Institut für Zukunftspolitik

Forscher nimmt Sachsen-Plan der Regierung unter die Lupe

LVZ-Gastautor Daniel Dettling, Gründer der Denkfabrik Institut für Zukunftspolitik. Dettling leitet das Berliner Büro des Zukunftsinstituts.

LVZ-Gastautor Daniel Dettling, Gründer der Denkfabrik Institut für Zukunftspolitik. Dettling leitet das Berliner Büro des Zukunftsinstituts.

Berlin. "Mehr Geld soll es richten." Das ist die gemeinsame Botschaft des neuen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer und des alten Vize Martin Dulig. Der Freistaat, lange bekannt als Sparstrumpf der Nation, will aus den Vollen schöpfen: Die Programme und Stellen für Sachsens Schulen, Kommunen und Polizisten werden aufgestockt. Der "Plan für Sachsen" der Koalition aus CDU und SPD verspricht mehr Investitionen in die Zukunft. Er will Antworten auf die drei großen Herausforderungen Digitalisierung, demografischer Wandel und Globalisierung geben. Aufschlussreich sind weniger die Antworten der Regierung denn die Wahrheiten, die sie verschweigt.

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Die digitale Wahrheit:

In den nächsten Jahren gehen Tausende von Arbeitsplätzen verloren. Nach einer neuen Umfrage des Branchenverbandes Bitkom ist jede zehnte Stelle in Deutschland bedroht. Existieren Mitte der 90er-Jahre noch rund 200 000 Stellen in der deutschen Kommunikationstechnik, sind es heute nur noch 20 000. Bis heute sind bereits 90 Prozent aufgrund der Digitalisierung weggefallen. Eine ähnliche Entwicklung drohe laut Bitkom-Chef Achim Berg für die Sektoren Banken, Versicherungen, Chemie und Pharma. Auf dem jüngsten Weltwirtschaftsforum in Davos ging es fast durchgehend um die Folgen der Automatisierung und Künstlichen Intelligenz. „Was wird aus den Verlierern der Digitalisierung?“ fragten besorgt die Unternehmens- und Regierungschefs? Die Sachsen-Koalition stellt sich diese Frage nicht. Die Digitalisierung jagt immer mehr Unternehmen und Bürgern Angst ein. In den meisten Ausbildungsstätten und Betrieben fehlen Strategien für Bildung und Weiterbildung.

Die demografische Wahrheit:

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In etlichen Bereichen fehlen Fachkräfte. In Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern, bei Polizei und Feuerwehr wird im Freistaat inzwischen fast Jeder eingestellt, die Qualifikation spielt aufgrund des personellen Notstands immer weniger eine Rolle. Neben mehr Geld und Anerkennung der sozialen Berufe geht es um einen intelligenten Umgang mit Geflüchteten sowie eine umfassende Strategie für bürgerschaftliches Engagement.

Die Mehrheit der Sachsen engagiert sich ehrenamtlich oder ist dazu bereit. Noch nie gab es eine so gut ausgebildete, gesunde und engagierte Generation wie die Altersgruppe 50plus. Und noch nie gab es eine junge Generation, die so offen und informiert ist. Ein landesweiter „Sachsendienst“, verbunden mit einem Bürgergeld, könnte das Engagement bündeln und attraktiver machen. Warum entwickelt der Freistaat kein Modell für ein „bedingtes Bürgergeld“? Wer sich engagiert und einbringt, bekommt einen spürbaren Zuschuss? Nicht nur Leistung, auch soziales Engagement muss sich lohnen!

Sachsens Schulen brauchen mehr Freiheit und Autonomie. „Bürgerschulen“ sind erfolgreicher als rein staatlich betriebene Schulen. Auch beim Thema Sicherheit wird es mit mehr Geld und Personal nicht getan sein. Das grün regierte Baden-Württemberg hat mit dem Modell der „Bürgerpolizei“ gute Erfahrungen gemacht.

Die globale Wahrheit:

Es kommt mehr auf Regionen und weniger auf Nationalstaaten an. Regionale und lokale Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand sind heute und noch stärker in der Zukunft von einem proaktiven Umgang mit Globalisierung und Internationalisierung abhängig. Der Freistaat hat mit den Automobil- und Logistikstandorten Dresden und Leipzig, den Nachbarländern Polen und Tschechien und seinen Forschungseinrichtungen beste Voraussetzungen im globalen Wettbewerb. Ein Zukunftskonzept für die Oberlausitz sollte sich „Think global, act local!“ als Motto setzen. Keiner weiß das so gut wie der frühere Forschungs- und Bildungspolitiker Michael Kretschmer. Das Geld ist nicht das Problem. Weltweit sind Investoren auf der Suche nach neuen Standorten und Großprojekten.

Die Sachsen machen sich Sorgen um die Zukunft ihres Landes. Auch deshalb haben bei der Bundestagswahl viele AfD gewählt. Digitalisierung, Demografie und Globalisierung sind für viele Bürger Angstthemen. Umso wichtiger ist es, diese Ängste ernst zu nehmen und sie zu benennen. Ob Michael Kretschmer seine Zeit nutzt und sich die Sachsen für sein Zukunftsprojekt begeistern und mobilisieren lassen, hängt vor allem von einer Frage ab: Was hat der „Plan für Sachsen“ mit mir als Bürger zu tun? Was gewinne ich, wenn ich mich beteilige?

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Der Autor und die Denkfabrik

* Unser Autor ist Gründer der Denkfabrik Institut für Zukunftspolitik und leitet das Berliner Büro des Zukunftsinstituts. Der Jurist und promovierte Verwaltungswissenschaftler forscht und arbeitet zu Fragen der Demokratie, Demografie und Digitalisierung. Das Zukunftsinstitut wurde 1998 gegründet .

Von Daniel Dettling*

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