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Demonstration in der Südvorstadt

Ausschreitungen beim „Tag X“: Demonstranten in Leipzig bis zum frühen Morgen eingekesselt

Ein Demonstrant wird von der Polizei in Gewahrsam genommen.

Ein Demonstrant wird von der Polizei in Gewahrsam genommen.

Leipzig. Nach dem Urteil gegen Lina E. wegen linksextremistischer Gewalttaten ist es in Leipzig in der Nacht zum Sonntag erneut zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen. Die Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz, über der Stadt kreisten Hubschrauber, an mehreren Orten im Stadtteil Connewitz brannten Barrikaden. Schon am Samstagnachmittag hatte es Krawalle gegeben. Bis zum späten Abend wurden fünf Haftbefehle erlassen, knapp 30 Personen festgenommen. 50 Menschen kamen zeitweise in Gewahrsam. Rund 50 Einsatzkräfte wurden nach Polizeiangaben verletzt.

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Bei einer Kundgebung in der Südvorstadt kam es bereits am frühen Samstagabend zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten (hier zum Nachlesen im Liveticker). Zunächst hatte die Polizei die Demo unter dem Motto „Die Versammlungsfreiheit gilt auch in Leipzig!“ am Alexis-Schumann-Platz mit „weitaus mehr“ als 1500 Teilnehmern nicht starten lassen: Sie forderte die Teilnehmer auf, Vermummungen abzulegen. Wenig später löste sich eine größere Gruppe, aus der heraus die Beamten mit Steinen, Flaschen und Pyrotechnik attackiert wurden. Die Polizei sprach von „massiven Ausschreitungen“. Daraufhin wurde der Platz geräumt, eine Gruppe eingekesselt. Die Polizei zog zudem acht Wasserwerfer hinzu. Eingesetzt wurden diese jedoch nicht, teilte Polizeisprecher Olaf Hoppe am Abend auf Twitter mit.

Etwa 1000 Menschen wurden in der Südvorstadt von der Polizei eingekesselt.

Etwa 1000 Menschen wurden in der Südvorstadt von der Polizei eingekesselt.

1000 Menschen eingekesselt, darunter auch Minderjährige

Wie die Polizei am Sonntagmorgen mitteilte, wurden etwa 1000 Menschen am Heinrich-Schütz-Platz festgesetzt, aus deren Kreis die Gewalt ausgegangen sein soll. Am Abend wurde damit begonnen, die Personalien der Demonstranten aufzunehmen. Die Maßnahme zog sich über rund elf Stunden bis zum frühen Morgen. „Gegen 5.30 Uhr wurden die letzten Identitätsfeststellungen durchgeführt“, sagte Polizeisprecherin Josephin Heilmann der LVZ. Unter den mutmaßlichen Randalierern waren auch Minderjährige, bestätigte die Polizei. Diese seien „priorisiert“ behandelt worden. Zur Versorgung vor Ort wurden mobile Toiletten und auch ein Trinkwasserwagen bereitgestellt. Während der Einkesselung habe es mehrere Ausbruchsversuche gegeben, die unterbunden wurden, hieß es von der Polizei.

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Ein Teil der Personen kam in Polizeigewahrsam. „Ein großer Teil konnte nach Hause gehen“, so Heilmann. Ermittelt werde unter anderem wegen Landfriedensbruchs und Angriffen auf Polizisten. Bereits zuvor waren Haftbefehle wegen schweren Landfriedensbruches erlassen worden. Fünf in der Nacht zu Samstag in Leipzig festgenommene Männer im Alter zwischen 20 und 32 Jahren kamen in Untersuchungshaft.

Bis in die Nacht hatten in Connewitz Barrikaden gebrannt, die von Wasserwerfern gelöscht wurden. Polizisten wurden aus der Dunkelheit attackiert. Die Polizei sprach von „Zusammenrottungen von augenscheinlich gewaltbereiten Personen“. Auch der Polizeiposten in der Wiedebachpassage wurde angegriffen und beschädigt. Dabei seien zwei Beamte verletzt worden, die mit dem Objektschutz betraut waren, hieß es. Am Sonntagmorgen hatte sich die Lage in der Stadt nach Polizeiangaben beruhigt.

Demo in Leipzig: Deutlich mehr Teilnehmer als ursprünglich angemeldet

Der Samstag wurde von der linksautonomen Szene zum „Tag X“ ausgerufen, an dem in Leipzig Solidarität mit der verurteilten Linksextremistin Lina E. gezeigt werden soll. Die zentrale Demonstration wurde von der Stadt verboten, auch das Bundesverfassungsgericht rüttelte am Samstagnachmittag nicht an der Entscheidung. Allerdings hatte die linksautonome Szene weiter mobilisiert.

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Die Polizei geht gegen die Störer an der Karl-Liebknecht-Straße vor.

Die Polizei geht gegen die Störer an der Karl-Liebknecht-Straße vor.

