„Wonder Woman 1984″: Amazone prima, Rest so lala
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Kämpft in Washington gegen Lüge, Hybris und Wunschdenken: Wer das Actiongetöse von „Wonder Woman 1984“ ausblenden kann, nimmt in dem zweiten Film mit Gal Gadot in der Titelrolle durchaus Gegenwartsbezüge wahr.
© Quelle: Sky Deutschland/© 2020 WBEI. WO
Schummle nie! Diese Lektion lernt die Amazone Diana als kleines Mädchen. In einer Art „Iron Woman“-Wettbewerb auf der vergessenen Insel nimmt die jüngste, unglücklich vom Pferd gefallene Teilnehmerin eine Abkürzung. Der Schmu wird bemerkt, der Sieg aberkannt und von Teamchefin Antiope (Robin Wright) bekommt Diana den Leitsatz „Keine wahre Heldin wird aus Lügen geboren“ mit auf den Weg. Atemraubender als alles, was in den nächsten zweieinhalb Stunden folgt, ist die Eröffnungsszene von „Wonder Woman 1984“ (WW 84). Hey, denkt man sich bei diesen Bildern aus Wonder Womans Erinnerungsschatz, Quidditch kam also irgendwie von den Amazonen nach Hogwarts. Nur sind auf dem Eiland Themiscyra Gäule im Spiel und das Stadion sieht merklich cooler aus.
Unsere heiß geliebte Wonder Woman alias Prinzessin Diana alias Smithsonian-Archäologin Diana Prince hätten wir schon gern im Kino wiedergesehen. Inzidenzzahlen, Corona-Mutanten, der entsprechend immer wieder fortgesetzte Kulturverschluss der pandemiebedrohten Welt haben aber dazu geführt, dass man Gal Gadot jetzt (offiziell heißt es – „vor dem Kinostart“) bei Sky und Sky Ticket erleben wird. Der inzwischen ansehnliche Kinofilmstau spült nur eine Woche nach dem Tom-Hanks-Western „Neues aus der Welt“ auch ihr Sequel „Wonder Woman 1984“ in unsere Wohnzimmer. Das US-Streaming im Dezember in den USA bescherte dem Portal HBO-Max Rekorde.
Die Bildschirme sind ja auch längst groß genug, um den Eindruck gewaltiger und wundersamer CGI-Bilder nicht verpuffen zu lassen. Und trotzdem: Das Ritual fehlt, das Ausgehen, der Weg, das Wegsein. Man vermisst das. Im Wohnzimmer herrscht ja immer diese Zuguck-Halbherzigkeit – keine Fokussierung, jeder checkt permanent parallel sein Handy.
Superheldin trifft auf Quarz – das ist nicht ganz neu
Superheldengeschichten waren zuletzt sehr mineralienaffin, man erinnere sich an Marvels sechs supermächtige Infinitysteine, die in den Händen des gnadenlosen Thanos letztlich das Cinematic Universe der „Avengers“ entvölkerten. So ist es auch diesmal: Das Dingsbums, das „Wonder Woman 1984“ antreibt, ist ein mit lateinischer Inschrift versehener Citrix, ein Quarz, dessen Form irgendwie an die Zauberflasche erinnert, in der der Astronaut Tony Nelson in den Sechzigerjahren seine „Bezaubernde Jeannie“ fand, jenen weiblichen Dschinn, dessen Wunscherfüllungszwangsneurose (Arme verschränken, gleichzeitig nicken und zwinkern) zu lustigen kleinen Privatkatastrophen führte.
In „WW 84“ werden die Katastrophen öffentlicher und größer. Das Artefakt wurde von einem uralten Gott geschaffen, um seine Besitzer zu verführen und zu verderben. Zunächst gelangt der „Traumstein“ nach einem gescheiterten Raubüberfall über die Polizei ins Washingtoner Smithsonian auf den Examinationstisch von Diana Prince’ schusseliger und sozial inkompatibler Kollegin Barbara Minerva (Kristen Wiig). Fasst man es an und wünscht sich etwas, geht das prompt in Erfüllung.
Fest für Nostalgiker: Das Jahr 1984 wird neu erschaffen
Jeder Steingrabscher hat indes nur einen Wunsch: Barbara Minerva etwa möchte „jung, stark, sexy, cool, besonders“ sein und nicht nur gelingt ihr fortan sogar die schwungvolle Fortbewegung auf Pfennigabsätzen mühelos, sie stemmt im Fitnessstudio auch Gewichte der Lasha-Talakhadze-Klasse. Der Ölbaron Maxwell Lord, ein gescheiterter Ölbaron, wünscht sich dann in einem Augenblick untoppbarer Hybris, selbst der Traumstein zu sein. Der Citrix zerfällt und der unbändige Gierschlund ermöglicht ab sofort anderen Gierschlünden Wünsche, die er teuer verkauft. Und mit jedem seiner „Gewinne“ rutscht die von Wünschen wimmelnde Welt näher an den Abgrund.
