„Jagdsaison ist eröffnet“

Heimspiel für Höcke, Kampfansage von Urban: Der AfD-Wahlkampfstart in Lommatzsch

Björn Höcke, Vorsitzender der AfD in Thüringen, verlässt nach seiner Rede zum Wahlkampfauftakt seiner Partei vor der Landtagswahl in Sachsen die Bühne.

Björn Höcke, Vorsitzender der AfD in Thüringen, verlässt nach seiner Rede zum Wahlkampfauftakt seiner Partei vor der Landtagswahl in Sachsen die Bühne.

Lommatzsch. Die Dramaturgie ist voll und ganz auf Björn Höcke ausgerichtet: Der Thüringer AfD-Landeschef wird zum offiziellen Wahlkampfstart der sächsischen AfD am Sonntagabend in Lommatzsch (Landkreis Meißen) vom Saal gefeiert. Mehr als 400 Parteimitglieder skandieren „Merkel muss weg“, „Widerstand“ und „Wir sind das Volk“.

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Wie war die Stimmung?

Schon eine halbe Stunde vor Beginn ist der Saal des Lommatzscher Schützenhauses rappelvoll. Stühle werden eilig herbeigeschafft, überall drängen sich Menschen. Die Stimmung ist kämpferisch-trotzig – vor allem nach der Entscheidung des sächsischen Wahlausschusses, 43 der 61 Listenkandidaten für die Landtagswahl am 1. September 2019 wegen zwei Formfehlern nicht zuzulassen.

Nahezu jeder Redner wird mit stehenden Ovationen und tosendem Applaus gefeiert. Der Zorn richtet sich vor allem gegen CDU und Grüne, die AfD bezeichnet sich als wahre Volkspartei. „Wir sind die einzige Partei, die sich um das Wohl des deutschen Volkes kümmert. Die Landtagswahl wird die Volksabstimmung darüber, ob Sachsen deutsch bleibt“, ruft Sachsens AfD-Generalsekretär Jan Zwerg zu Beginn unter tosendem Jubel in den Saal. Unzweideutig fügt er unter Grölen hinzu: „Die Jagdsaison ist eröffnet.“

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Jörg Urban, Vorsitzender der AfD in Sachsen, am 14

Jörg Urban, Vorsitzender der AfD in Sachsen, am 14. Juli in Lommatzsch.

Worum geht es beim Wahlkampfauftakt?

Die sächsische AfD startet pro forma ihre neue "Jetzt erst recht"-Kampagne als Reaktion auf den Landeswahlausschuss. Tatsächlich geht es allerdings um den seit Langem angekündigten, sichtbaren Schulterschluss: Der sächsische Landesverband mit Jörg Urban an der Spitze demonstriert Einigkeit mit Björn Höcke und Andreas Kalbitz, den AfD-Landesvorsitzenden von Thüringen und Brandenburg, wo in diesem Jahr ebenfalls neue Landtage gewählt werden. Beide gehören der AfD-Rechtsaußen-Gruppe "Flügel" an, der vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall beobachtet wird.

Kalbitz sieht dies als Lob und kommentiert in seiner Lommatzscher Rede: „Hier im Osten wissen die Menschen ganz genau, wie armselig eine Regierung dran sein muss, wenn sie wieder Geheimdienste losschicken muss.“ Das Wichtigste ist: Trotz aller Richtungsdiskussionen, die es innerhalb der AfD aktuell gibt und sich insbesondere an Höcke festmachen, soll wie bereits am Sonnabend

beim Brandenburger Wahlkampfauftakt in Cottbus

Geschlossenheit demonstriert werden.

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Andreas Kalbitz, Vorsitzender der AfD in Brandenburg, am 14

Andreas Kalbitz, Vorsitzender der AfD in Brandenburg, am 14. Juli in Lommatzsch.

Was sagt der sächsische Spitzenkandidat?

AfD-Landeschef Urban hält seine wohl emotionalste und bislang am meisten gefeierte Rede - und lässt damit erahnen, was auf Sachsen in den Wochen bis 1. September zukommt. „Wir sind keine Nazis - aber wir haben genug vom Umbau der Gesellschaft und der Merkel-Herrschaft“, sagt Urban und erklärt kurz darauf, dass „Messerstechereien und Gruppenvergewaltigungen auf dem Weg zur Normalität“ in Deutschland seien.

Immer wieder wird Urban von Zwischenapplaus und Beifallsbekundungen unterbrochen, bis er schließlich zum Ende ankündigt: „Wer will uns noch aufhalten? Am 1. September holen wir uns unser Land zurück!“ Wie auch andere Redner macht Urban klar: Zur Landtagswahl soll die Friedliche Revolution von 1989 „vollendet“ werden.

Wie wird Höcke von der sächsischen AfD aufgenommen?

Schon beim Einmarsch wird Thüringens AfD-Chef frenetisch gefeiert, mit „Höcke, Höcke“-Rufen auf die Bühne geleitet. In seiner Rede bedient er alle Punkte, die zur thematischen Klaviatur der AfD gehören: Zunächst betreibt Höcke Medienschelte, woraufhin der Saal „Lügenpresse, Lügenpresse“ skandiert, danach malt er für Deutschland Schwarz, prophezeit den Untergang als Kulturnation und Industrieland. „Es ist eine kalte Enteignung. Das wird ein tiefer Fall - mit Auswirkungen, die wir uns heute noch nicht vorstellen können.“

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Auftritt Björn Höcke in Lommatzsch
Auftritt Björn Höcke in Lommatzsch

Auftritt des Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke beim Wahlkampfauftakt der Sachsen-AfD in Lommatzsch

Schließlich kommt er - wie alle Redner - zum Migrationsthema. Insgesamt bleibt Höcke im Vergleich zu früheren Auftritten allerdings recht zahm. Er beherrscht inzwischen die Gratwanderung des Gerade-noch-Sagbaren. Doch selbst Götz Kubitschek, Vordenker der neuen Rechten und Höcke-Freund, hatte nach dem jüngsten „Flügel“-Treffen zur Mäßigung im strategischen Sinne aufgerufen.

Was ist das Fazit?

Der Osten ist eine Bastion für die AfD: Die guten Umfrageergebnisse machen selbstbewusst - nicht nur hier, sondern auch gegenüber den Parteikameraden im Westen, die eher dem bürgerlich-konservativen Lager angehören und Höcke nur zu gern loswerden wollen. Auch wenn Sachsens AfD-Chef Urban schon vorab mit stehenden Ovationen empfangen wird, ist doch schnell klar: Ohne Höcke geht es im Osten offenbar nicht – das beweist nicht nur die Dramaturgie des mehr als zweieinhalb-stündigen Sonntagabends, bei der der Spannungsbogen auf seinen Auftritt ausgerichtet ist, sondern vor allem die breite Zustimmung unter den anwesenden sächsischen Parteimitgliedern.

Höcke in Lommatzsch Abschluss
Höcke in Lommatzsch Abschluss

Abschluss von Björn Höckes Rede zum Wahlkampfauftakt der sächsischen AfD in Lommatzsch.

Von Andreas Debski

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