Die Kundgebung am Alexis-Schumann-Platz war ursprünglich mit 100 Teilnehmern angemeldet worden. Schnell hatte sich allerdings gezeigt, dass diese Anzahl zu niedrig angesetzt worden war. Die Polizei schätzte die Menge am Abend auf rund 1500 Personen, etwa ein Drittel davon seien gewaltbereit gewesen.

Der Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek, der die Demonstration im Auftrag des Vereins „Say it Loud“ organisiert hatte, versuchte kurzfristig vor Ort Personen als weitere Ordner zu gewinnen. Er zeigte sich nach der Eskalation ernüchtert. Es sei genau die Situation eingetreten, „die wir unbedingt vermeiden wollten“, sagte er. Nachdem während eines Gesprächs zwischen dem Versammlungsleiter und der Versammlungsbehörde einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer Polizistinnen und Polizisten angegriffen haben, habe Kasek die Versammlung aufgelöst, so Hoppe.

Gewalt bei Demo in Leipzig: Kritik an Polizei in sozialen Netzwerken

In den sozialen Netzwerken gaben viele der Polizei die Schuld am Gewaltausbruch. Die Leipziger SPD-Vorsitzende Irena Rudolph-Kokot schrieb bei Twitter, die Polizei habe anderthalb Stunden lang „immer neue bekloppte Sachen vorgebracht“. Man hätte die Demonstration um 17 Uhr laufen lassen sollen „und alle wäre gut“.

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Auch der Landtagsabgeordnete Marco Böhme (Linke) machte das „faktische Verbot“ der Demonstration durch die Polizei für die Eskalation verantwortlich, „weil Menschen sich nicht einsperren lassen und ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen wollen“. Ella Hanewald, Sprecherin der Grünen Jugend in Sachsen, kritisierte den Polizeieinsatz als „vollkommen überzogen“ und „alles andere als deeskalativ“.

Innenpolitiker Albrecht Pallas (SPD) nannte das Vorgehen der Polizei dagegen „folgerichtig“, da es Angriffe gegen die Beamten gegeben habe. „Ich würde hier nicht der Polizei die Schuld geben“, sagte er der LVZ. Er kritisierte jedoch bei Twitter, dass die Beamten „recht provozierend“ aufgetreten seien und „unnötige Härte beim Abdrängen von umstehenden Menschen“ walten lassen.

CDU-Generalsekretär Alexander Dierks erklärte am Sonntag hingegen: „Die Strategie der Deeskalation, die die Beamten verfolgt haben, war richtig. Die reflexartige Kritik einiger Akteure wiederum ist unangebracht und entlarvend zugleich. Zumal die jüngsten Aufrufe von Linksextremen im Internet an Militanz kaum zu überbieten waren.“ Der CDU-Landtagsabgeordnete Sebastian Fischer verteidigte ebenfalls den Einsatz: „Das Gewaltmonopol liegt beim Staat! Wer Gewalt ausübt, spürt die Konsequenzen“, twitterte er.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, der mit Innenminister Armin Schuster (beide CDU) am Samstagdas Lagezentrum besucht hatte, dankte der Polizei für ihren Einsatz. „Das Ziel ist Menschen und Sachwerte zu beschützen und Gewalttäter festzunehmen“, erklärte der CDU-Politiker am Nachmittag.

Einsatzkräfte der Polizei werden am Alexis-Schumann-Platz aus der Kundgebung heraus attackiert. Es kommt zu Ausschreitungen. Die Demonstration hatte nicht starten dürfen, weil die Einsatzkräfte Vermummungen bei Teilnehmern ausgemacht hatte.

Einsatzkräfte der Polizei werden am Alexis-Schumann-Platz aus der Kundgebung heraus attackiert. Es kommt zu Ausschreitungen. Die Demonstration hatte nicht starten dürfen, weil die Einsatzkräfte Vermummungen bei Teilnehmern ausgemacht hatte.

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„Tag X“ in Leipzig: Innenminister versprach Deeskalation

Leipzigs Stadtsprecher Matthias Hasberg gab auch Demo-Organisator Jürgen Kasek eine Mitschuld. Der LVZ sagte er: „Die Anmeldung dieser Demonstration in der Südvorstadt war angesichts der Gemengelage unverantwortlich. Der Anmelder muss sich fragen lassen, ob er nur naiv war oder gar eine Strategie verfolgte.“ OBM Jung erklärte am Sonntag: „Ich finde es schon etwas naiv zu glauben, man könne an einem solchen Tag eine Demonstration anmelden und davon ausgehen, dass sie friedfertig bleibt.“ Den Namen Kasek nannte er nicht.

Die Polizei hatte unter anderem die Menge gebeten, mit ihrem Verhalten zu einem friedlichen Verlauf beizutragen und polizeiliche Maßnahmen angekündigt, falls Steine gesammelt würden, um diese zu werfen. Innenminister Schuster hatte am Samstagnachmittag noch bekräftigt, dass die Polizei deeskalierend vorgehen wolle: „Ich glaube, dass die Polizei und die Stadt rhetorisch keinen Anlass geboten haben, sich über uns zu wundern.“

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