Kipping-Interview

„Eine weitere linke Partei spaltet das fortschrittliche Lager“

Katja Kipping, die gebürtige Dresdnerin, mit den LVZ-Redakteuren Jan Emendörfer (r.) und André Böhmer.

Katja Kipping, die gebürtige Dresdnerin, mit den LVZ-Redakteuren Jan Emendörfer (r.) und André Böhmer.

Leipzig. In knapp zwei Monaten (8. bis 10. Juni) trifft sich die Linke in Leipzig zu ihrem Bundesparteitag. Die aus Dresden stammende Parteichefin Katja Kipping (40) blickt im LVZ-Interview auf dieses Treffen voraus, äußert sich zum Streit um die linke Sammelbewegung mit Fraktionschefin Sahra Wagenknecht und gibt schon für die Landtagswahlen 2019 in Sachsen und Thüringen die Richtung vor.

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Frau Kipping, der SPD-Ostbeauftragte Martin Dulig hat sich gerade darüber beklagt, dass die Lebensleistungen von Ostdeutschen nicht richtig gewürdigt werden. Kommt Ihnen das bekannt vor? Das Kümmern um Ost-Befindlichkeiten ist doch eigentlich Ihr Metier ...

Ich kenne Martin Dulig noch aus der Zeit, als wir beide jung und frisch im Sächsischen Landtag waren. Ich finde ihn persönlich auch sympathisch. Bezeichnend finde ich dagegen für den Zustand der SPD, dass die SPD in der eigenen Partei einen Ost-Beauftragen braucht, dessen Aufgabe vor allem darin besteht in der eigenen Partei als Lobby für den Osten aufzutreten. In meiner Partei brauchen wir niemanden, der innerhalb der Partei Ost-Lobby-Arbeit macht. Bei uns versteht sich die ganze Fraktion als Stimme des Ostens.

Als ursprüngliche Ost-Partei haben Sie es da natürlich viel einfacher, die SPD hat dagegen seit 1990 ein strukturelles Problem im Osten.

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Das stimmt. Aber, dass die SPD jetzt einen extra Ost-Beauftragten braucht, wirft ein spezielles Licht auf die Partei. Ich bin froh, dass das bei uns ganz anders ist. Mitglieder mit schwäbischem oder rheinischem Dialekt fordern bei uns genauso engagiert die Rentengerechtigkeit Ost wie Mitglieder aus Sachsen.

Ist der Ost-Beauftragte aus Sachsen nur ein Feigenblatt für die SPD?

Martin Dulig nehme ich es ab, dass er es ernst meint. Aber spätestens, wenn es Geld kostet, spielt der Osten immer nur die zweite Geige in der SPD-Fraktion. Nehmen wir nur mal das Thema Rentenungerechtigkeit bei in der DDR- geschiedenen Frauen. Um die auszugleichen, müsste die Fraktion ihre Minister für Soziales und Finanzen unter Druck setzen. Das wird nicht geschehen. Daran wird wahrscheinlich auch Martin Dulig nichts ändern können.

Aber Duligs Kritik am mangelnden Respekt vor Ost-Biographien spricht Ihnen doch aus dem Herzen?

Das haben wir schon immer angesprochen und es freut mich, dass er sich dafür noch mal stark macht.

Wenig Freude machen Ihnen aktuell aber offenbar die Überlegungen um eine linke Sammelbewegung, die von Fraktionschefin Sahra Wagenknecht öffentlich geführt werden. Sie gelten als Kritikerin dieser Pläne.

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Die Idee, dass wir als Linke eine Sammelbewegung sind, ist zunächst mal richtig.  Bei uns sind immer Leute willkommen, die mit uns gemeinsam für eine linke Politik aktiv werden wollen, zum Beispiel beim Kampf gegen den Pflegenotstand.

Wo ist dann der Haken an der Sache?

Das Problem ist ja immer, dass wenn von Sammelbewegungen gesprochen wird am Ende offen bleibt, ob eine neue Partei gemeint ist. Das wäre dann eine Abspaltung aus der Linken...

...die Sie verhindern wollen?

Ich bin der Meinung, dass eine weitere linke Partei das fortschrittliche Lager spaltet, statt es zu sammeln. Wir sollten ausgehend von unserer Partei, die Linke größer denken. Wir wollen die Linke weiter als Partei in Bewegung aufstellen. Das ist übrigens auch das Motto unseres Bundesparteitages im Juni in Leipzig.

Partei in Bewegung klingt erst mal ziemlich abstrakt. Was steckt konkret dahinter?

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Unsere Kampagnen sind sehr konkret: für bezahlbares Wohnen und gegen die Spekulation mit Wohnungen. Gegen den Pflegenotstand für 100.000 neue Pflegestellen in Krankenhäusern. Partei in Bewegung heißt erstens wir fühlen uns verbunden mit den sozialen Initiativen . Zweitens haben wir viele neue Mitglieder gewonnen, mit ihnen gemeinsam wollen wir die Partei weiterentwickeln. Das Argument, sowas habenhaben wir noch nie so gemacht habe, sollte nicht mehr zählen. Drittens geht es darum, etwas in der Gesellschaft in Bewegung zu setzen.

Der Zeitgeist schlägt momentan aber eher rechts statt links.

Wir kapitulieren nicht vor dem Rechtsruck in der Gesellschaft, sondern wir streiten für einen anderen Zeitgeist. Und wir kämpfen für andere, für fortschrittliche linke Mehrheiten.

Was wollen Sie als Linke dem Rechtsruck entgegensetzen?

