Krise zwischen VW und Sachsen: Kretschmer lobt nun die E-Autos
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Guter Dinge mit dem grünen Energieminister Wolfram Günther (r.): Ministerpräsident Michael Kretschmer findet plötzlich lobende Worte für die Zukunft der E-Autos.
© Quelle: Hendrik Schmidt/dpa
Dresden. Michael Kretschmer hat einiges gutzumachen – zumindest in den Augen von Volkswagen. Eine Woche ist es her, dass der sächsische Ministerpräsident mit dem CDU-Parteibuch auf einer Regionalkonferenz der Union in Riesa plötzlich Stellung zum Zwickauer VW-Werk nahm. Quasi nebenbei verkündete Kretschmer, dass man in Bälde mit „bedauerlichen Nachrichten“ rechnen müsse. Jetzt äußert er sich ganz anders.
Der Konzern hatte vor Kretschmers Ankündigung offiziell noch gar nicht mitgeteilt, dass man die befristeten Verträge von rund 270 Mitarbeitern nicht verlängern werde. Für Unmut sorgte auch, dass der Regierungschef mit der Elektromobilität de facto abrechnete: „Jetzt sehen wir, ganz so erfolgreich ist es dann am Ende doch nicht.“ Nicht wenige erwarteten deswegen, dass er diese Aussagen auf die eine oder andere Weise wieder einfangen würde. Eine knappe Woche ließ sich Kretschmer dafür Zeit.
Der Ministerpräsident hat nun die Pressekonferenz nach der auswärtigen Kabinettssitzung in Freiberg am Dienstag genutzt, um ein paar Dinge geradezurücken. Seit dem Wochenende bekam das Thema schließlich neue Dringlichkeit, weil auch über die Zukunft der VW-Fahrzeugproduktion in der Gläsernen Manufaktur in Dresden spekuliert wurde.
Volkswagen ließ die Gerüchte unkommentiert, wonach die Fertigung eingestellt würde. Immerhin war zu vernehmen, dass nichts entschieden sei. Doch der Eindruck verfestigte sich: Es kriselt zwischen Sachsen und VW.
Kretschmer: „Die Fahrzeuge von Volkswagen sind spitze“
„Die Fahrzeuge von Volkswagen sind spitze. Sie haben eine extrem hohe Qualität“, sagte jetzt Kretschmer, als er um seine Einschätzung der Lage gebeten wurde. Der Gesamtkontext müsse aber stimmen. „Ich würde nicht so weit gehen, dass ich diese Strategie von Volkswagen grundsätzlich infrage stelle, weil das auch nicht meine Aufgabe ist.“
Er finde es falsch, dass sich Deutschland und die EU zu sehr darauf festlegten, welche Antriebstechnologie eine Zukunft habe. „Aber das können Sie ja nicht dem Unternehmen anlasten, das ist eine politische Entscheidung.“ Zudem leide Volkswagen unter der Verunsicherung der Bevölkerung, die sich auf wirtschaftlich schwierige Zeiten einstelle: „Das Erste, woran man spart, wenn man nicht weiß, wie es weitergeht, ist ein neues Auto.“
Im Gegensatz zur vergangenen Woche fand Kretschmer auch positivere Worte über die Bedeutung der Elektromobilität für den Freistaat: Es sei ein riesiger Vorteil, wenn Sachsen bei einer Technologie, „die in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ohne Frage eine viel größere Bedeutung haben wird“, das Leitwerk und Zulieferer im Land habe. Gemeint waren damit das Zwickauer Werk und die Vielzahl von Betrieben, die in der Region in der Branche mittlerweile aktiv sind.
„Der Ministerpräsident ist immer schnell mit seinen Urteilen“
Die neuen Einlassungen des Ministerpräsidenten dürften die Koalitionäre beruhigen. Sie waren zuletzt regelrecht fassungslos gewesen, dass Kretschmer Neuigkeiten über ein börsennotiertes Unternehmen wie VW verbreitet hatte. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Sabine Friedel, sagte am Dienstag: „Der Ministerpräsident ist immer relativ schnell mit seinen Urteilen. Sie haben oft nicht lange Bestand.“ Das sei in diesem Fall aber gut. Man könne nicht von einem Aus der Elektromobilität in Sachsen sprechen.
Die eigene Partei stellte Kretschmer allerdings vor rhetorische Probleme. Es sei „entscheidend, dass es zwischen VW und der sächsischen Staatsregierung gute Gespräche gibt, dass man herausarbeite, wie man unterstützen kann“, sagte Sören Voigt aus der CDU-Fraktionsführung. Auf Nachfrage bewertete er nicht, wie Kretschmers Sätze in Riesa wohl beim Wolfsburger Konzern angekommen seien könnten: Er sei bei der Regionalkonferenz nicht dabei gewesen und könne dazu auch nichts sagen. Die einschlägigen Presseberichte kommentierte Voigt nicht.
Landtag debattiert über Zukunft der Autoindustrie
Die Situation von Volkswagen wird die Landespolitik in dieser Woche dennoch beschäftigen. Die AfD-Fraktion hat eine aktuelle Debatte zur Zukunft der sächsischen Autoindustrie beantragt. „Wir sind der Meinung, dass Standorte wie Zwickau nicht ausschließlich zur Produktion von E-Fahrzeugen betrieben werden sollten“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer, Jan Zwerg. Die einseitige Orientierung bedrohe die gesamte deutsche Autoindustrie, es brauche vielmehr Technologie-Offenheit.
Während am Donnerstag im Landtag diskutiert wird, steht der nächste Termin für Volkswagen an. In der Gläsernen Manufaktur wird es eine Betriebsversammlung geben, bei der der VW-Produktionsvorstand Christian Vollmer zugegen sein soll. Man erwarte Antworten, heißt es vorab vonseiten der Gewerkschaft. Vielleicht ist auch die Landespolitik am Donnerstagabend schon schlauer, wie es um Volkswagen in Sachsen steht.
LVZ