„Es ist zu mächtig für Maxwell Lord“, weiß Diana von Anfang an, die ihre Lektion längst gelernt hat. Und bald schon werden die Sowjets nuklear nervös.
Richtig – die Sowjets. Wladimir Putin steht zur Handlungszeit von „Wonder Woman 1984“ erst kurz vor seiner KGB-Zeit in Dresden. Der neue Film spielt 1984, 66 Jahre nachdem im Vorgänger die Maschine des Weltkriegsspions Steve Trevor (Chris Pine) nahe der Amazoneninsel ins Meer stürzte, Diana und er sich ineinander verliebten und Steve den Opfertod starb. Es sind buntere Zeiten, und beinahe das größte Vergnügen für den Zuschauer ist es zu sehen, wie diese Boy-George-Welt von Breakdance, Futons, schreiend- und pastellbunter Garderobe und noch weit seltsamerer Frisuren neu erschaffen wird. Auf Partys wird zu Frankie Goes to Hollywood getanzt. Das waren Zeiten: „Welcome to the pleasuredome.“
Pascal überzieht als Antagonist, Wiig hat ein
Natürlich will „WW 84″ dem Zuschauer auch Wahrheiten über unsere Zeit nahebringen. Die Handlungszeit 1984 war auch das „Orwell-Jahr“ oder „Big Brother“-Jahr, benannt nach George Orwells 1948 verfasster Jahrhundertsatire über ein Kontrollregime, das seine Bürger verwirrte, manipulierte, missbrauchte und – bei Widerstand – umbrachte. Wie im Roman „1984″ wurde Wahrheit zuletzt auch zur Lüge und Lüge zu Wahrheit im vierjährigen Treiben und Trachten des Unpräsidenten Donald Trump. Und Maxwell Lord ist der Inbegriff kapitalistischer Deals und des Trumpismus. Sei ehrlich, sei wahrhaftig, übe Verzicht, gönne den anderen auch was, das sind so die Botschaften von „WW . Sie gehen ein wenig unter im Doomsday-Getöse.
Und im Gebaren des Antagonisten: Pedro Pascals Spiel als Lord ist derart comichaft überzogen, dass er streckenweise wie ein Idiot erscheint. Dem Protagonisten der überaus gelungenen „Star Wars“-Serie „The Mandalorian“, der sein Gesicht dort fast zu 100 Prozent unter einem Helm verbergen muss, wünscht man daher auch hier zuweilen einen Gesichtsschutz.
Bessere Figur macht da Wiig als Minerva, deren Geschichte im Detail anders erzählt wird als in den Comics, im Grunde aber dieselbe ist: Die neuen Kräfte rufen im jahrzehntelangen Mauerblümchen Heimzahlungsfantasien wach. Aber als sie dann endlich als Cheetah zum Showdown antritt, sieht ihr Schurkinnenoutfit aus, als habe sich eine Komparsin vom Set der „Cats“-Verfilmung in der Studiotür geirrt. Coolnessfaktor null, Regisseurin Patty Jenkins hätte hier unbedingt Nachbesserung verlangen müssen.
Cheetah war in Deutschland Tarzans Schimpanse
Schon in den Comics konnte man sich ja bei Minervas Superalias das Grinsen kaum verkneifen, weil bei uns das englische Wort für den Gepard jahrzehntelang für ein anderes Tier stand: Cheetah war über Jahrzehnte der Schimpanse und beste Freund von Dschungelheld Tarzan.
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Sie wollen wissen, was sich Wonder Woman vom magischen Citrix gewünscht hat? Na, was wohl? Auftritt: Chris Pine. Mit seinem Erscheinen müssen Feministinnen, die Diana mit dem ersten Film zu ihrer Comicikone erhoben, schwer schlucken und versuchen, ihre romantische Ader anzuzapfen. Noch 66 Jahre nach dem Ende ihrer großen Liebe sitzt die ewig schöne und selbst bestimmte Kämpferin traurig vor einem Glas Rotwein in einem Straßencafé und fühlt sich einsam. Echt jetzt? Immerhin tragen es die Superfrauen unter sich aus, die Kerle sind nur Staffage.
Wonder Womans nächster Film soll wieder im Kino laufen
Und am Ende schneit es wie bei uns dieser Tage. Wonder Woman spaziert versonnen durch ein Winter Wonderland und stellt fest, dass die Leute nach dem Chaos netter zueinander geworden sind. Sie kann jetzt auch fliegen. Und einen dritten Film bekommt sie überdies. Der soll dann auch wieder ganz normal im Kino laufen.
„Wonder Woman 84“, bei Sky und Sky Ticket, 145 Minuten, Regie: Patty Jenkins, mit Gal Gadot, Chris Pine, Kristen Wiig, Pedro Pascal (streambar ab 18. Februar)