In den vielen direkten Gesprächen, die ich mit Menschen – sei es vorm Jobcenter oder in den Plattenbaugebieten führe, erlebe ich den Unmut sehr direkt. Ich versichere dann, dass ich voller Energie dafür kämpfe, dass ihre Rente steigt oder die Mieten gedeckelt werden. Wir kämpfen darum, dass es ihnen besser geht, aber nicht dafür, dass es anderen schlechter geht. Kurzum es geht darum, die Oben-Unten-Konflikte stark zu machen und gegen rechts klar Haltung zu zeigen. Mit den Menschen reden, aber nicht nach dem Munde reden. Opportunistische Politiker gibt es genügend.

Welches Signal erwarten Sie vom Leipziger Parteitag? Ihre Fraktionschefin Sahra Wagenknecht hat gleichfalls im LVZ-Interview gesagt, dass es Charme hätte, wenn ausgerechnet in der SPD-Geburtsstadt Leipzig die linke Sammelbewegung ihren Anfang nähme. 

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Den Startschuss für eine linke Sammelbewegung hat es längst gegeben, das ist unsere Partei, die Linke. Ich erhoffe mir von Leipzig das Signal, dass wir gemeinsam die Linke größer und einflussreicher machen.

Sie gehen also nicht davon aus, dass es in Leipzig rumpelt, wenn es um die linke Sammelbewegung geht?

Es wird leidenschaftliche Debatten geben und nicht langweilig werden. Das ist normal. Aber nach allem, was ich bisher in der Partei erlebe, in Regionalkonferenzen oder im Parteivorstand, habe ich den Eindruck, dass unsere Strategie sehr breit geteilt wird.

Und bei der Wahl der Führungsspitze?

Bernd Riexinger und ich werden wieder antreten. Gegenkandidaturen sind in einer demokratischen Partei legitim und gängige Praxis. Ich bin jedoch sehr zuversichtlich, dass der Parteitag unseren Kurs stärken wird.

Beim Göttinger Parteitag 2012 hätte es Ihre Partei fast zerrissen. Droht diese Gefahr nicht auch für Leipzig?

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Das kann man überhaupt nicht miteinander vergleichen. Damals gab es tiefe Gräben zwischen den unterschiedlichen Strömungen. Nach sechs Jahren ist vieles von dem aufgegangen, das wir uns als Parteispitze angepackt haben.

Das wären?

Wir sind als Partei deutlich jünger geworden und wachsen wieder. Allein im letzten Jahr sind über 8500 Menschen in die Linke eingetreten, davon waren zwei Drittel unter 35 Jahren. Wir haben jetzt über 62500 Mitglieder. Diese jungen Leute verbinden in erfrischender Selbstverständlichkeit klare Kante gegen rechts zu zeigen mit den praktischen Einsatz für soziale Gerechtigkeit und Frieden.

Ausblick auf die Landtagswahl in Sachsen: Katja Kipping erwartet einen Dreikampf von CDU, AfD und Linken.

Ausblick auf die Landtagswahl in Sachsen: Katja Kipping erwartet einen Dreikampf von CDU, AfD und Linken.

Wo verorten Sie heute die Linke im Vergleich zu den 90er Jahren, als sie vor allem im Westen geächtet wurde?

Wir haben heute eine ganz andere Situation. Unser Image hat sich geändert. Wer heute jung ist und die Welt verändern will, geht als erstes zur Linken. Darauf bin ich stolz, weil ich auch mit meiner Arbeit dazu beigetragen habe.

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Mit Blick auf die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen im nächsten Jahr wird aber das peppige Image allein nicht reichen.  Wie wird sich die Linke in den beiden mitteldeutschen Ländern aufstellen?

Wir müssen so in die Wahlkämpfe gehen, dass die Linke gestärkt und die AfD am Ende geschwächt wird.. Ich halte nichts von Spekulationen über mögliche CDU-Links-Regierungen. Es geht am Ende um die Frage, ob die Politik des Tretens nach unten gestärkt wird, oder wird das Soziale gestärkt. Letztlich läuft es auf einen Zweikampf: Die Linke gegen die CDU hinaus.

Für beide Länder?

Das gilt vor allem für Thüringen. Dort wird es auf den Kampf Linke gegen die Union hinauslaufen. Bodo Ramelow verbindet als Person das pragmatische Anpacken als Regierungschef mit eine widerständigen Haltung eines Gewerkschafters. Im Osten müssen wir generell mehr Bodo Ramelow wagen.

Und für Sachsen?

Da die Lage in Sachsen nun mal  anders als in Thüringen ist, wird es wohl eher auf einen Dreikampf hinauslaufen – zwischen Linke, CDU und AfD.

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Was springt dann am Ende für die Linke raus?

Jetzt schon Prognosen abzugeben ist schwierig. Wenn sich aber die gesellschaftliche Aufmerksamkeit, wie aktuell zu beobachten ist, wieder mehr auf soziale Themen richtet, haben wir gute Chancen. Ich habe mich sehr über die Aussagen von Jens Spahn zu Hartz IV Betroffene geärgert. Doch in einem Sinne kann man ihm dankbar sein, er hat ausgesprochen, was die Politik der Regierung ist. In Reaktion darauf ist nun eine Debatte über Alternativen zu Hartz IV entbrannt. Wir Linken werden Druck machen, dass es nicht bei einer Debatte bleibt, sondern sich wirklich etwas für die Menschen verbessert.

Von Jan Emendörfer und André Böhmer

LVZ

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