Von LED-Scheinwerfern bis zu vegetarischem Essen: Der deutsche Film wird grüner
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Die Serie „Unter uns“ gilt als vorbildlich in Sachen Klimaschutz.
© Quelle: Henning Kaiser/dpa
Wir wollen ökologisch nachhaltiger agieren: ein ehrenwerter Vorsatz, der erst mal nicht sonderlich aufregend erscheint. Und doch handelt es sich um ein Ereignis: Ein breites Bündnis von Medienunternehmen hat sich im Rahmen der Initiative Green Shooting auf eine Selbstverpflichtung zur Einhaltung von 21 ökologischen Mindeststandards geeinigt. Zu den Mitgliedern des Arbeitskreises gehören ARD und ZDF, die Privatsender, Sky, Netflix, die großen Produktionsfirmen und mehrere Fördereinrichtungen.
Initiator des Projekts ist der Geschäftsführer der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg (MFG), Carl Bergengruen. Die Beteiligung von Praktikern wie Michael Becker soll garantieren, dass der Maßnahmenkatalog auch umsetzbar ist. Der Leiter der SWR-Abteilung Szenische Herstellung, Auftragsproduktionen & Nachhaltigkeit war maßgeblich an der Entwicklung des CO2-Rechners beteiligt, mit dessen Hilfe sich die wesentlichen CO2-Treiber identifizieren lassen. Bei einem durchschnittlichen Fernsehfilm seien Einsparungen von 40 Prozent möglich: „Früher lag der Ausstoß bei 120 bis 150 Tonnen. Wenn man die Mindeststandards einhält, lässt sich diese Zahl auf 50 bis 80 Tonnen reduzieren.“
Modellprojekt mit rund 100 Filmen und Serien
Diese Standards sind das Ergebnis eines Modellprojekts mit rund 100 Filmen und Serien. Als vorbildlich gilt beispielsweise die von der Ufa-Tochter Serial Drama in Köln-Ossendorf produzierte RTL-Serie „Unter uns“. Erster Schritt war 2017 die Verbannung von Plastikflaschen; seither gibt es mit Kohlensäure versetztes Trinkwasser. 2020 wurde die Produktion auf Ökostrom umgestellt. Drehpläne und Drehbücher werden nach Möglichkeit nicht mehr gedruckt, was den Papierverbrauch stark reduziert hat. Die Produktion soll der Klimaneutralität so nahe wie möglich kommen. Fliegen ist verpönt, für Fahrten zum Studio soll der öffentliche Nahverkehr genutzt werden; die Pkw-Flotte ist größtenteils auf E-Mobilität umgestellt. Das Catering ist bio, regional und saisonal. Bislang konnte der CO2-Ausstoß um circa 200 Tonnen reduziert werden.
Der Energieverbrauch ist ein großer CO2-Faktor mit erheblichem Einsparpotenzial, wie Stefan Thul, Gesamtherstellungsleiter der Seven One Entertainment Group, mit einigen Zahlen verdeutlicht. Die Pro-Sieben-Sat.1-Senderfamilie hat langfristig das Ziel, das gesamte Produktionsportfolio nachhaltig herzustellen, und 2019 den Leitfaden „sauber gedreht“ erstellt. Laut Thul sei es bei dem Pilotprojekt vor allem darum gegangen, realistische Erfahrungswerte zu sammeln: „Man kann keine Elektrofahrzeuge fordern, wenn die Autoverleiher sie überhaupt nicht anbieten, wie das vor zwei Jahren der Fall war.“
„Die Kostenkeule ist kein Argument“
Die Befürchtung vieler Unternehmen, dass die Produktionen durch die Auflagen teurer würden, entkräftet Thul mit zwei Gegenbeispielen: „Wir haben die Produktion von ‚The Masked Singer‘ auf Ökostrom umgestellt und so den CO2-Ausstoß je Staffel um 94 Prozent reduziert, von 100 auf sechs Tonnen. Beim Sat.1-Frühstücksfernsehen gelang seit Anfang 2021 eine Reduktion von 1300 Tonnen auf nur noch 80 Tonnen.“ Die Mehrkosten hätten 0,04 Prozent betragen. „Die Kostenkeule ist also kein Argument.“
Zu den Mahnern gehört Lars Jessen. Der Grimme-Preisträger („Für immer Sommer 90″) begrüßt die angestoßenen Mindeststandards, „aber solange sie freiwillig bleiben, wird es viele geben, die nicht mitziehen.“