„Tribes of Europa“: An diesen Drehorten entstand die postapokalyptische Netflix-Serie

Kiano (Emilio Sakraya) in einer Szene von „Tribes of Europa“. Die Kampfarena in der Serie war ursprünglich mal ein altes überschwemmtes Musicaltheater.

Kiano (Emilio Sakraya) in einer Szene von „Tribes of Europa“. Die Kampfarena in der Serie war ursprünglich mal ein altes überschwemmtes Musicaltheater.

Liv (Henriette Confurius) steht auf einem Turm aus Beton und glänzendem Edelstahl, halb zerfallen, und sieht, mehr oder weniger bedeutsam, im warmen Licht des Sonnenuntergangs über ein unberührtes Waldmeer. Um sie herum laufen die Soldaten der Crimson Republic die kahlen Treppen des Turms hinauf und hinab. Als Sklave der Crows läuft ihr Bruder Kiano (Emilio Sakraya) durch ein zerfallenes Berlin und landet in einer Drogenfabrik, die nach einer Mischung aus Abwassersystem und Undergroundclub aussieht. Währenddessen zuckelt der Jüngste der Geschwister, Elja (David Ali Rashed), in einem alten Feuerwehrauto durch schroffe Berglandschaften. Die neue deutsche Netflix-Serie „Tribes of Europa“, die 2074 nach einem ominösen globalen Blackout spielt, zeichnet das Bild eines postapokalyptischen Kontinents. Die drei Geschwister, die wichtigsten Protagonisten, tingeln dabei durch verschiedenste unbewohnte Landstriche und zerfallene Städte.

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Wer ihnen dabei zusieht, fühlt sich immer ein bisschen wie in einem Geografiequiz, von dem man nur einen Fixpunkt kennt: Berlin. Bei „Tribes of Europa“ nennen die Bewohner, der brutale und partywütige Stamm der sogenannten Crows, ihre Stadt Brahtok. Die Einwohnerzahl ist auf 60.000 geschrumpft – was aber eine Metropole in dieser dünn besiedelten Welt darstellt. Aber das, was in den verwilderten Landschaften spielt, versucht man vergeblich einzuordnen. Dieser Wald hier mit den Schluchten: Könnte das nicht die Sächsische Schweiz sein? Oder vielleicht sogar der Harz? Und die steinigen Bergspitzen: Soll das ein Pass in den Alpen sein? Die Crimson-Soldaten packen immer wieder überraschend unbeschadet aussehende Karten aus, um grob irgendwelche Marschrichtungen zu skizzieren, doch hilft das dem Zuschauer bei der Orientierung nur wenig. Irgendwo mitten in der Pampa müssen wohl die anderen Spielorte sein.

Monument aus der Tito-Diktatur dient als Kulisse

Überraschenderweise ist nur ein kleiner Teil der Serie in Deutschland entstanden, wie die Macher in einer Mitteilung von Netflix erklären. Da die Dreharbeiten vor der Corona-Pandemie beendet wurden, konnten sich die Produzenten noch problemlos auf Drehorte in ganz Europa ausbreiten und suchten in 13 Ländern nach geeigneten Kulissen. Laut Produktionsdesigner Julian R. Wagner sollte sich die ästhetische Sprache der Drehorte an Bauwerken des Brutalismus und der sozialistischen Architektur orientieren. Im Fokus steht bei der sozialistischen Architektur in der Serie dabei vor allem die einnehmende ästhetische Wirkung, ohne dass dabei der Kontext der Entstehung in den Diktaturen oder die Ideologie der Macht, die hinter solchen Stilen steht, offengelegt wird.

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In Osteuropa wurde Wagner mit seinem Team fündig: Auf den Gipfeln des zentralkroatischen Gebirges steht das Monument Petrova Gora von 1981, das an 300 serbische Bauern erinnert, die bei einem Angriff kroatischer Faschisten auf dem Gipfel gestorben sind. Das Denkmal wurde noch unter der Diktator Titos in Auftrag gegeben, aber erst nach seinem Tod fertiggestellt.

