt den Eindruck, die Beatles seien im Januar 1969, während der Sessions zum Album „Let It Be“, eine immer noch inspirierte Gruppe gewesen, deren Mitglieder manchmal noch richtig Lust auf eine längere Laufbahn gehabt hätten. Sie hätten es also auch wie die Stones machen können. Bekanntlich hat Paul den Ring dann doch schnell in den Schicksalsberg geworfen und die Gemeinschaft zerfiel.

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Kommt die Rede auf ein Beatles-Ende, stehen Paul Tränen in den Augen

Jacksons neue Sicht der alten Dinge verhehlt den Streit nicht, die Agonie, die Wut, die Enttäuschung, die kreative Dominanz von Paul McCartney, der den anderen immer wieder mit seinen Ansagen auf die Nerven geht, dessen Inspiriertheit und notorische gute Laune den Rest der Band zuweilen scheu zu machen scheint. „Ich spiele, was du willst“, sagt der verärgerte Harrison an einer Stelle. „Und wenn du willst, spiele ich auch gar nicht.“

Für ein paar Tage verlässt Harrison die Band. Die anderen umarmen sich, wollen George zurückholen. Und wenn es um die Frage eines möglichen Beatles-Endes geht, versagt Paul die Stimme. Tränen stehen ihm in den Augen. Die Kamera hält darauf. Auch auf Ringo. Dem geht es ähnlich.

Großer Druck: 14 Songs müssen in Rekordzeit fertig werden - für ein Konzert

Dann war da noch der zeitliche Druck. Jackson hebt das fürs Ende der Sessiontage geplante erste Beatles-Konzert seit 1966 mit 14 neuen Songs hervor, die in Rekordzeit erarbeitet werden mussten. Wäre es nach dem Willen von Regisseur Lindsay-Hogg gegangen, wäre es ein Event für die ganze Welt gewesen – in einem antiken Amphitheater vor 2000 Leuten Livepublikum im libyschen Sabratha. Paul erwägt auch das House of Parliaments, und dass die Beatles noch spielen würden, wenn man sie dort hinauswürfe. Gelächter. Am Ende war es das Dach vom Apple-Gebäude, es wurden fünf Songs in verschiedenen Versionen gespielt, das Publikum war eins des Zufalls, die Polizei bat darum, leiser zu spielen.

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Sie jammen, spielen den „Milk Cow Blues“, den „Twenty Flight Rock“ und „You Are My Sunshine“, spielen Dylan- und Chuck-Berry-Songs, imitieren Elvis, machen die Ballade „Across the Universe“ flott, parodieren „Ob-la-di, Ob-la-da“ als „Oh My God, Oh My God“. Sie schlittern durch eine ziemlich gelungene Gitarrenversion von Anton Karas‘ Zithermusik für den Film „Der dritte Mann“. Sie sind frustriert, wenn die Musen ausbleiben und nichts gelingen will. Und dann tanzt John mit Yoko und Yoko redet angeregt mit Pauls Freundin Linda. Es wird gescherzt, gelacht. Und manchmal geschieht das Wunder.

Man wird Zeuge eines Wunders – ein Song wird geboren

Und dann wird man Zeuge, wie ein Song entsteht. Paul schrammelt etwas, das noch in einer anderen Welt festzustecken scheint, verwaschen, vage. George gähnt immer ostentativer, dann aber hört man die Anzeichen einer heute vertrauten Melodie, der Gesang ist noch ein katzenartiges Gemaunze. Aber die anderes wissen, dass hier etwas erschienen ist, das Aufmerksamkeit verdient. Ringo beginnt, den Rhythmus zu klatschen, George schert mit der Gitarre ein. „Get back!“, singt Paul, der Text kommt einfach so, aus dem Amorphen des Anfangs schält sich etwas Konkretes. Auch John greift seine Gitarre. Jetzt verstehen sie sich blind – wenn die Musik kommt, wenn sie gelingt, sind sie konzentriert, sind sie wieder die alten Beatles – John, Paul, George und Ringo in den Diensten der Band.

Anders als Jacksons „Herr der Ringe“ sind acht Stunden „Get Back“ kein geeigneter Stoff für eine lange Filmnacht. Selbst die berühmteste Band aller Zeiten in ihrer spannendsten Zeit hat Grenzen der Unterhaltsamkeit. Und nur Hardcore-Beatlemaniacs stehen das am Stück durch, geschweige denn brauchen danach noch irgendwas. Zum Gesamt-Beatles-Paket dieser Tage zählen freilich auch noch ein Ziegel von Buch (Peter Jackson – „The Beatles: Get Back“, Droemer, 240 Seiten, 44 Euro) und die jüngst veröffentlichte Jubiläumsdeluxeausgabe des Albums „Let It Be“, auf der allerdings fast alle spannenden musikarchäologischen Momente des Films vermisst werden. Wetten, da kommt noch eine Box? Arbeitstitel: „Let Them Jam“.

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Erste Dinge zuletzt – der Prolog zu Jacksons neuem Dreiteiler hat leider nicht die erwartete Qualität, ein Pendant zu sein zu Elbin Galadriels wohlgesetzter, Gänsehaut evozierender „Herr der Ringe“-Vorrede über Sauron, den Einen Ring und was alles auf der Kippe steht in Mittelerde. Der „Get Back“ vorangestellte Abriss der Beatles-Karriere geht etwas durcheinander, da erklingt „Eight Days a Week“ vor „A Hard Day‘s Night“ und der Ausschnitt aus dem Zeichentrickfilm „Yellow Submarine“ von 1969 wird ins Jahr 1966 verlegt, als der Song auf dem Album „Revolver“ erschien. Peanuts? Klar, im Queen-Biopic „Bohemian Rhapsody“ kam „Fat Bottomed Girls“ auch Jahre zu früh.

Aber das hier ist mehr. Das hier ist keine schnell geschusterte Popdoku. Dies ist der definitive Beatles-Film. Da muss also wohl oder übel no chmal einer ran.

„The Beatles: Get Back“, drei Episoden, Regie: Peter Jackson, mit John Lennon, Paul McCartney, George Harrison, Ringo Starr (streambar 25., 26. und 27. November bei Disney+)

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