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Akute Gefahr für die Gesundheit

Giftige PFAS-Chemikalien breiten sich in Sachsen aus

Die giftigen Ewigkeitschemikalien PFAS gelangen unter anderem über Kläranlagen in Flüsse, Seen und Meere.

Die giftigen Ewigkeitschemikalien PFAS gelangen unter anderem über Kläranlagen in Flüsse, Seen und Meere.

Dresden. In Sachsen werden die Untersuchungen auf die sogenannten Ewigkeits-Chemikalien ausgeweitet. Bislang wurden zehn Flächen analysiert – in diesem Jahr wird sich die Zahl auf 56 erhöhen, bei denen insgesamt 140 Proben auf diese schleichenden Gifte getestet werden sollen. „Wir haben das Thema sehr genau auf dem Schirm“, erklärt Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) gegenüber der LVZ und warnt: „Ein großer Teil der vielen Tausend chemischen Verbindungen aus dieser Gruppe wird in der Umwelt nicht abgebaut und kann die Gesundheit gefährden.“

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Forscher warnen vor langfristigen Gesundheitsschäden

Diese PFAS (gesprochen: Pifas) finden sich in Alltagsgegenständen wie imprägnierten Regenjacken, Antihaft-Pfannen und -Backformen oder Polstermöbeln – im Prinzip überall dort, wo wasser-, fett- und schmutzabweisende Eigenschaften gefragt sind. Auch in der Halbleiterfertigung, bei der Herstellung von Lithium-Batterien und Brennstoffzellen sowie in der Automobil-, Textil- und Elektroindustrie sind die Ewigkeits-Chemikalien verbreitet. PFAS steht zusammenfassend für per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, die allesamt künstlich hergestellt werden.

„Je nach Stoff überdauern sie mehrere Jahrzehnte bis Jahrhunderte in der Umwelt“, macht das Umweltbundesamt in Dessau (Sachsen-Anhalt) klar. Oftmals werden die über die Luft, das Wasser oder das Essen aufgenommenen Gifte von Mensch und Tier nur äußerst langsam ausgeschieden, so dass sie sich monatelang im Körper befinden. Laut Umweltforschungszentrum (UFZ) Leipzig gehören PFAS „zu den stabilsten Chemikalien, die wir kennen“. Studien verweisen darauf, dass das Herzinfarkt- und Schlaganfall-Risiko zunehmen, das Hormon- und Immunsystem geschädigt, die Fruchtbarkeit verringert oder Krebs erzeugt werden kann.

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Landesamt: Ewigkeits-Chemikalien sind in Sachsen angekommen

Die Analysen haben für Sachsen noch keine drastischen Überschreitung der gesetzlichen Grenzwerte in den Bodenproben ergeben. Allerdings wurden die Chemikalien bereits in gut einem Viertel der Tests nachgewiesen. „PFAS ist angekommen“, lautet deshalb das Fazit des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG). Auffällige Messwerte wurden insbesondere auf Flächen bei Niederwartha (Dresden, in der Elbaue) und bei Colditz (Landkreis Leipzig, in der Muldeaue) registriert.

Darüber hinaus laufen weitere Untersuchungen in Einzelfällen, bei denen der Verdacht auf eine hohe PFAS-Konzentration besteht, so das sächsische Landesamt. Dazu zählen Papierfabriken, Dichtungswerke und Deponien sowie Orte, auf denen großflächig Löschschaum eingesetzt worden ist. Altlasten aus DDR-Zeiten werden dagegen nahezu ausgeschlossen.

PFAS wurde auch in Fischen aus der Elbe gefunden

Stärker sind nach bisherigen Erkenntnissen allerdings Gewässer betroffen – und die Belastung steigt, da die giftigen Stoffe häufig über die Abwasser transportiert werden. Aktuell sind laut LfULG „Überschreitungen der Umweltqualitätsnorm“ in 13 Flüssen, Bächen und Seen an insgesamt 20 Messstellen im Freistaat nachgewiesen worden.

Demnach wurden PFAS in Fischen auf dem gesamten sächsischen Abschnitt der Elbe sowie in der Talsperre Pöhl (Vogtland), in der Talsperre Malter (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) und im Autobahnsee Ammelshain (Landkreis Leipzig) gefunden. Hinzu kommen erhöhte Werte im Wasser unter anderem der Vereinigten Mulde, der Freiberger Mulde und Lausitzer Neiße.

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Untersuchung: Regionale Produkte bislang unbedenklich

„Sachsen ist nach Stand der Dinge weniger von Belastungen durch PFAS betroffen als andere Regionen in Deutschland. Trotzdem ist klar, dass die Verwendung europaweit deutlich eingeschränkt werden muss“, erklärt Günther. Für den Umweltminister steht fest: „Wir brauchen den schnellstmöglichen Umstieg auf umwelt- und gesundheitsverträgliche Alternativen zu solchen Ewigkeits-Chemikalien.“ Günthers Ressort hat schon im Mai 2022 die Analysen und den Umgang mit diesen Giften per Erlass geregelt.

Die sächsische Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen hat im vergangenen Jahr die Ergebnisse einer ersten Studie vorgelegt: Demnach wurden in acht von insgesamt 90 Lebensmittelproben geringe Spuren von PFAS festgestellt. Davon waren immerhin sieben tierischer Herkunft – das entspricht in diesem Bereich etwa einem Drittel, da neben 70 pflanzlichen Angeboten lediglich 20 Tierprodukte (Eier, Fisch, Fleisch von Schwein, Rind und Wild) analysiert wurden. Das Urteil lautet bislang: Selbst für Vielesser seien die nachgewiesenen Konzentrationen noch unbedenklich, so die Landesuntersuchungsanstalt. Alle Proben stammten von regionalen Erzeugern aus Sachsen.

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Grenzwerte sollen künftig niedriger angesetzt werden

Für die PFAS-Untersuchungen werden demnächst aber die Grenzwerte gesenkt, so dass wahrscheinlich auch in Sachsen mehr Flächen und Gewässer als belastet angesehen werden müssen. Der Bundesrat will Ende März eine entsprechende Novelle der Trinkwasserverordnung beschließen.

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Daneben haben fünf EU-Staaten – darunter Deutschland – im Februar einen Antrag gestellt, die gesamte PFAS-Gruppe in der europäischen Chemikalienverordnung deutlich zu beschränken. In einer Stellungnahme attestiert das UFZ Leipzig, wo zahlreiche Studien zu den Ewigkeits-Chemikalien laufen: „Die Stoffgruppe vereint nahezu alle schlechten Eigenschaften. Die Absicht ist folgerichtig – und der Schritt notwendig.“

LVZ

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