Inzwischen fehlt ein Teil der Fassade, das Werk von illegalen Schrotthändlern. In dieser Ruine haben die Macher die Basis der Crimson Republic platziert. „Sobald ich dieses Gebäude gesehen hatte, war klar: Wir müssen dahin“, zitiert Netflix den Showrunner Philip Koch. „Der Mehrwert dieses Gebäudes war unbezahlbar. So etwas kannst du nicht einfach in einer Fabrik drehen.“

Das Problem für die Dreharbeiten: Das Gebäude war verfallen und musste erst einmal begehbar gemacht werden – wegen der Lage mitten in den Wäldern ein schwieriges Unterfangen. „Es war ein bisschen, wie ein Schiff über den Berg zu ziehen“, kommentiert Wagner die Aufräumarbeiten. Da eines der Schlüsselmotive in Kroatien lag, wurde ein großer Teil der restlichen Produktion ebenfalls in das Land verlegt, damit die Crew nicht ständig zwischen den Ländern pendeln musste.

Prag ist das neue Berlin

Ihr Nest haben sich die Crows im zerfallenen Berlin, in der Serie Brathok genannt, gebaut – und in der Serie ist auch ein zugewachsener Potsdamer Platz zu sehen. Und so scheinen die Drehorte für diesen Erzählstrang auch erst einmal naheliegend zu sein. Doch in der Praxis musste auch hier Prag für die Kulissen Berlins herhalten. Die Idee: „Wir wollten, dass der Zuschauer Berlin erkennt, ohne dass wir in jedem zweiten Bild den Fernsehturm zeigen“, so Wagner. Die Kampfarena, in der Sklaven in einem Gladiatorenkampf um ihre Freiheit antreten, ist aus einem alten, ehemals überschwemmten Prager Musicaltheater entwickelt worden. Doch die deutsche Hauptstadt durfte sich für Außenaufnahmen auch manchmal selbst vertreten. So bildet die Hochbahn an der Möckernbrücke das geheime Eingangstor zur Festung der Crow.

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Das Dorf des naturnahen Stammes der Origine, dem die drei Geschwister angehören, wurde zwischen Felsenschluchten in Tschechien aufgebaut. Die gewächshausartigen Hütten erinnern im ersten Moment an die Kubushäuser von Piet Blom aus den 1980er-Jahren in der holländischen Metropole Rotterdam, oder an die schwebenden Städte des visionären Künstlers Tomás Saraceno. Doch anders als in diesen Settings ist das Dorf des Stammes von der wilden Natur umgeben. „Das einfach nur in den Wald zu stellen, sieht nach nichts aus. Man braucht eine geeignete Topografie und kontrastierende Felsstrukturen“, erklärt Wagner die Überlegungen, die das Team im Vorhinein festlegte.

Eine Mischung aus Gewächshaus und Kunstinstallation: Elja (David Ali Rashed) in einer Hütte im Hippiedorf des Stammes der Origine.

Eine Mischung aus Gewächshaus und Kunstinstallation: Elja (David Ali Rashed) in einer Hütte im Hippiedorf des Stammes der Origine.

Nachdem der ideale Ort gefunden wurde, konnte die zuständige Behörde aber keine Drehgenehmigung erstellen. Doch kurzfristig kam laut Netflix geeigneter Ersatz: Nahe der deutschen Grenze fanden die Ausstatter ein Gebiet mit tiefen Schluchten und Bächen. „Mad Max“-Postapokalypse gepaart mit Naturidylle und überkandideltem Undergroundclub hat Deutschland wohl nicht im Angebot – die Nachbarländer aber schon. Dank der wenig zerfallenen EU und ihren zumindest bis zur Corona-Pandemie uneingeschränkten offenen Grenzen können die Netflix-Zuschauer diese individuelle Mischung nun in „Tribes of Europa“ bestaunen.

RND

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